LUFTWAFFEN - Netteverlag
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vergleichbarer Vorgehensweise zur DDR-<br />
Zeitung „Volksarmee“ übernahm die PSK<br />
auch hier detailgenau die gestalterischen<br />
Elemente der Originalausgabe. Das Layout<br />
der Flugschrift „Zeri i Popullit“ erweckte<br />
folglich den Eindruck, dass es sich<br />
tatsächlich um eine „Sonderausgabe für<br />
die Genossen in der Deutschen Demokratischen<br />
Republik“ handelte, die von albanischen<br />
Kommunisten verfasst wurde.<br />
Zur Flugzeitung „Volksarmee“ besteht<br />
jedoch ein wesentlicher Unterschied.<br />
Während der Inhalt der imitierten DDR-<br />
Zeitung stets den tatsächlichen Verfasser<br />
enttarnte, verhielt es sich bei der Flugzeitung<br />
„Zeri i Popullit“ anders. Der Inhalt<br />
der „Stimme des Volkes“ weckte beim<br />
Leser in irreführender Absicht den Eindruck,<br />
dass es sich tatsächlich um eine<br />
Originalausgabe handelte!<br />
Dieses Flugblatt wurde von der PSK-<br />
Truppe zusammen mit drei Zigaretten in<br />
Folie eingeschweißt und richtete sich als<br />
Dank an die „Kameraden der 7. Grenzbrigade“<br />
in der DDR. Im Rahmen einer<br />
Bundeswehrübung hatten sich in der<br />
Nacht vom 29./30. November 1962 drei<br />
Soldaten vom Panzergrenadierbataillon<br />
22 bei starkem Nebel über die zum Teil<br />
noch offene innerdeutsche Grenze verirrt.<br />
Auf dem Territorium der DDR wurden<br />
die Bundeswehrsoldaten schließlich<br />
von Grenzsoldaten festgenommen und<br />
wenige Tage später wieder in die Bundesrepublik<br />
entlassen. Für dieses anständige<br />
Verhalten der NVA-Soldaten bedankten<br />
sich die PSK-Soldaten mit einem Flugblatt<br />
und mit Zigaretten!<br />
Auf der Titelseite der PSK-Flugschrift „Zeri<br />
i Popullit“ sind Auszüge einer Rede des<br />
Genossen Enver Hodscha abgedruckt, die<br />
er am 7. November 1961 zum 20. Jah-<br />
restag der Gründung der kommunistischen<br />
Partei Albaniens gehalten hatte.<br />
Hodscha kritisierte darin offen die politische<br />
Linie Chruschtschows. Er warf ihm<br />
vor, die Entscheidungen der KPdSU allen<br />
anderen kommunistischen Parteien<br />
aufdrängen zu wollen. Damit verstoße<br />
Chruschtschow nach Auffassung Hodschas<br />
gegen das Prinzip der Gleichheit<br />
und Unabhängigkeit der marxistischleninistischen<br />
Parteien und widerspreche<br />
dem proletarischen Internationalismus.<br />
In einem inhaltlichen Zusammenhang<br />
zur Rede Hodschas wurden die DDR-Bürger<br />
unter der Schlagzeile „Von Genossen<br />
zu Genossen“ gezielt angesprochen: „Wir<br />
albanischen Kommunisten wenden uns<br />
nicht in der Absicht an die Genossen der<br />
Deutschen Demokratischen Republik,<br />
uns in die inneren Verhältnisse der DDR<br />
und der SED unter der Führung des Genossen<br />
Walter U l b r i c h t einzumischen.<br />
Natürlich wäre es uns lieber, wenn sich<br />
die kampferprobte Partei der deutschen<br />
Arbeiterklasse in der notwendigen Auseinandersetzung<br />
nicht auf die Seite der<br />
opportunistischen Chruschtschow-Clique<br />
schlagen, sondern an der konsequenten<br />
Zurückweisung und Liquidierung aller<br />
Versuche teilnehmen würde, die Gleichberechtigung<br />
