Ernest Mandel Zur Verteidigung der sozialistischen ... - attac Marburg
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dingungen ist es umso bemerkenswerter, daß die Abschaffung von Geld- und<br />
Marktbeziehungen allein schon zu vielen sozio-ökonomischen Ergebnissen im<br />
Kibbuz geführt hat, die Marx und Engels vorausgesagt haben. Trotz des völligen<br />
Verschwindens finanzieller Belohnung und Bestrafung produzieren die<br />
Menschen im Kibbuz normal, und in Wirklichkeit leisten sie im Durchschnitt<br />
mehr als die umliegende Marktwirtschaft. Es gibt keine neue „nicht-monetäre“<br />
Form <strong>der</strong> ökonomischen Ungleichheit, Privilegien, Ausbeutung o<strong>der</strong> Unterdrückung.<br />
Gewalt und Verbrechen sind fast völlig verschwunden. Es gibt keine<br />
Gefängnisse o<strong>der</strong> „Umerziehungslager“. Der durchschnittliche Zustand <strong>der</strong><br />
Gesundheit, Kultur und des Wohlstands ist viel besser als in <strong>der</strong> restlichen<br />
israelischen Gesellschaft. Es besteht unbegrenzte politische und kulturelle Freiheit.<br />
All das wird nicht nur von Anhängern des Kibbuz-Systems bestätigt,<br />
son<strong>der</strong>n auch von sehr kritischen Beobachtern wie dem Psychoanalytiker Bruno<br />
Bettelheim, dem Liberalen Dieter Zimmer o<strong>der</strong> dem Soziologen Melford<br />
Sipro 7 . Natürlich gibt es viele Konflikte zwischen den Generationen und Geschlechtern,<br />
das zum einen. Der Kibbuz ist keine erfüllte Utopie. Individualistische<br />
Neigungen und individuelles Verhalten sind infolge <strong>der</strong> sozio-ökonomischen<br />
Gleichheit durchaus nicht verschwunden Warum sollten sie? Das<br />
non plus ultra in <strong>der</strong> Entwicklung einer klassenlosen Gesellschaft ist nicht die<br />
Gleichheit <strong>der</strong> Individuen, son<strong>der</strong>n die größtmögliche Entfaltung <strong>der</strong> größtmöglichen<br />
Anzahl von Individuen. Das Ziel des Sozialismus ist nicht so sehr<br />
die Sozialisierung des Menschen, son<strong>der</strong>n die Vermenschlichung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
- die umfassendste Entwicklung <strong>der</strong> einmaligen Persönlichkeit eines jeden<br />
Individuums.<br />
VII. Organisierte Selbstverwaltung<br />
Die Motivation — zur Wirtschaftlichkeit, Kooperation und Innovation— ist<br />
also für die sozialistische Demokratie kein unlösbares Problem. Größere<br />
Schwierigkeit bereitet die Institutionalisierung <strong>der</strong> Volkssouveränität als solche.<br />
Wie kann ein Maximum an Konsumbefriedigung mit einem Minimum an<br />
Arbeitsbelastung <strong>der</strong> Produzenten verbunden werden? Alec Nove verweist<br />
zurecht auf diesen Wi<strong>der</strong>spruch, den kein ernsthafter Marxist leugnen wird.<br />
Aber diesen Wi<strong>der</strong>spruch zur Kenntnis nehmen—daß man nicht unendlich Güter<br />
und Dienstleistungen bereitstellen kann, wenn die wöchentliche Arbeitszeit sich<br />
gegen 1 o<strong>der</strong> 0 Stunden bewegt, es sei denn mithilfe einer noch in <strong>der</strong> fernen<br />
Zukunft liegenden „totalen“ Automatisierung - bedeutet nicht, daß man die<br />
Befriedigung <strong>der</strong> Konsumwünsche aller Menschen nicht beträchtlich steigern<br />
kann, bei gleichzeitiger spürbarer Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arbeitslast und -entfrem-<br />
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