VON INDIGENEN UND OLYMPISCHEN SPIELEN 44 SPORT DES SÜDENS – FUSSBALL, OLYMPIA UND MEHR: SPORT ALS SPIEGEL DER NEOLIBERALEN WELTORDNUNG UND CHANCE ZU IHRER ÜBERWINDUNG Gezieltes Werfen und Fangen wie beim Rollstuhl-Basketballer sind für Quadriplegiker nicht oder nur bedingt möglich.
SPORT DES SÜDENS 03/5_Fernziel Paralympics_ Rollstuhl-Rugby in Argentinien Eine Mischung aus Rugby, Autoscooter und Schach Körper und Beine sind am Stuhl festgezurrt. Die Handschuhe werden noch mit Klebeband getaped. Beim Griff in die Reifen sollen sie nicht abrutschen oder die Hände verletzt werden. Die Rollstuhl-Rugbyspieler bereiten sich auf ihren Einsatz vor. Sechzehn Aktive gibt es in Argentinien. Heute ist Spieltag, acht sind gekommen. „Das reicht für zwei Mannschaften,“ sagt Juan. Namen haben die Teams keine, „dafür müssen wir untereinander zu oft wechseln.“ Juan, Rodrigo, Daniela und Matthias drehen ihre ersten Aufwärmrunden. „Rugby-Amistad“ steht auf den Trikots – Rugby- Freundschaft. „Nenn uns Quad-Rugby Argentina“, meint Juan. Alle Spieler kommen aus der Hauptstadt Buenos Aires, denn nur hier wird Quad-Rugby gespielt. „Leider“ bedauert Juan, „aber so sind wir identisch mit einer Nationalmannschaft.“ Von einem Turnier mit Mannschaften aus anderen Lan<strong>des</strong>teilen oder gar einer organisierten Liga sind sie am Río de la Plata noch weit entfernt. Die Bezeichnung Quad-Rugby kommt aus den USA. Quad ist abgeleitet von Quadriplegiker. In Deutschland ist mehr der Name Tetraplegiker geläufi g – für Menschen, die an min<strong>des</strong>tens drei Gliedmaßen eingeschränkt sind. Gezieltes Werfen und Fangen wie beim Rollstuhl-Basketballer sind für Quadriplegiker nicht oder nur bedingt möglich. Für sie wurde das Rollstuhl-Rugby entwickelt. Kenner <strong>des</strong> <strong>Sport</strong>s bezeichnen es als eine Mischung aus Rugby, Autoscooter und Schach. Rollstuhl-Rugby wurde in den 70er Jahren in Kanada entwickelt. In <strong>Nord</strong>amerika gibt es über 45 Mannschaften. Mittlerweile wird es in zweiundzwanzig Ländern gespielt. Bei den Paralympischen Spielen 1996 in Atlanta war es noch Demonstrationssport, seit Sydney 2000 ist es offi zielle Disziplin. Die Stars <strong>des</strong> Rollstuhl-Rugby kommen aus Kanada, den USA, Neuseeland, Australien und England. Seit Anfang der 90er Jahre wird auch Rollstuhl-Rugby in Deutschland gespielt. 2007 wurden die Berlin Raptors Deutscher Meister. Bildquelle: Rollstuhl-Rugby – European Championships im Juni 2007 in Espoo, Finnland, Autor: Markku Linkosalo, international wheelchair rugby federation (www.iwrf.com) Daniela wurde über Mundpropaganda darauf aufmerksam. Sie ist die einzige aktive Frau in Argentinien. Vor drei Jahren hatte die 23-jährige einen Schwimmunfall. „Ich hatte schon ein paar Mal mitgespielt, musste mich dann aber auf die Uni konzentrieren.“ Weltweit gibt es gemischte Teams, aber viele Frauen sind nicht dabei. Daniela weiß von einer Kanadierin. Und vor kurzem war eine Frau hier, hat sich informiert und zugeschaut. „Ich hoffe, sie kommt wieder“, lächelt sie optimistisch. Anpfi ff zum ersten Viertel. Juan rollt in Stellung. Das Abspiel klappt nicht. „Da muss der Ball hin“, ruft der Trainer und deutet auf einen Punkt. Schon rollt der Gegenstoß. Vor dem Tor kracht Aluminium auf Aluminium, ein gutes Abspiel, den Verteidiger umrundet. 1:0 leuchtet es auf der Anzeigetafel. Gespielt werden vier mal acht Minuten. Jede Mannschaft schickt vier Spieler auf den volleyballfeldgroßen Platz. Wer den Ball führt, muss ihn nach zehn Sekunden abspielen oder dribbeln. Körperkontakt ist verboten und wird bestraft. Dass die Rollstühle aufeinander stoßen, gehört dazu. Quad-Rugby kennen in Argentinien nur wenige. Juan ist Spieler und Organisator der ersten Stunde. Vor acht Jahren hatte er einen Unfall. Während seiner Rehabilitation hatte er Kontakt zu einer Klinik in der Schweiz. Von dort brachte jemand ein Video über Quad-Rugby mit. „Das hat mich sofort in Beschlag genommen“, sagt der 29-jährige Bankangestellte. 2005 kam Unterstützung aus den USA. Drei Insider veranstalteten in Buenos Aires eine fünftägige Schulung. Juan war dabei. Am Ende wurde die erste Partie gespielt. 2006 ist er dann zu einem Turnier nach Brasilien gefl ogen, mit zwei Mitspielern und dem Trainer. „Wir haben zugeschaut, gelernt, mit Trainer, Spielern und Technikern gesprochen.“ Dumpfes Krachen hallt von den Wänden. Es ist ein satter Ton, wenn die Aluminiumstühle aufeinanderprallen. Daniela sichert das Tor. Sie blockt. Krach, wumm. Der Angreifer donnert ihr in die Seite. Rodrigo kommt ihr zu Hilfe, erwischt den Ball. 45