und Unabhängigkeit der<br />
marxistisch-leninistischen Parteien<br />
durch ein Regime der Befehlsausgabe<br />
durch die KPdSU zu ersetzen (...)“. Diese<br />
Worte stammten jedoch keineswegs aus<br />
der Feder eines albanischen Kommunisten,<br />
sondern wurden von Mitarbeitern<br />
der PSK geschrieben!<br />
Einige Exemplare der Flugschrift „Zeri i<br />
Popullit“ wurden vom Wind auf das Gebiet<br />
der Bundesrepublik getragen. Der<br />
bundesdeutschen Presse blieben die wahren<br />
Verfasser der „Stimme des Volkes“ je-<br />
GESCHICHTE<br />
doch verborgen. Die Lübecker Nachrichten<br />
druckten die Schlagzeile: „Albanien<br />
wiegelt den Ostblock auf – Flugblattaktion<br />
gegen Alleinherrschaft Chruschtschows“.<br />
Die BILD-Zeitung machte den<br />
Vorgang zur Titelstory: „Das tollste Ding<br />
des Monats – Albanische Flugblätter über<br />
Sowjetzone. Die Roten fordern: ‚Stürzt Nikita<br />
Chruschtschow!’“. Ein weiteres Zeugnis<br />
für das Gelingen der PSK-Aktion ist<br />
die Tatsache, dass die Flugschrift „Zeri i<br />
Popullit“ in dem Buch „Unser Jahrhundert<br />
im Bild“ aus dem Bertelsmann Verlag<br />
als Beleg für interne Zerwürfnisse in<br />
der kommunistischen Gemeinschaft angeführt<br />
wurde.<br />
Im Unterschied zur westdeutschen Presse<br />
empörte sich die Presseagentur der<br />
DDR. Der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst<br />
(ADN) teilte mit, dass „ein<br />
Militärflugzeug der BRD einen provokatorischen<br />
Überflug der Staatsgrenze der<br />
DDR“ vollzogen hatte. Sie artikulierte<br />
Protest und sprach eine Warnung im<br />
Auftrag des Ministeriums für Auswärtige<br />
Angelegenheiten der DDR aus, dass eine<br />
Wiederholung solcher Handlungen Folgen<br />
haben werde. Die Flugschrift „Zeri i<br />
Popullit“ wurde in der Ostpresse mit keinem<br />
Wort erwähnt.<br />
Ein dritter Flugzeugeinsatz zum Verbringen<br />
von Flugschriften der PSK wurde<br />
am 5. September 1962 durchgeführt.<br />
Bei diesem Einsatz mit dem Decknamen<br />
„Radareinsatz“ wurde ein Flugzeug vom<br />
Typ Cessna 320 verwendet. Für weitere<br />
PSK-Flugzeugeinsätze wurde erwogen,<br />
Abwurfschächte in die Maschinen einzubauen,<br />
um pro Anflug eine höhere<br />
Zahl an Flugschriften verbringen zu können.<br />
Jedoch wurden die PSK-Einsätze mit<br />
Sportflugzeugen schließlich eingestellt.<br />
Die entsprechenden Einsatzprotokolle<br />
und Konzeptpapiere können im Bundesarchiv-Militärarchiv<br />
in Freiburg im Breisgau<br />
unter der Signatur BArch-MA, BW /<br />
2 6864 eingesehen werden.<br />
Aussagen von geflüchteten<br />
NVA-Soldaten<br />
Eine wichtige Quelle über die Wirksamkeit<br />
von PSK-Flugschriften waren Aussagen<br />
von geflüchteten NVA-Soldaten.<br />
Der in den Westen geflüchtete DDR-Politoffizier<br />
Oberleutnant Busch berichtete<br />
am 17. Juli 1967 Folgendes: „Nach einer<br />
Flugblattaktion im vorigen Jahr machte<br />
der Politstellvertreter der Grenzkompanie<br />
Mendhausen nach einem ‚Aktuellen Gespräch’<br />
zu den Flugblättern die Umfrage:<br />
‚Gesetzt den Fall, Sie als Grenzposten<br />
(zu den Soldaten gewandt) haben einen<br />
schweren Grenzdurchbruch ‚DDR-West’<br />
durch Anwendung der Schußwaffe ver-<br />
4. Quartal 2009 17