„Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner - Otto Brenner Stiftung
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„BILD“ UND WULFF <strong>–</strong> ZIEMLICH BESTE PARTNER<br />
<strong>„Bild“</strong> macht<br />
vielleicht dumm,<br />
dumm gemacht<br />
ist sie nicht<br />
22<br />
dener Journalist nichts vormachen. Er kopiert<br />
nur gelegentlich, weil ihm seine Arbeitsbedingungen<br />
keine Zeit für etwas Besseres lassen,<br />
ein paar Absätze der Pressemitteilung des Unternehmens,<br />
des Verbandes, der Partei in seinen<br />
Text. Dass der Journalismus selbst Öffentlichkeitsarbeit<br />
macht, das geht gar nicht <strong>–</strong> für<br />
seinen Verlag nicht <strong>und</strong> auch sonst für nichts<br />
<strong>und</strong> niemanden. Nur ab <strong>und</strong> zu, wenn er ein bisschen<br />
zusätzliches Geld braucht, erledigt der<br />
Journalist, vor allem wenn er ein „freier“ ist,<br />
den einen <strong>und</strong> anderen Auftrag einer PR-Agentur.<br />
Mit diesen Ungereimtheiten zwischen hehren<br />
Vorgaben <strong>und</strong> den Zumutungen des Alltags<br />
hat <strong>„Bild“</strong> zugunsten einer eigenen Doppelmoral<br />
aufgeräumt: In der alltäglichen Praxis gehen<br />
Unterhaltung, Werbung, Journalismus <strong>und</strong><br />
Öffentlichkeitsarbeit systematisch ineinander<br />
über. In Räumlichkeiten übersetzt: Bei <strong>„Bild“</strong><br />
sitzen die hauseigene PR, die Anzeigenabteilung,<br />
das Event-Marketing <strong>und</strong> die Redaktion in<br />
einem Großraumbüro. Jede Leistung für sich<br />
hoch spezialisiert, aber gleichzeitig in einer<br />
gemeinsamen Strategie zusammengeb<strong>und</strong>en.<br />
Publiziert wird, was die größte Aufmerksamkeit<br />
beim Publikum <strong>und</strong> die <strong>beste</strong> Werbung für<br />
das Blatt erwarten lässt. In der öffentlichen<br />
Selbstdarstellung hingegen wird das Bild vom<br />
„exzellenten Journalismus“ gepflegt.<br />
Das ist die Strategie der <strong>„Bild“</strong>-Redaktion:<br />
Höchstmögliche öffentliche Aufmerksamkeit<br />
so zu erregen, dass <strong>„Bild“</strong> selbst dabei am<br />
<strong>beste</strong>n <strong>und</strong> prominentesten wegkommt.<br />
<strong>„Bild“</strong> macht vielleicht dumm, ist aber bestimmt<br />
nicht dumm gemacht. Was ihre politischen<br />
Kritiker nicht sehen wollen <strong>und</strong> nicht verstehen<br />
können: <strong>„Bild“</strong>, die so einfach, so platt,<br />
so holzhammermäßig daherkommt, ist ein<br />
hochkomplexes <strong>und</strong> hochsensibles Produkt. In<br />
der <strong>„Bild“</strong>-Redaktion wird mit Intelligenz, Routine,<br />
Radikalität <strong>und</strong> gnadenloser Geschäftstüchtigkeit<br />
ein Massenmedium hergestellt, das<br />
auf publizistischen <strong>und</strong> ökonomischen Erfolg<br />
getrimmt ist.<br />
<strong>„Bild“</strong> hat damit im Vergleich zu Publikationen,<br />
die sich auf das Handwerk des Journalismus<br />
konzentrieren, eine unternehmerisch gesehen<br />
modernere, massenmedial <strong>und</strong> betriebswirtschaftlich<br />
erfolgreichere Strategie. Das<br />
Catch-all-Konzept <strong>–</strong> mit allen massenmedialen<br />
Mitteln möglichst alle zu erreichen <strong>und</strong> dabei<br />
selbst als der Größte zu erscheinen <strong>–</strong> bildete<br />
lange Jahre ein Alleinstellungsmerkmal der<br />
<strong>„Bild“</strong>-Zeitung. In seinem Aufsatz „Der Triumph<br />
der Bild-Zeitung oder Die Katastrophe der<br />
Pressefreiheit“ hat Hans Magnus Enzensberger<br />
(1983) als Erster <strong>und</strong> weithin Einziger das Produkt<br />
<strong>„Bild“</strong> durchschaut <strong>und</strong> zutreffend als<br />
„schrankenloser, erfolgreicher, radikaler“<br />
charakterisiert. Heute ist <strong>„Bild“</strong> Leitmedium,<br />
weil sich das Mediensystem unter den Zwängen<br />
des Marktes weiterentwickelt <strong>und</strong> der<br />
<strong>„Bild“</strong>-Strategie zunehmend recht gibt. Wer mit<br />
tagesaktuellen Veröffentlichungen längerfristig<br />
wirtschaftlich erfolgreich sein will, kann das<br />
nicht auf dem ‚Tugendpfad‘ des Journalismus.<br />
Er sieht sich veranlasst, <strong>„Bild“</strong> als Vorbild zu<br />
nehmen. Diese strukturelle medienökonomische<br />
Entwicklung bildet die eigentliche Basis