Ernest Mandel Zur Verteidigung der sozialistischen ... - attac Marburg
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Locke und Smith, unterschiedlos über Bord geworfen wird. Denn es sind nicht<br />
nur konservative Akademiker o<strong>der</strong> Politiker, son<strong>der</strong>n immer mehr Sozialisten,<br />
vor allem auch zahlreiche linke Sozialdemokraten und Eurokommunisten, die<br />
jetzt in ihrem gesellschaftlichen Denken bürgerliche Axiome wie<strong>der</strong>entdecken<br />
und wie<strong>der</strong> aufnehmen, obwohl sie keinerlei wissenschaftlichen o<strong>der</strong> empirischen<br />
Gehalt haben: sie sind schlicht Gegenstand blinden Glaubens o<strong>der</strong> Aberglaubens.<br />
Der logische und weitverbreitete Schluß, <strong>der</strong> aus diesem Meinungsumschwung<br />
gezogen wird, ist <strong>der</strong> Unglaube auch nur an die Möglichkeit bewußter<br />
Planung und die Übernahme, wenn nicht gar Kultivierung, <strong>der</strong> Marktideologie,<br />
die sich direkt gegen die Sache des Sozialismus richtet. Bei den<br />
aktuellen Diskussionen geht es in Wirklichkeit nicht um die kurzfristige Frage,<br />
wie weit man in <strong>der</strong> Zeit unmittelbar nach einer antikapitalistischen Revolution<br />
gezwungen ist, auf Warenaustausch zurückzugreifen, son<strong>der</strong>n ob es sich<br />
überhaupt lohnt, für das langfristige Ziel des Sozialismus, die klassenlose<br />
Gesellschaft, die aufzubauen man vielleicht hun<strong>der</strong>t Jahre braucht, einzutreten,<br />
und warum dies Ziel verwirklicht werden soll. Das war es, worum es jener<br />
langen Reihe von Denkern ging, die von Babeuf und SaintSimon bis zu Engels<br />
und Rosa Luxemburg reicht und auch für uns heute die zentrale Frage bleibt,<br />
wenn wir Alec Noves „Ökonomie des machbaren Sozialismus“ lesen.<br />
Das bringt mich in eine Schwierigkeit, in die je<strong>der</strong> gerät, <strong>der</strong> versucht, auf Alec<br />
Nove und an<strong>der</strong>e Verfechter des „marktwirtschaftlichen Sozialismus“ einzugehen.<br />
Sie möchten die ernsthaften Funktionsmängel <strong>der</strong> Übergangswirtschaften<br />
in <strong>der</strong> Sowjetunion, Osteuropa und China analysieren und korrigieren, was an<br />
sich eine legitime und notwendige Aufgabe ist. Wir glauben nicht, daß diese<br />
Gesellschaften in irgendeiner Hinsicht sozialistisch sind. Noch glauben wir,<br />
daß <strong>der</strong> Sozialismus, wie Marx ihn definiert hat, in diesen Län<strong>der</strong>n kurz vor<br />
seiner Verwirklichung steht. In keinem dieser Län<strong>der</strong> ist die radikale Abschaffung<br />
<strong>der</strong> noch bestehenden Marktverhältnisse im Augenblick wünschenswert<br />
o<strong>der</strong> praktikabel. Aber die ganze Stoßrichtung von Noves Buch geht dahin zu<br />
argumentieren, daß „marxistischer Sozialismus“, wie er klassisch definiert<br />
wurde, nirgendwo auf <strong>der</strong> Tagesordnung steht und von Anfang an eine utopische<br />
Vorstellung war. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Noves Argumente beziehen sich<br />
nicht nur auf die Übergangsperiode mit ihren beson<strong>der</strong>en wirtschaftlichen Problemen,<br />
son<strong>der</strong>n auf den Charakter, die Natur des Sozialismus selbst. Beweise,<br />
die aus <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Sowjetunion abgeleitet werden, auf <strong>der</strong> die ganze<br />
historische Last <strong>der</strong> Rückständigkeit, Kriegszerstörung und bürokratischer<br />
Mißwirtschaft lag, werden angeführt, um den klassischen Argumenten gegen<br />
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