Ausgabe 1203.pdf - Theater-Zytig
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Crossover | 1203 Vorhang auf 05<br />
WORTE GOTTES<br />
ZUM INHALT: Die «erdig trübe, barfüssige<br />
Schattengestalt» Juana la Reina besitzt<br />
nicht viel. Ihr einziges Kapital ist ihr Sohn<br />
Laureano, ein wasserköpfiger Zwerg, den<br />
sie auf Jahrmärkten zur Schau stellt. Die<br />
Kreatur, die sabbernd und fauchend in<br />
einem Schweinetrog auf Rädern sitzt, ist<br />
eine kleine Goldgrube, die den Neugierigen<br />
und Barmherzigen immer wieder<br />
Almosen aus der Tasche lockt. Als Juana<br />
stirbt, entbrennt ein Streit um das lukrative<br />
Erbteil. Die beiden Schwägerinnen<br />
Marica und Mari-Gaila, denen «el idiota»<br />
nun zufällt, einigen sich schliesslich darauf,<br />
abwechselnd mit ihm über Land zu ziehen.<br />
Doch während die eine nur schlecht verdient,<br />
geht die andere ganz und gar in der<br />
Vermarktung des Elends auf – und nutzt<br />
obendrein die Möglichkeit, aus dem Bett<br />
ihres Mannes Pedro in die Arme des Gauners<br />
Lucero zu flüchten …<br />
ZUM AUTOR: Geboren im Jahr 1866,<br />
gestorben 1936, zählt der Autor Ramón<br />
María del Valle-Inclán in seiner Heimat<br />
Spanien zu den bedeutendsten Wegbereitern<br />
der literarischen Moderne. Was er in<br />
seinen Stücken zu Papier bringt, sind pralle,<br />
barocke Geschichten: archaische Dorfwelten<br />
zwischen katholischer Litanei und<br />
heidnischem Aberglaube, bevölkert von<br />
grellen, schwermütigen und zwielichtigen<br />
Gestalten, aber auch von sprechenden<br />
Hunden, gefiederten Propheten und haarigen<br />
Bocksgeistern. Im deutschsprachigen<br />
Raum sind Valle-Incláns <strong>Theater</strong>texte bisher<br />
weitgehend unbekannt geblieben: Das<br />
1920 entstandene Stück ist in der vorliegenden<br />
Übersetzung in Luzern erstmals an<br />
einem Schweizer Stadttheater zu erleben.<br />
ZU DEN AUFFÜHRUNGEN: 2.3. (Premiere)<br />
| 4.3. | 9.3. | 16.3. | 21.3. | 22.3. | 25.3. ¯<br />
30.3. | 5.4. | 15.4. | 22.4. | 29.4.<br />
Tickets und weitere Infos sind erhältlich<br />
unter www.luzernertheater.ch<br />
Das <strong>Theater</strong> Luzern kennt bereits eine<br />
längere Tradition, mit jungen und theaterbegeisterten<br />
Menschen der Region<br />
gemeinsame Projekte einzustudieren.<br />
Für die neuste Produktion ist man aber<br />
noch einen Schritt weiter gegangen. Man<br />
suchte bewusst Amateurtheaterschaffende<br />
jeden Alters, um ein Volksstück<br />
des spanischen Autors Ramón María del<br />
Valle-Inclán erstmals an einem Schweizer<br />
Stadttheater auf die Bühne zu bringen.<br />
Das <strong>Theater</strong>stück «Worte Gottes» stammt<br />
aus dem Jahr 1920 und wurzelt tief in<br />
der Volkstheater-Tradition der iberischen<br />
Halbinsel. Für den langen Reigen schillernder<br />
Figuren, den Valle-Inclán in sein<br />
Stück integriert, sucht das Luzerner<br />
<strong>Theater</strong> tatkräftige Unterstützung: Das<br />
Stück kommt mit dem gesamten Schauspielensemble<br />
und in Zusammenarbeit<br />
mit Interessierten aus der Stadt und<br />
der Innerschweiz auf die Bühne. Diese<br />
wurden letzten Herbst per Ausschreiben<br />
gesucht und es haben sich auch einige<br />
Leute aus Gruppen, die dem ZSV angeschlossen<br />
sind, gemeldet. Am 2. März ist<br />
Premiere und man darf gespannt sein, wie<br />
das gemischte Ensemble das Stück über<br />
die Rampe bringt. Für die meisten der<br />
beteiligten Amateure dürfte es sich um<br />
eine ganz besondere und vielleicht einmalige<br />
Erfahrung handeln, einmal zusammen<br />
mit Profis auf der grossen Bühne eines<br />
Stadttheaters zu stehen. Und dies nicht<br />
nur als Statisten im Hintergrund, sondern<br />
quasi als feste Ensemblemitglieder.<br />
Wir haben dem Schauspielleiter des <strong>Theater</strong>s<br />
Luzern Andreas Herrmann einige<br />
Fragen gestellt. Er zeichnet für die Inszenierung<br />
verantwortlich und war somit der<br />
eigentliche Initiant dieses Projekts:<br />
<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong>: Die Stücke Valle-Incláns<br />
gelten für die Berufsbühnen schon nur<br />
durch ihre grosse Besetzung als schwierig<br />
zu inszenieren. Ist Ihr Konzept, nebst<br />
dem Ensemble des Stadttheaters noch<br />
Amateurtheater-Schaffende aus der Innerschweiz<br />
einzusetzen, folglich mehr eine<br />
der Not der Budgetkürzungen gehorchende<br />
Sparmassnahme?<br />
Andreas Herrmann: Im Gegenteil: Es gibt<br />
ja hunderte und tausende Stücke, die ganz<br />
genau auf unser Stadttheater-Ensemble<br />
passen würden. Die «Worte Gottes» von<br />
Valle-Inclán haben wir in den Spielplan<br />
aufgenommen, weil das Stück – obwohl es<br />
in Spanien spielt – sehr viel mit der Innerschweiz<br />
zu tun hat. Der Autor schöpft aus<br />
der Volkstheater-Tradition der iberischen<br />
Halbinsel, die – in ihrem Spielwitz und<br />
ihrer Mischung aus katholischer Litanei<br />
und heidnischer Volksfrömmigkeit – der<br />
Volkstheater-Tradition der Innerschweiz<br />
sehr nahe verwandt ist. Diese Volkstheatertradition<br />
ist ja – gerade hier in der Region<br />
– sehr vital und sehr viel älter als das<br />
Stadttheater-System. Und den Wunsch,<br />
diese beiden Traditionen für ein Projekt<br />
zusammenzuführen, gab es bei uns schon<br />
länger. Das Stück von Valle-Inclán schien<br />
uns das richtige Objekt für ein solches<br />
Unterfangen.<br />
ThZ: Wie zu vernehmen ist, werden die<br />
Spielerinnen und Spieler nicht einfach als<br />
stumme Statisten eingesetzt, sondern sind<br />
tragender Teil des Inszenierungskonzepts.<br />
Was versprechen Sie sich von dem Laienensemble<br />
in Bezug auf die Inszenierung?<br />
AH: Jede Spielerin und jeder Spieler hat<br />
eine Sprechrolle im Stück; diese Rollen<br />
sind grösser oder kleiner, denn natürlich<br />
haben auch nicht alle Spielerinnen und<br />
Spieler gleich viel Zeit für die Proben.<br />
Ohnehin ist es so, dass es in der «dörflichen<br />
Tragikomödie», die wir aufführen,