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4 - Kulturnews

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12 musik // Indiefolk<br />

Fleet Foxes<br />

Nie mehr<br />

nostalgisch<br />

Robin Pecknold, Kopf der US-Folkband Fleet Foxes, sitzt<br />

in einem Londoner Hotel und versucht sich zu erholen.<br />

Vor allem vom Fluch der Coolness.<br />

kulturnews: Robin, euer zweites Album beginnt mit dem Song<br />

„Montezuma“. In dem singst du, du seist jetzt älter als deine<br />

Eltern, als sie deine Schwester bekamen, und fragst dich, welchen<br />

Weg du im Leben einschlagen solltest.<br />

Robin Pecknold: Wegen meines Vaters. Er spielte in den 60er- und<br />

70er-Jahren bei uns in Seattle in einer Soulband. Als meine<br />

Eltern Kinder bekamen, gab er das auf und suchte sich einen<br />

normalen Job. Er bedauert heute manchmal diese<br />

Entscheidung, aber ich sehe es genau anders herum. Ich<br />

denke, was er bekommen hat, nämlich meine Schwester Aja<br />

und mich sowie ein glückliches Familienleben, war viel mehr<br />

wert als das, was er geopfert hat.<br />

kulturnews: Würdest du dich ähnlich entscheiden?<br />

Pecknold: Das kann ich noch nicht einschätzen. Ich merke nur, dass<br />

ich ein extrem unsoziales Wesen werde, wenn ich an neuen Songs<br />

arbeite. Für eine Familie wäre so ein Verhalten nicht akzeptabel. Mein<br />

Kopf lebt total in den Songs. Ich kann kaum schlafen und so gut wie nie dieses<br />

Klopfen im Kopf vergessen, das mich darauf hinweist, wie die einzelnen<br />

Stücke vielleicht noch besser klängen, ich vielleicht noch besser singen<br />

könnte.<br />

kulturnews: Die neue Platte kommt drei Jahre nach eurem erfolgreichen<br />

Debüt. Ist „Helplessness Blues“ eine Art Diplomarbeit für euch?<br />

Pecknold: Ja, total! Die Lieder haben mein Leben übernommen, und das hat<br />

sich wiederum auf die Lieder ausgewirkt. „Montezuma“ handelt etwa davon,<br />

ab welchem Punkt Obsession, Ehrgeiz und Hunger zu ungesund werden, um<br />

noch glücklich sein zu können.<br />

kulturnews: Dein Vater wollte kein berühmter Musiker werden. Willst du?<br />

Pecknold: Niemals! Mit dieser Band ist doch sowieso schon alles viel größer<br />

geworden, als es irgendjemand von uns für möglich gehalten hätte. Der<br />

Erfolg bereitet mir manchmal Unbehagen.<br />

kulturnews: „Fleet Foxes“ erreichte in Großbritannien Platz drei der Charts.<br />

Wie erklärst du dir das?<br />

Pecknold: Keine Ahnung. Unser ganzes Verständnis vom Musikmachen ist ja<br />

eher dezent. Wir wollen den Leuten nichts eintrichtern, und es freut mich<br />

auch nicht, wenn jetzt Leute unsere Platten kaufen, weil sie denken, dass<br />

die Fleet Foxes gerade cool sind. Als wir nach der Highschool angefangen<br />

haben, wussten wir überhaupt nicht, was daraus wird oder was für eine<br />

Sorte Band wir überhaupt waren. Wir wollten lediglich die Musik spielen, die<br />

uns gefällt. Mehr war da nie.<br />

kulturnews: Habt ihr durch den kommerziellen Erfolg eure musikalische Unschuld<br />

verloren?<br />

Pecknold: Das wäre schlimm, oder? Als die erste Platte kam, meinten manche<br />

Menschen, wir wären nostalgische Hippies, und dann fragt man sich halt<br />

kulturnews 5/11<br />

Unerklärlich erfolgreich: (h. v. l.) Casey Wescott, Morgan Henderson, Skyler Skjelset,<br />

(v.) Christian Wargo, Robin Pecknold und Josh Tillman<br />

selbst, ob sie recht haben. Das führt dazu, dass man eine Meinung von sich<br />

bekommt, die auf den Meinungen von Außenstehenden beruht. Ich fürchte,<br />

dass ist nicht gut für uns. Bei der Arbeit an „Helplessness Blues“ gab es<br />

durchaus Phasen, in denen wir dachten: Verdammt, wir müssen was<br />

Abgefahrenes machen! Nach zwei Tagen schämst du dich über diesen<br />

Ansatz und machst wieder das, was dir liegt.<br />

kulturnews: Ihr spielt klassischen Folk. Diese Musik, wie sie ähnlich auch<br />

von Arcade Fire oder Mumford & Sons gespielt wird, ist gerade sehr beliebt.<br />

Warum?<br />

Pecknold: Für jüngere Leute sind wir ein willkommenes Gegenstück zu dem<br />

ganzen Pop, der die Singlecharts dominiert und viele anödet. Und ältere Menschen,<br />

sagen wir mal 50-Jährige, hören etwas bei uns, das sie an die Musik<br />

erinnert, die sie in ihrer eigenen Jugend mochten.<br />

kulturnews: Du bist 24, hörst dich beim Singen aber älter an. Was ist dein<br />

gefühltes Alter?<br />

Pecknold: Schwierig. Ich fühle mich eigentlich nicht älter als 24, aber auch<br />

nicht mehr wie ein Jugendlicher. Zum Glück bin ich keiner dieser Nostalgiker<br />

geworden, die mit Mitte 20 schon der Jugend hinterherjammern. Ich klammere<br />

mich nicht an die Vergangenheit.<br />

Interview: Steffen Rüth<br />

Helplessness Blues ist Ende April erschienen.<br />

Foto: Autumn de Wilde

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