LUFTWAFFEN - Netteverlag
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GESCHICHTE<br />
hindert. Die Grenzverletzer sind beide<br />
tot. Sie erhalten vom Chef der Grenztruppen<br />
die ‚Medaille für vorbildlichen<br />
Grenzdienst’, zusätzlich Sonderurlaub.<br />
Würden Sie die Medaille zu Hause tragen<br />
und ihren Verwandten sagen, warum Sie<br />
diese erhalten haben?’ Von 40 Mann<br />
gab es nur insgesamt zwei ‚Genossen’.<br />
Andere brachten Ausflüchte.<br />
Es war ihnen<br />
in starkem Maße peinlich.<br />
Dieser Test sagt<br />
mehr aus als hingeworfene<br />
Worte“. Zahlreiche,<br />
vergleichbare<br />
Aussagen geflüchteter<br />
Uniformträger aus der<br />
DDR wurden im Leitreferat<br />
PSK im BMVg<br />
quartalsweise zusammengefasst<br />
und weiteren<br />
Bedarfsträgern in<br />
der Bundeswehr zum<br />
dienstlichen Gebrauch<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Der geflüchtete NVA-<br />
Oberleutnant Busch<br />
unterbreitete der PSK<br />
aber auch konkrete<br />
Vorschläge zur Steigerung<br />
der Wirksamkeit<br />
ihrer Produkte: „Die<br />
erwähnte Flugschrift<br />
könnte in ihrem Inhalt<br />
noch wirksamer<br />
sein, enthielte sie noch<br />
mehr konkrete Begebenheiten<br />
aus den<br />
Grenzeinheiten und<br />
Grenzgebieten“. Ferner<br />
nannte er konkrete Ansatzpunkte<br />
für weitere<br />
Flugschriften, die bei<br />
NVA-Soldaten auf ein großes Interesse<br />
stoßen würden: „Das könnte auch mal<br />
in Flugschriften (...) erscheinen:<br />
- Wer soll das bezahlen<br />
(Grenzsicherungsanlagen)?<br />
- Wie lange sollen wir noch bewacht werden<br />
(Bauern der Grenzgemeinden auf<br />
den Feldern)?<br />
- Wer kriegt das Uran, das in Königstein<br />
abgebaut werden wird?“.<br />
Die Informationen geflüchteter NVA-<br />
Soldaten trugen maßgeblich dazu bei,<br />
dass die PSK die psychologische Lage in<br />
den ostdeutschen Streitkräften treffend<br />
beurteilen und in Teilen sicherlich auch<br />
erfolgreich beeinflussen konnte.<br />
In einem Schreiben vom 14. Juni 1967 an<br />
das Bundeskanzleramt führte der spätere<br />
Generalmajor Dr. Johannes Gerber und<br />
damalige Referatsleiter PSK im BMVg<br />
zum Thema „Wirkungskontrolle von<br />
18<br />
PSK-Flugschriften“ aus: „Die Zuschriften<br />
aus der SBZ und die Flüchtlingsaussagen<br />
zeigen folgendes Bild: 92,3% positiv und<br />
7,7% negativ. Die durch Fü S II ausgewerteten<br />
Flüchtlingsaussagen ergeben,<br />
daß etwa 90% aller Geflüchteten Kenntnis<br />
von den westlichen Flugblättern haben<br />
und sie nach Art und Durchführung,<br />
Form und Inhalt positiv beurteilen. Die<br />
Flugblätter sind die einzige Möglichkeit,<br />
um die NVA-Soldaten über Bundeswehr<br />
und Bundesregierung und deren Absichten<br />
aufzuklären und somit der permanenten<br />
Haßpropaganda im Politunterricht<br />
entgegenzuwirken“.<br />
Das Ende der Informationseinsätze<br />
Mit dem „Vertrag über die Grundlagen<br />
der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik<br />
Deutschland und der Deutschen<br />
Demokratischen Republik“ sollte das<br />
politisch angespannte Verhältnis zwischen<br />
den beiden deutschen Staaten normalisiert<br />
werden. Die Vorgespräche zu<br />
den Verhandlungen zum sogenannten<br />
Grundlagenvertrag wurden am 15. Juni<br />
1972 aufgenommen. Die Staatssekretäre<br />
Egon Bahr (Bundesrepublik Deutschland)<br />
und Michael Kohl (Deutsche Demokrati-<br />
sche Republik) führten die Vorgespräche<br />
und Verhandlungen im Auftrag ihrer<br />
Regierungen. Es war bereits im Vorfeld<br />
dieser Gespräche davon auszugehen,<br />
dass die DDR erneut das Einstellen der<br />
Balloneinsätze fordern würde. Bereits im<br />
Rahmen der Vorgespräche zu den eigentlichen<br />
Verhandlungen zum Grundlagenvertrag<br />
trafen die Staatssekretäre<br />
Bahr und Kohl<br />
die mündliche Vereinbarung,<br />
„dass mit Wirkung<br />
vom 1. Juli 1972 beide<br />
Seiten jegliche Propaganda-Aktivität<br />
in Schrift,<br />
Bild und Ton gegen die<br />
Streitkräfte des jeweils<br />
anderen Staates einstellen.<br />
Diese Abrede verliert<br />
ihre Verbindlichkeit, falls<br />
sie von einer Seite nicht<br />
eingehalten wird“.<br />
Am 29. Juni 1972 erfolgte<br />
zunächst der mündliche<br />
Befehl vom Generalinspekteur<br />
der Bundeswehr,<br />
Admiral Armin Zimmermann,<br />
die Balloneinsätze<br />
sowie den Versand<br />
von Informationsschriften<br />
in die DDR bis auf<br />
weiteres einzustellen.<br />
Die PSV-Truppe beendete<br />
am 30. Juni 1972 die Informationseinsätzeentlang<br />
der innerdeutschen<br />
Grenze „bis auf weiteres“.<br />
Die Fähigkeit zum<br />
Erstellen und Verbringen<br />
von Flugschriften wurde<br />
in der Bundeswehr aufrechterhalten.<br />
Der DDR-<br />
Führung war durchaus<br />
bekannt, dass die PSV-Truppe die Balloneinsätze<br />
jederzeit wieder aufnehmen<br />
konnte. Bundeswehrintern wurde das<br />
Abkommen nicht einhellig als Erfolg bewertet.<br />
Kritische Stimmen äußerten, dass<br />
die DDR einseitig begünstigt wurde. Über<br />
kommunistische Parteien, Organisationen,<br />
Presseorgane, Lehrer und sonstige<br />
Meinungsmacher könne die DDR weiterhin<br />
ihre Propaganda durchführen,<br />
wo hingegen die Bundesrepublik jegliche<br />
Möglichkeiten einer Einflussnahme verloren<br />
habe.<br />
Über den Autor:<br />
Oberstleutnant Dr. Dirk Drews<br />
ist eingesetzt in der Personalvertretung,<br />
im Örtlichen Personalrat (ÖPR) beim<br />
ZOpInfo und im Bezirkspersonalrat (BPR)<br />
beim SKUKdo.<br />
LuftwaffenRevue