4 - Kulturnews
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14 musik // Blues<br />
Hugh Laurie<br />
Mal kurz außer House<br />
Die ganze Welt kennt ihn als TV-Arzt, als Musiker wird sie ihn<br />
jetzt kennen lernen. Hugh Laurie (51) über Bach, Punk, Geld und<br />
Deutsche Bank.<br />
kulturnews: Mr. Laurie, Sie sind gestern Abend in einem ehrwürdigen Club<br />
im French Quarter von New Orleans aufgetreten, also mitten in der Wiege des<br />
Blues’. Sie wurden unterstützt von Legenden wie Allen Toussaint, Irma Thomas<br />
und Tom Jones. Trotzdem wirkten Sie überhaupt nicht nervös.<br />
Hugh Laurie: Dann habe ich Sie erfolgreich getäuscht, mein Lieber! Ich hatte<br />
wahnsinnigen Bammel. Seine Gefühle gut verstecken zu können ist eine Gabe,<br />
die man beim Schauspielen lernt.<br />
kulturnews: Sie sind 51 Jahre alt, lieben den Blues aber schon Ihr Leben lang.<br />
Braucht man eine gewisse Reife, um diese Musik glaubwürdig interpretieren<br />
zu können?<br />
Laurie: Das denke ich nicht. Ich persönlich indes habe lange gewartet. Weil<br />
ich immer davon ausging, noch nicht so weit zu sein, nicht gut genug spielen<br />
zu können.<br />
kulturnews: In mehreren Folgen von „House“ spielen Sie Klavier, manchmal auch<br />
Gitarre. War das bereits ein Hinweis auf Ihre zweite Karriere als Musiker?<br />
Laurie: Nein, nein. So weit haben wir seinerzeit nicht gedacht. Die Figur Gregory<br />
House basiert auf Sherlock Holmes, und Holmes spielt Violine. Ein Piano<br />
kann dazu auch ganz gut ausdrücken, was in seinem Gehirn so vor sich geht.<br />
Mathematische, wissenschaftliche Vorgänge spiegelt zum Beispiel die Musik<br />
von Bach sehr gut wider, der ja ein sehr logischer, präziser und eleganter<br />
Musiker war.<br />
kulturnews: Es fällt auf, dass die Songs auf „Let them talk“ nicht allzu bekannt<br />
sind. Haben Sie sich bewusst gegen die ganz großen Klassiker des Blues’<br />
entschieden?<br />
Laurie: Okay, „St. James Infirmary“ ist von ungefähr fünf Millionen Menschen<br />
aufgenommen worden, aber ich habe auch Lieder ausgewählt, bei denen ich<br />
das Gefühl hatte, es wäre ein Verbrechen, wenn die Leute sie nicht endlich<br />
kennen lernten.<br />
kulturnews: Wie genau haben Sie als Engländer den Blues eigentlich entdeckt?<br />
Laurie: Durch meinen älteren Bruder. Falls mich meine Erinnerung nicht trügt,<br />
handelte es sich bei meinem ersten bewusst wahrgenommen Bluesstück um<br />
„Boogie Baby“ von Willie Dixon. Das Einzige, das nicht im Nebel liegt, ist<br />
meine Reaktion auf diesen Song: Gänsehaut, Rührung, Faszination, Liebe. Und<br />
so sind meine Gefühle dem Blues gegenüber bis heute geblieben. Ich reagiere<br />
regelrecht körperlich auf diesen Sound.<br />
kulturnews: Vom Alter her hätten Sie eigentlich Punk hören müssen …<br />
Laurie: Punk hat mich nie in einer vergleichbaren Weise gepackt. Ich stand<br />
nicht auf die Musik, die alle meine Schulfreunde hörten, es hat mich einfach<br />
nicht richtig erreicht. Mit Ausnahme der Stones. Wobei die Stones ja auch<br />
im Blues tätig sind, sie haben sogar mit Leuten wie Muddy Waters gespielt.<br />
kulturnews: Sie sagten mal, Sie fühlen sich wie ein lebenslänglicher Jugendlicher.<br />
Ist Ihr Beruf eine Flucht vorm Erwachsensein?<br />
Laurie: Jedenfalls stand für mich nie zur Debatte, bei der Deutschen Bank<br />
kulturnews 5/11<br />
anzufangen. Und nun schauen Sie sich um: Es gibt keine Sicherheit mehr für<br />
Menschen, die bei der Deutschen Bank oder sonstwo arbeiten. Wenn Sie Pech<br />
haben, verspekuliert sich Ihr Laden, und Sie stehen über Nacht auf der Straße.<br />
kulturnews: Sie sollen 400 000 US-Dollar pro „House“-Episode bekommen.<br />
Ist es nicht ironisch, dass ausgerechnet Sie, der nie nach Stabilität suchte,<br />
seit vielen Jahren einer der bestbezahlten und beliebtesten Seriendarsteller<br />
der Welt sind?<br />
Laurie: Ja, kann man wohl so sagen. Es ist seltsam für mich: Als Schauspieler<br />
habe ich es immer geliebt, nach einer gewissen Zeit wieder in eine<br />
neue Rolle zu schlüpfen, und jetzt spiele ich seit sieben Jahren ein- und dieselbe<br />
Rolle. In der Zeit, in der ich nun vorgebe, ein Arzt zu sein, hätte ich<br />
auch ein richtiger Arzt werden können …<br />
kulturnews: Sind Sie ein sehr disziplinierter Künstler?<br />
Laurie: Nein, absolut nicht. Ich bin faul. Natürlich versuche ich, pünktlich zur<br />
Arbeit zu erscheinen und meine Arbeit gut zu machen.<br />
kulturnews: Sie wirken wie ein sehr bodenständiger Kerl.<br />
Laurie: Ja, und es tut mir auch sehr leid, dass ich Ihnen keine Charlie-Sheen-<br />
Dramen bieten kann.<br />
Interview: Steffen Rüth<br />
Let them talk wird am 17. Mai veröffentlicht.<br />
Foto: WMG