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LUFTWAFFEN - Netteverlag

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uns als Zielschwerpunkt befohlenen<br />

Ölkraftwerkes werfen wir nur eine<br />

kurze Reihe von 8 Bomben, die genau<br />

im Ziel liegen. Wir wiederholen<br />

diesen Angriff noch dreimal, immer<br />

von demselben Ablaufpunkt aus. Der<br />

Bordschütze kann die Wirkung der<br />

Einschläge gut beobachten und macht<br />

mehrere Aufnahmen mit der Handkamera.<br />

Beim letzten Anflug liegt im hellen<br />

Feuerschein der Großbrände dichter<br />

schwarzer Rauch über dem Ziel und<br />

beeinträchtigt die Sicht. Die Flak feuert<br />

nach wie vor aus allen Rohren, und<br />

neben den Detonationen der schweren<br />

Granaten sind es die Leuchtspurketten<br />

der leichten und mittleren Kaliber,<br />

die nach uns greifen. Die Scheinwerfer<br />

suchen umher, mehrfach wischt einer<br />

über uns hinweg. Plötzlich hat uns einer<br />

gepackt und hält uns fest. Sofort<br />

kommen weitere hinzu, und nun haben<br />

uns drei, vier und dann fast ein<br />

Dutzend Scheinwerfer im Strahlenbündel.<br />

Gleißende Helle in der Kanzel!<br />

Den Zielanflug können wir nur noch<br />

mit herabgezogener Sonnenbrille, den<br />

’Froschaugen’, zu Ende führen. Doch<br />

jetzt haben sich die Batterien auf unser<br />

angestrahltes Flugzeug eingeschossen,<br />

wir werden von Druckwellen geschüttelt<br />

und hören das Krachen der Detonationen.<br />

Da zwei harte Schläge, wir<br />

sind getroffen. Der linke Motor verliert<br />

an Leistung und beginnt zu brennen.<br />

Eine lange Rauchfahne hängt hinter<br />

uns. Also den Motor sofort abstellen.<br />

Zündung aus, Brandhahn zu und die<br />

Luftschraube auf Segelstellung. Doch<br />

das gelingt nicht mehr, weil auch die<br />

Nabe offenbar getroffen ist. Die Maschine<br />

zieht stark nach links, ich versuche<br />

nachzutrimmen. Mittlerweile ist<br />

das Feuer erloschen. In diesem Augenblick<br />

ruft der Bordmechaniker: “Nachtjäger<br />

von hinten“, und schon zieht eine<br />

Geschossgarbe dicht über uns hinweg.<br />

Der Funker mit dem schweren MG und<br />

der Bordschütze mit dem Zwillings-MG<br />

hämmern dem Angreifer entgegen.<br />

Nur mit äußerster Kraftanstrengung<br />

gelingt es, den Nachtjäger, der noch einige<br />

Mal angreift, durch Ausweichmanöver<br />

abzuschütteln und das Flugzeug<br />

wieder auf Kurs zu bringen. Möglicherweise<br />

hat die Hintermannschaft den<br />

Nachtjäger getroffen, weil er plötzlich<br />

steil wegkurvt und von uns ablässt.<br />

Bei der wilden Kurbelei haben wir erheblich<br />

an Höhe verloren und fliegen<br />

kaum noch 2000 m hoch, immer noch<br />

über dem Zielraum. Einige Scheinwerfer<br />

haben uns weiter im Griff, aber die<br />

Flak wird schwächer. Die Russen halten<br />

uns wohl für erledigt. Vielleicht sind<br />

aber noch weitere Nachtjäger im Luftraum,<br />

die man nicht gefährden will.<br />

Für uns ist das kein Trost, denn wir haben<br />

jetzt große Probleme mit unserem<br />

Flugzeug, das nicht auf Höhe zu halten<br />

ist. Ich steigere den Ladedruck des<br />

rechten Motors auf 30-Min-Leistung,<br />

doch auch das reicht nicht aus. Trotz<br />

Trimmung bis zum Anschlag zieht die<br />

Maschine noch stark nach links. Die<br />

Bremswirkung der linken Luftschraube<br />

ist zu groß und mit Mühe halten wir<br />

das Flugzeug auf Kurs. Um das Fluggewicht<br />

zu senken, wird alles über Bord<br />

geworfen, was entbehrlich ist. Waffen,<br />

Munition, auch die Panzerplatten werden<br />

ausgebaut. Trotzdem müssen wir<br />

weiter Höhe aufgeben, um das Flugzeug<br />

nicht wegen zu geringer Fahrt abschmieren<br />

zu lassen. Der Fahrtmesser<br />

zeigt noch knapp 170 km/h an, das<br />

ist für die He 111 schon ein gefährlich<br />

überzogener Flugzustand.<br />

90 Minuten nach dem Angriff sind<br />

wir noch nicht wieder über den Don<br />

hinweg und haben noch 500 km bis<br />

zur Front vor uns. Bei einer Flughöhe<br />

von 200 m, auf die wir inzwischen gesunken<br />

sind, haben wir keine Chance<br />

mehr, das eigene Gebiet zu erreichen.<br />

