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Sport des Südens - Nord-Süd-Netz

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VON INDIGENEN UND OLYMPISCHEN SPIELEN<br />

38<br />

SPORT DES SÜDENS – FUSSBALL, OLYMPIA UND MEHR: SPORT ALS SPIEGEL DER NEOLIBERALEN WELTORDNUNG UND CHANCE ZU IHRER ÜBERWINDUNG<br />

03/3_Opfer von Olympia_<br />

Vertreibungen in China<br />

In China wurden Hunderttausende<br />

zwangsumgesiedelt<br />

Unweit <strong>des</strong> U-Bahnhofs Xizhimen im <strong>Nord</strong>westen Beijings<br />

steht Qiao Lijie sprachlos vor einer Baugrube. Im Sommer<br />

2007 stand hier noch das Haus ihrer Familie, ein 400 Quadratmeter<br />

großer Wohnkomplex im traditionellen Beijinger<br />

Hofhausstil. Davon sind nur Schutt und Holzstückchen übrig<br />

geblieben. „Dass man uns mit Gewalt verjagt“, sagt die 38-jährige<br />

in schwarzer Stoffhose und türkisfarbenem Pulli, „das habe<br />

ich bis zum Schluss nicht geglaubt.“ Ende 2005 hatte die Regierung<br />

per Aushang mitgeteilt, dass Qiaos sowie rund 300<br />

weitere Haushalte in den leicht verfallenen grauen Häuschen<br />

Platz machen müssen. Auf der 500 Quadratmeter großen Fläche<br />

am neuen U-Bahnhof sollte eine moderne Wohn- und Geschäftsanlage<br />

entstehen.<br />

Die Schläger kommen<br />

„Das Bauprojekt hieß Städteverschönerung für Olympia“, lacht<br />

Qiao mit dem stufi gen Haarschnitt bitter auf. Als Entschädigung<br />

bot die staatlich beauftragte Baufi rma Zhouqiao ihrer Familie<br />

eine Miniwohnung in der neuen Anlage ab 2010 an. Die<br />

meisten Bewohner unterschrieben diesen Abfi ndungsvertrag<br />

– wenn nicht freiwillig, dann nach Drohungen, erzählt Qiao.<br />

Ihre Familie harrte aus. Auch nachdem die von der Baufi rma<br />

angeheuerte Schlägerbande erst das halbe Haus zertrümmerte<br />

und dann Skorpione über die Mauern warf. Schließlich rückten<br />

Anfang August 2007 morgens um zwei wieder Schläger<br />

an, prügelten den Freund, der das Haus bewachte, fast zu<br />

Tode und machten die Reste <strong>des</strong> Anwesens platt. „Und das<br />

passierte genau pünktlich zur Ein-Jahres-Countdownfeier der<br />

Olympiade“, sagt Qiao bitter.<br />

Für Olympia soll Peking glänzen. Das Antlitz einer selbst defi<br />

nierten modernen Urbanität will China der internationalen<br />

Öffentlichkeit im August 2008 zeigen. So müssen die Pekinger<br />

Platz machen für futuristische Wettkampfstätten, U-Bahn-<br />

Linien, breitere Straßen und moderne Hochhauskomplexe. Bis<br />

April 2007 sind 1,25 Millionen Leute umgesiedelt worden, so<br />

die niederländische Organisation „Centre on Housing Rights<br />

and Evictions“ (COHRE). Bis zum Beginn der Olympischen Spiele<br />

im August 2008 könnten es noch 250.000 mehr werden.<br />

Denn in der Volksrepublik gehört der Boden dem Staat. Und<br />

Spruchband in Pekings altem Gassenviertel Chongwenmen: „Je eher ihr<br />

unterschreibt, <strong>des</strong>to eher könnt ihr wieder in Frieden wohnen“.<br />

der kann ihn für notwendige Baumaßnahmen jederzeit einfordern.<br />

Die Behörden informieren die Bewohner oft nur kurzfristig<br />

oder gar nicht über Zeitpunkt und Zweck <strong>des</strong> Hausabrisses.<br />

Entschädigungen sind zwar gesetzlich vorgesehen, aber nicht<br />

genauer geregelt. Und oftmals stecken die beauftragten Baufi<br />

rmen diese lieber in die eigene Tasche – mit Rückendeckung<br />

der Regierung.<br />

Die chinesische Führung hält dagegen: Im Zuge von olympischen<br />

Baumaßnahmen seien von 2002 bis Mitte 2007 nur<br />

6037 Leute umgesiedelt worden. Alle hätten eine angemessene<br />

Entschädigung erhalten und keiner sei vertrieben worden.<br />

Für den Bau von Olympiawettkampfstätten musste eine<br />

Gesamtfl äche von 216.000 Quadratkilometern geräumt werden.<br />

Innerhalb von nur vier Monaten, August bis Dezember<br />

2002, hat die Regierung die dort ansässigen 2500 Haushalte<br />

reibungslos auf neue Wohnungen verteilt.<br />

Bauern zu Arbeitern<br />

Auch im Dorf Wangbiancun, welches dem Olympischen Park<br />

im nördlichen Peking weichen musste, gingen Abriss- und Umsiedlungsmaßnahmen<br />

innerhalb eines Monats über die Bühne,<br />

erzählt Na Heli. „Aus uns Bauern sind nun alle Arbeiter geworden“,<br />

erzählt der damalige Produktionsleiter <strong>des</strong> Dorfes, „wir<br />

sind alle bei der Verwaltungsfi rma <strong>des</strong> Olympiaparks beschäftigt“.<br />

Am Anfang habe es schon Missstimmung gegeben und<br />

einige alte Leute hätten auch geweint, so Na. Doch letztlich<br />

seien die Parteimitglieder mit gutem Beispiel vorangegangen<br />

und hätten alle überzeugt. „Das ist doch eine große Sache<br />

für unser Land“, sagt Na, „das müssen wir Einzelne unterstützen.“<br />

Zerfetzte Bekanntmachung über Umsiedlung<br />

in Chongwenmen

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