Ernest Mandel Zur Verteidigung der sozialistischen ... - attac Marburg
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wie zu den natürlichen Grundlagen ihres Lebensunterhalts (Land, Wasser, Luft)<br />
ermöglichen, erleichtern, aufrechterhalten, verteidigen. Diese wie<strong>der</strong>um hängen<br />
mit <strong>der</strong> Herausbildung bestimmter Gesellschaftsklassen zusammen, die<br />
beson<strong>der</strong>e Interessen verteidigen im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Gesellschaftsklassen,<br />
die an<strong>der</strong>e Interessen verteidigen. „Knappheit“ war in einem traditionellen<br />
Bantu-Dorf durchaus eine Realität. Dennoch führte sie Jahrtausende hindurch<br />
nicht zu „Eigentumsrechten“ an Land. Würden die Menschen in Schottland<br />
(o<strong>der</strong> Großbritannien, o<strong>der</strong> Europa o<strong>der</strong> in einem Sozialistischen Weltenbund)<br />
beschließen, potentiellen Investoren in hydroelektrische Energie keine Eigentumsrechte<br />
einzuräumen, dann könnte kein ökonomisches Gesetz auf geheimnisvolle<br />
Weise das Wasser, das sich im öffentlichen Besitz befindet, einfach<br />
infolge von Knappheit in Privatbesitz verwandeln. Sie müßten vielleicht die<br />
„Kosten tragen“ für teurere Energie (d.h. für einen größeren Einsatz von verfügbarem<br />
Material und menschlichen Ressourcen zur Erzeugung von Energie),<br />
weil sie es vorziehen, den Verbraucher im Überfluß mit sauberem, kostenlosen<br />
Wasser zu versorgen. Das aber wäre ihre Entscheidung und ihr Recht,<br />
als Verbraucher und als Bürger.<br />
Aus dem gleichen Grund ist es nicht weniger falsch, aus <strong>der</strong> Knappheit eine<br />
allgemeine „menschliche Gewinnsucht“ abzuleiten. Eher gibt es eine Neigung<br />
zur Gewinnsucht; diese hat ihren Grund jedoch nicht so sehr in <strong>der</strong> Knappheit<br />
an Gütern im allgemeinen, o<strong>der</strong> sogar in <strong>der</strong> Knappheit an bestimmten Gütern,<br />
son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> relativen Intensität bestimmter Bedürfnisse. Ein Rolls-Royce ist<br />
ein sehr schönes Auto. Es gehört auch zu den knappen Gütern. Viele Autofahrer<br />
(und gewiß auch die meisten Autoliebhaber) würden liebend gern einen<br />
Rolls Royce besitzen. Aber die überwiegende Mehrheit <strong>der</strong> Bevölkerung schlägt<br />
sich nicht darum, einen .Rolls Royce zu ergattern. Es zahlt sich nicht aus,<br />
jeden Pfennig zu sparen, um um jedem Preis einen „knappen Rolls“ zu bekommen.<br />
Die Bevölkerung verspürt keinen mächtigen „Trieb“, um in den Besitz<br />
dieses Wagens zu gelangen. Sie ist nicht neurotisch frustriert, wenn sie weiß,<br />
daß sie niemals einen bekommen wird. So kann also <strong>der</strong> „Besitztrieb“, die<br />
„Gewinnsucht“ absterben, lange ehe die „Knappheit überhaupt“ verschwunden<br />
ist —genauso wie er bei den Menschen in Schottland hinsichtlich des<br />
Wassers abgestorben ist. Es genügt, daß die stärksten Bedürfnisse befriedigt<br />
werden, o<strong>der</strong> daß <strong>der</strong> Hunger <strong>der</strong> Verbraucher auf diesem Gebiet<br />
gesättigt wird. Das ist die grundlegende Annahme, auf <strong>der</strong> Marx seine Vision<br />
vom Sozialismus aufgebaut hat. Sie ist absolut realistisch und vorstellbar.<br />
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