Der Funker gibt laufend unseren Kurs,<br />

unsere Flughöhe und unsere Geschwindigkeit<br />

zusammen mit SOS und Peilzeichen<br />

an unsere Bodenfunkstelle durch.<br />

- Wie wir später erfahren, haben zahlreiche<br />

Peilstellen an der gesamten Ostfront<br />

unseren Notruf gehört und Peilmesswerte<br />

nach Stalino durchgegeben.<br />

Dadurch war unser Standort zu Hause<br />

bekannt. -<br />

Wir entschlossen uns zur Notlandung.<br />

Der Funker meldet sich bei der Funkstelle<br />

ab und gibt Dauerpeilzeichen.<br />

Jetzt Gas weg, Brandhahn zu, Landeklappen<br />

heraus und den Scheinwerfer<br />

an. Schon kommt der Boden näher,<br />

es ist ein Acker. Dichter Staub wirbelt<br />

durch den Innenraum. Die Kanzel ist<br />

zerschlagen, die Bodenwanne abgerissen.<br />

Glücklicherweise ist keiner verletzt.<br />

Unheimliche Stille rings umher.<br />

Da fängt der rechte Motor Feuer. Treibstoff<br />

oder Öl entzünden sich am glühenden<br />

Auspuff. Raus aus der Maschine<br />

und Erde auf das Feuer geworfen, es<br />

erlischt. Wir lauschen, nichts regt sich.<br />

Also wieder hinein in die Maschine, Instrumente<br />

zerstören, Funkunterlagen<br />

und Zielkarten vernichten, Bordbeutel,<br />

Feldflaschen, Handfeuerwaffen,<br />

Leuchtpistole und Leuchtmunition<br />

bergen. Die grünen und weißen Patronen<br />

finden wir noch, dazu einige ES<br />

GESCHICHTE<br />

6, das Erkennungssignal dieses Tages.<br />

Die roten Patronen sind mit der Halterung<br />

im Dreck vergraben und nicht zu<br />

finden. Inzwischen versucht der Funker,<br />

ein letztes Mal Verbindung mit der<br />

Funkstelle Stalino zu bekommen, doch<br />

das Gerät schweigt. Nun zerstören wir<br />

auch die Funkanlage. Die Sprengung<br />

des Flugzeuges unterlassen wir, um<br />

uns nicht durch den dadurch entstehenden<br />

Feuerschein zu verraten. Es ist<br />

anzunehmen, dass unser langer Anflug<br />

in geringer Höhe nicht unbemerkt<br />

geblieben war und die Suche nach uns<br />

bereits begonnen hat.<br />

Also schnellstens weg von der Maschine,<br />

bevor man uns hier erwischt. Nach<br />

dem Marschkompass laufen wir in<br />

Richtung 235°. Der Mond geht unter,<br />

es wird stockdunkel. Hohes Gras und<br />

Gestrüpp behindern unser Vorwärtskommen.<br />

Wir sind erschöpft. Nach<br />

einer Stunde beginnt es im Osten zu<br />

dämmern. Für eine kurze Verschnaufpause<br />

lassen wir uns in das Steppengras<br />

fallen, doch bald treiben uns die<br />

Unruhe und die Sorge wegen einer<br />

möglichen Entdeckung im offenen<br />

Gelände wieder weiter. Endlich finden<br />

wir einen einzelnen Strauch, der uns<br />

in seinem Schatten aufnimmt. Wir<br />

beschließen, den Tag in diesem Versteck<br />

zu verbringen. Die Sonne steigt<br />

höher und Scharen von Stechmücken<br />

bedrängen uns. Hoch über uns hinweg<br />

fliegt der morgendliche Fernaufklärer,<br />

eine Ju 88. Nervenanspannung und<br />

Mücken sorgen dafür, dass wir nicht<br />

in festen Schlaf fallen, obwohl wir jetzt<br />

rechtschaffen müde sind. Wir denken<br />

über unsere Lage nach. Unseren Standort<br />

kennt man zu Hause, davon gehen<br />

wir aus. Was wird die Kampfgruppe<br />

für uns unternehmen?<br />

Genau vor einer Woche haben wir<br />

anlässlich der Besichtigung unserer<br />

Einheit in Stalino durch den kommandierenden<br />

General des IV. Fliegerkorps,<br />

General der Flieger Pflugbeil, mögliche<br />

Maßnahmen zur Rettung von hinter<br />

den feindlichen Linien notgelandeten<br />

Besatzungen durchgespielt. Dabei<br />

wurde auch der Einsatz von Suchflugzeugen<br />

und unter besonders günstigen<br />

Umständen auch der Einsatz von Bergungsflugzeugen<br />

erwogen. Nun könnte<br />

an uns bewiesen werden, ob so etwas<br />

überhaupt möglich ist. Ob die Kampfgruppe<br />

daran denkt? Ob der kommandierende<br />

General sich an das Planspiel<br />

erinnert? Um es vorwegzunehmen: Er<br />

hat sich daran erinnert!<br />

Mehr noch, er gab nach Erhalt der Verlustmeldung<br />

und der Begleitumstände,<br />

4. Quartal 2009 23

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