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SPORT DES SÜDENS<br />
03/5_Fernziel Paralympics_<br />
Rollstuhl-Rugby in Argentinien<br />
Eine Mischung aus Rugby, Autoscooter und Schach<br />
Körper und Beine sind am Stuhl festgezurrt. Die Handschuhe<br />
werden noch mit Klebeband getaped. Beim Griff in die Reifen<br />
sollen sie nicht abrutschen oder die Hände verletzt werden.<br />
Die Rollstuhl-Rugbyspieler bereiten sich auf ihren Einsatz vor.<br />
Sechzehn Aktive gibt es in Argentinien. Heute ist Spieltag, acht<br />
sind gekommen. „Das reicht für zwei Mannschaften,“ sagt<br />
Juan. Namen haben die Teams keine, „dafür müssen wir untereinander<br />
zu oft wechseln.“<br />
Juan, Rodrigo, Daniela und Matthias drehen ihre ersten Aufwärmrunden.<br />
„Rugby-Amistad“ steht auf den Trikots – Rugby-<br />
Freundschaft. „Nenn uns Quad-Rugby Argentina“, meint Juan.<br />
Alle Spieler kommen aus der Hauptstadt Buenos Aires, denn<br />
nur hier wird Quad-Rugby gespielt. „Leider“ bedauert Juan,<br />
„aber so sind wir identisch mit einer Nationalmannschaft.“ Von<br />
einem Turnier mit Mannschaften aus anderen Lan<strong>des</strong>teilen<br />
oder gar einer organisierten Liga sind sie am Río de la Plata<br />
noch weit entfernt.<br />
Die Bezeichnung Quad-Rugby kommt aus den USA. Quad ist<br />
abgeleitet von Quadriplegiker. In Deutschland ist mehr der<br />
Name Tetraplegiker geläufi g – für Menschen, die an min<strong>des</strong>tens<br />
drei Gliedmaßen eingeschränkt sind. Gezieltes Werfen<br />
und Fangen wie beim Rollstuhl-Basketballer sind für Quadriplegiker<br />
nicht oder nur bedingt möglich. Für sie wurde das<br />
Rollstuhl-Rugby entwickelt. Kenner <strong>des</strong> <strong>Sport</strong>s bezeichnen es<br />
als eine Mischung aus Rugby, Autoscooter und Schach.<br />
Rollstuhl-Rugby wurde in den 70er Jahren in Kanada entwickelt.<br />
In <strong>Nord</strong>amerika gibt es über 45 Mannschaften. Mittlerweile<br />
wird es in zweiundzwanzig Ländern gespielt. Bei den<br />
Paralympischen Spielen 1996 in Atlanta war es noch Demonstrationssport,<br />
seit Sydney 2000 ist es offi zielle Disziplin. Die<br />
Stars <strong>des</strong> Rollstuhl-Rugby kommen aus Kanada, den USA,<br />
Neuseeland, Australien und England. Seit Anfang der 90er<br />
Jahre wird auch Rollstuhl-Rugby in Deutschland gespielt. 2007<br />
wurden die Berlin Raptors Deutscher Meister.<br />
Bildquelle: Rollstuhl-Rugby – European Championships im Juni 2007 in Espoo, Finnland,<br />
Autor: Markku Linkosalo, international wheelchair rugby federation (www.iwrf.com)<br />
Daniela wurde über Mundpropaganda darauf aufmerksam. Sie<br />
ist die einzige aktive Frau in Argentinien. Vor drei Jahren hatte<br />
die 23-jährige einen Schwimmunfall. „Ich hatte schon ein paar<br />
Mal mitgespielt, musste mich dann aber auf die Uni konzentrieren.“<br />
Weltweit gibt es gemischte Teams, aber viele Frauen<br />
sind nicht dabei. Daniela weiß von einer Kanadierin. Und vor<br />
kurzem war eine Frau hier, hat sich informiert und zugeschaut.<br />
„Ich hoffe, sie kommt wieder“, lächelt sie optimistisch.<br />
Anpfi ff zum ersten Viertel. Juan rollt in Stellung. Das Abspiel<br />
klappt nicht. „Da muss der Ball hin“, ruft der Trainer und deutet<br />
auf einen Punkt. Schon rollt der Gegenstoß. Vor dem Tor<br />
kracht Aluminium auf Aluminium, ein gutes Abspiel, den Verteidiger<br />
umrundet. 1:0 leuchtet es auf der Anzeigetafel. Gespielt<br />
werden vier mal acht Minuten. Jede Mannschaft schickt<br />
vier Spieler auf den volleyballfeldgroßen Platz. Wer den Ball<br />
führt, muss ihn nach zehn Sekunden abspielen oder dribbeln.<br />
Körperkontakt ist verboten und wird bestraft. Dass die Rollstühle<br />
aufeinander stoßen, gehört dazu.<br />
Quad-Rugby kennen in Argentinien nur wenige. Juan ist Spieler<br />
und Organisator der ersten Stunde. Vor acht Jahren hatte er<br />
einen Unfall. Während seiner Rehabilitation hatte er Kontakt<br />
zu einer Klinik in der Schweiz. Von dort brachte jemand ein<br />
Video über Quad-Rugby mit. „Das hat mich sofort in Beschlag<br />
genommen“, sagt der 29-jährige Bankangestellte. 2005 kam<br />
Unterstützung aus den USA. Drei Insider veranstalteten in Buenos<br />
Aires eine fünftägige Schulung. Juan war dabei. Am Ende<br />
wurde die erste Partie gespielt. 2006 ist er dann zu einem<br />
Turnier nach Brasilien gefl ogen, mit zwei Mitspielern und dem<br />
Trainer. „Wir haben zugeschaut, gelernt, mit Trainer, Spielern<br />
und Technikern gesprochen.“<br />
Dumpfes Krachen hallt von den Wänden. Es ist ein satter Ton,<br />
wenn die Aluminiumstühle aufeinanderprallen. Daniela sichert<br />
das Tor. Sie blockt. Krach, wumm. Der Angreifer donnert ihr<br />
in die Seite. Rodrigo kommt ihr zu Hilfe, erwischt den Ball.<br />
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