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SPORT DES SÜDENS<br />
Freie Marktwirtschaft?<br />
Ganz so einfach ist es wohl nicht. Hatte nicht der Untergang<br />
<strong>des</strong> Kirch-Imperiums und der anschließende vorübergehende<br />
freie Fall der Preise für TV-Fußballrechte gezeigt, dass jahrelang<br />
politische Preise statt reale Marktpreise gezahlt wurden?<br />
450 Millionen Euro wurden den Sendern zu Kirch-Zeiten für die<br />
Bun<strong>des</strong>liga-Rechte abgeknöpft, in der Saison 2003/04 waren<br />
es immerhin noch 290 Millionen. Der Großteil dieser Gelder<br />
fl oss – so viel Sozialneid muss erlaubt sein – in die Taschen<br />
mittelmäßiger Ballartisten.<br />
Nun ist Kirch zurück und garantiert der Liga für sechs Jahre<br />
einen Durchschnittserlös von 500 Millionen Euro pro Saison.<br />
Jetzt rätselt die Branche, wie diese Summen wieder eingespielt<br />
werden sollen. Der ritualisierte Poker um die Fußballübertragungsrechte<br />
im Fernsehen belegt: Im Zeichen einer zunehmenden<br />
Kommerzialisierung und Mediatisierung <strong>des</strong> Leistungssports<br />
wird die jeweilige Interessenlage der Beteiligten immer<br />
wieder neu austariert. Die Goldgräberstimmung in der Branche<br />
scheint nur abgeebbt, ist aber noch nicht verschwunden.<br />
Gescheiterter Vorstoß<br />
Natürlich ist die Lage beim Fußball nicht repräsentativ. Nur<br />
wenige <strong>Sport</strong>arten sind dabei, wenn es an die Verteilung der<br />
TV-Gelder geht. Und gerade mal fünf Prozent der Spitzensportler,<br />
so eine Expertenschätzung, verdienen überhaupt am <strong>Sport</strong>.<br />
Die übrigen müssen subventioniert werden, um international<br />
konkurrenzfähig zu bleiben. Wer die Macht <strong>des</strong> Fernsehens<br />
bezweifelt, verschließt die Augen vor den Realitäten. „Es gibt<br />
<strong>Sport</strong>arten, die nur alle vier Jahre bei Olympischen Spielen<br />
übertragen werden und ansonsten ein Schattendasein führen“,<br />
sagt Manfred von Richthofen, bis zur Fusion <strong>des</strong> Deutschen<br />
<strong>Sport</strong>bun<strong>des</strong> (DSB) und <strong>des</strong> Nationalen Olympischen Komitees<br />
zum Deutschen Olympischen <strong>Sport</strong>bund DSB-Präsident.<br />
Er setzte sich lange für einen eigenen öffentlich-rechtlichen<br />
<strong>Sport</strong>kanal ein.<br />
Ein solches Programm, so die Überlegung, könne der nationale<br />
Spitzensportverband gemeinsam mit ARD und ZDF über<br />
Satellit einigermaßen kostengünstig verbreiten. Unterstützung<br />
bekam der DSB-Chef seinerzeit vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten<br />
Kurt Beck. „Auch die <strong>Sport</strong>arten, wo nicht<br />
sofort Millionenschecks gezogen werden, haben ein Recht,<br />
im Fernsehen mehr vorzukommen als dies bisher der Fall ist“,<br />
argumentierte Beck. Und gab ein Beispiel: Bei einer Deutschen<br />
Tischtennis-Meisterschaft werde gelegentlich ein ganzes<br />
Wochenende mit hohem technischen Aufwand aufgezeichnet<br />
und später nur eine fünfminütige Zusammenfassung ausgestrahlt.<br />
Mit dem restlichen Material ließe sich ein <strong>Sport</strong>kanal<br />
doch ohne zusätzliche Kosten füllen.<br />
Eine Milchmädchenrechnung, fi ndet der Münchner <strong>Sport</strong>wissenschaftler<br />
Josef Hackforth. Selbst wenn alle Mitglieder einer<br />
solchen „Randsportart“ sich vor dem Bildschirm versammelten,<br />
würde die Quote doch eher mager ausfallen. Da strahlen<br />
die quotenfi xierten TV-Sender doch lieber die xte Reprise eines<br />
mittelmäßigen Actionfi lms aus. Um überhaupt im Fernsehen<br />
vorzukommen, sind die Verbände einiger nicht massenattraktiver<br />
<strong>Sport</strong>arten dazu übergegangen, sich an den TV-Produktionskosten<br />
zu beteiligen.<br />
Kritik unerwünscht<br />
Wo schon die Grenze zwischen <strong>Sport</strong> und Kommerz immer<br />
poröser wird, hat eine weitere Tugend im <strong>Sport</strong>journalismus<br />
kaum noch eine Chance: die gründliche, recherchierende<br />
Hintergrundberichterstattung. Ein Schwerpunkt über Doping<br />
in der „<strong>Sport</strong>schau“? Kaum vorstellbar. Depressionen von<br />
Spitzensportlern als Folge von überzogenem Leistungsdruck?<br />
Ein solches Thema würde doch zu sehr auf die Gute-Laune-<br />
Atmosphäre im „Aktuellen <strong>Sport</strong>studio“ drücken. Der ZDF-<br />
„<strong>Sport</strong>spiegel“ ist nur noch Nostalgikern in Erinnerung, auch<br />
das SWR-Format „<strong>Sport</strong> unter der Lupe“ ist mittlerweile Geschichte.<br />
Einzige Überlebende im Genre <strong>des</strong> fundierten hintergründigen<br />
Features sind das halbstündige sonntägliche „Nachspiel“ <strong>des</strong><br />
Deutschlandradio Kultur und das erst im vergangenen Sommer<br />
gestartete WDR-TV-Format „<strong>Sport</strong> inside“. Ansonsten huldigt<br />
fast das gesamte Personal aufgeregter <strong>Sport</strong>reporter einem<br />
besinnungslosen Live-Fetischismus. In dieser Situation fi nden<br />
mahnende Stimmen, die den <strong>Sport</strong> auf ursprüngliche Ideale<br />
wie das Fairplay zurückführen wollen, kaum Gehör. Werner<br />
Franke, Molekularbiologe und wohl Deutschlands bekanntester<br />
Doping-Jäger, fordert in seinem kürzlich erschienenen Buch<br />
„Der verratene <strong>Sport</strong>“ die Medien zur konsequenten Ächtung<br />
dopingverseuchter Disziplinen wie dem Radsport auf. Da Dopingsport<br />
„Zirkussport“ sei, sollten sich die Fernsehsender<br />
verpfl ichten, „keine Live-Bilder von <strong>Sport</strong>veranstaltungen mit<br />
Dopingbelastung zu zeigen“. Die kommende Tour de France,<br />
erst recht die Olympischen Spiele in Peking, werden zeigen, ob<br />
Frankes Warnungen gefruchtet haben.<br />
Günter Herkel<br />
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