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Sport des Südens - Nord-Süd-Netz

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SPORT DES SÜDENS<br />

03/2_Die Olympiaschützin_<br />

Porträt einer chinesischen <strong>Sport</strong>lerin<br />

Dass Zhang Shan eine Weltklasseschützin ist, verrät ihr fester<br />

Blick. 200 von 200 Tontauben traf die heute 39-jährige bei<br />

den Olympischen Sommerspielen 1992 in Barcelona. Zhang<br />

schrieb Olympiageschichte – auch weil sie alle 40 männlichen<br />

Konkurrenten schlug. Danach schloss der Internationale<br />

Schießverband Frauen vom olympischen Tontaubenschießen<br />

aus. „Das hatten die aber schon vorher vor, ich bin daran nicht<br />

schuld“, lacht Zhang, die einen dunkelgrauen Strickpulli und<br />

blaue Jeans trägt. Aktuell ist Zhang die weibliche Konkurrenz<br />

allein im eigenen Land mehr als genug. Denn nur eine Tontaubenschützin<br />

darf China bei der Olympiade 2008 in Peking<br />

vertreten. Zhang will für diese große Ehre alles geben. Wer im<br />

März 2008 nach internationalen Wettbewerbspunkten die Nr.<br />

1 im chinesischen Team ist, wird nominiert. Anfang Dezember<br />

2007 lag Zhang auf Rang 2.<br />

Ihre Mitstreiterinnen trainierten schon auf dem olympischen<br />

Schießstand in Peking. Doch die ruhige Zhang zieht Chengdu,<br />

unweit ihrer Heimat in der westlichen Provinz Sichuan, dem<br />

Hauptstadttrubel vor. Nur für Vertragsunterzeichnungen oder<br />

Weiterfl üge zu Auslandswettkämpfen kommt sie nach Peking.<br />

Ansonsten steht sie vormittags von 9 bis 12 Uhr auf dem heimatlichen<br />

Trainingsplatz. Nachmittags nimmt sie sich Zeit für<br />

Freunde und soziale Projekte. „Ich will von meinem Erfolg etwas<br />

zurückgeben“, sagt Zhang, „und außer <strong>Sport</strong> auch mal<br />

was anderes hören.“ Sie unterstützt einen Verein für Migrantenkinder,<br />

den Freunde gegründet haben. Zudem baut sie mit<br />

dem ehemaligen Spitzenturner und heutigen Unternehmer Li<br />

Ning eine Athletenstiftung auf. Diese soll <strong>Sport</strong>ler nach dem<br />

Ende der Karriere unterstützen.<br />

Auch Zhang hatte 1992 schon einmal das Gewehr an den<br />

Nagel gehängt. Gerne hätte die damalige Olympiasiegerin<br />

ihren Titel verteidigt. Aber nach dem Ausschluss der Frauen<br />

von Tontaubenschießen blieb Zhang dies verwährt. Mit einem<br />

Wirtschaftsstudium an ihrer Heimatuniversität wollte sich die<br />

Spitzenschützin ein neues Leben aufbauen. Damit erfüllte sie<br />

spät den Wunsch ihrer Eltern, doch etwas Soli<strong>des</strong> zu lernen.<br />

Denn das Lehrerehepaar war erst dagegen, als die <strong>Sport</strong>funktionäre<br />

ihre Tochter mit 8 Jahren zur Profi -Basketballerin und<br />

dann mit 16 zur Profi -Schützin machen wollten. Zhang hat sich<br />

zunächst selbst nicht viel dabei gedacht. „Ich fand es einfach<br />

lustig ein Gewehr in der Hand zu halten“, erinnert sich die<br />

kräftige Chinesin, „erst später ist es dann zu einem verlängerten<br />

Arm geworden.“ So gewann sie einen Titel nach dem<br />

anderen. Ihre Eltern samt großem Bruder kamen dann auch<br />

mal zum Zugucken. Schließlich waren sie es, die Zhang bestärkten,<br />

es nach dem Studienabschluss 1997 noch einmal mit<br />

dem Schießen zu versuchen. Denn für die Olympiade 2000 in<br />

Sydney richtete das Internationale Olympische Komitee einen<br />

eigenen Schießwettbewerb für Frauen ein. Zhang gewann auf<br />

Anhieb die Weltmeisterschaft 1998, erreichte bei Olympia aber<br />

nur Platz acht.<br />

Tief enttäuscht wollte Zhang ihre Karriere nun endgültig beenden.<br />

Ein australischer Schützenkollege schenkte ihr zum Trost<br />

ein Känguru und einen Koalabär aus Stoff. Damit traf Dexter<br />

Barnes Zhang Shan mitten ins Herz. Sie kannten sich schon<br />

seit 1993. Barens war zunächst als Profi schütze und später<br />

als Schiedsrichter bei vielen internationalen Wettkämpfen dabei.<br />

Zhang Shan war ihm schon früh aufgefallen. Aber erst in<br />

seiner Heimat Sydney ergriff der kräftige Australier mit den<br />

kurzen grauen Haaren dann die Initiative. „Am Anfang konnte<br />

Zhang kaum Englisch, ich kein Chinesisch“, lacht der 51-jährige,<br />

„aber wir hatten die Sprache der Liebe.“ Zhang Shans<br />

Blick wird zum ersten Mal weich. Sie tätschelt ihrem Mann<br />

die Hand. Seit vier Jahren sind sie nun verheiratet. Die meiste<br />

Zeit leben sie in Zhangs Heimat Sichuan. Barnes ist bei allen<br />

wichtigen Wettkämpfen an der Seite seiner Frau – wenn es<br />

sein muss auch als Gewehrträger. Kinder möchten sie gerne,<br />

verrät Zhang, aber erst nach der Olympiade 2008.<br />

Denn dort will Zhang noch einmal Gold holen. Aber sie ist<br />

nicht mehr so verbissen wie vor acht Jahren. Für die jungen<br />

Athletinnen im Team ist sie zwar eine knallharte Konkurrentin,<br />

aber auch eine umsorgende Ratgeberin. Die Nachwuchsschützinnen<br />

sind viel unabhängiger und willenstärker als sie damals,<br />

meint Zhang. Die jungen <strong>Sport</strong>lerinnen haben im Moment nur<br />

den Olympiasieg im Kopf und nichts anderes. Zhang Shans<br />

Träume sind einfacher, wenn auch nicht weniger schwierig<br />

zu erfüllen. „Ich wünsche mir, dass es allen meinen Lieben<br />

gut geht“, sagt Zhang und fi xiert ihre Hände, „und ich selbst<br />

möchte mit meinem Gewehr im Arm alt werden.“<br />

Kristin Kupfer<br />

Bildquelle: „four inch Remington clay pigeon“, Autor: Jeff Weiss, 2007<br />

(http://commons.wikimedia.org)<br />

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