„Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner - Otto Brenner Stiftung

Schon am 27. April hatte „Bild“ geradezu
euphorisch über diese Vereidigung berichtet:
„Sie hat ES gesagt! Ein mutiger Schritt, mit
dem Niedersachsens neue Sozial- und Integrationsministerin
ihren Amtseid geschworen hat:
Aygül Özkan (38, CDU), Deutschlands erste
muslimische Ministerin, sprach bei ihrer Vereidigung
im Landtag in Hannover die Beteuerungsformel
‚So wahr mir Gott helfe‘ … DAMIT
SETZT DEUTSCHLANDS ERSTE TÜRKISCHSTÄM-
MIGE MINISTERIN EIN WICHTIGES ZEICHEN!“
Dann geht „Bild“ im weiteren Verlauf des
Textes so auf die Kruzifix-Debatte ein:
„Morddrohungen hat sie erhalten, die Computer
in der CDU-Fraktion quellen über von E-
Mails mit wüsten Beschimpfungen. Hintergrund:
Özkan hatte für die Abschaffung ‚christlicher
Symbole‘ wie Kruzifixen in Klassenzimmern
plädiert. Im selben Atemzug hatte sie sich
auch gegen Kopftücher als religiöses Zeichen
bei Lehrerinnen gewandt. Doch das ging unter
im Proteststurm, der vor allem aus der ‚katholischen
Ecke Niedersachsens‘ kam, heißt es in
ihrem Umfeld. Jetzt hat Aygül Özkan deutlich
gemacht: Ich nehme mein neues Amt ernst, ich
stehe für Integration und für ein freies Miteinander
der Religionen – so wahr mir Gott helfe!“
Mit anderen Worten:
„Bild“ berichtet differenziert und positiv
über die Nominierung. Und in einem weiteren
Text des Kolumnisten Hugo Müller-Vogg heißt
es wohlwollend für die neue Ministerin und vor
allem für Wulff:
„Christian Wulff hat sich zwar die Haare
gerauft, dass Özkan schon vor Amtsantritt Interviews
am laufenden Band gab. Gleichwohl
DER GUTE WULFF ALS MINISTERPRÄSIDENT – EINE „BILD“-SCHAU
bleibt er von seiner Entscheidung überzeugt.
Frau Özkan werde auf dem Gebiet der Integration
Akzente setzen – so wie die CDU mit Ursula
von der Leyen der SPD das Thema Familie weggenommen
habe. Was Wulff nicht sagt: Auch
‚Mutter Ursula‘ war seine Entdeckung.“
„Bild“ hätte aus dieser umstrittenen Nominierung
mit leichter Hand einen „Kruzifix-Skandal“
konstruieren können. Ebenso aus der Kabinettsumbildung
selbst: Denn es wurden
insgesamt vier Minister entlassen – die der
amtierende Ministerpräsident Wulff zwei Jahre
zuvor schließlich berufen hatte. Er wurde jedoch
nicht gerügt, sondern gelobt:
„Der Zeitpunkt für Wulffs Personal-Roulette
ist geschickt gewählt. Im August ist ‚Halbzeit‘
für das Kabinett – verbunden mit kritischen
Analysen der Opposition.“
5.1.2 Defizit Kita-Plätze
Auch offenkundige Defizite der Arbeit der niedersächsischen
Landesregierung werden in
„Bild“ zwar erwähnt, jedoch werden sie nicht
dem Ministerpräsidenten, sondern allein der
zuständigen Fachministerin zur Last gelegt.
Wulff ist dann sogar der Antreiber, der sich
kümmert, dass alles vorangeht; obwohl er
bereits jahrelang Ministerpräsident ist, also
wenigstens mitverantwortlich.
Eine solche Aktion geht in „Bild“ wie folgt.
Am 6. Oktober 2009 – zu diesem Zeitpunkt
ist Wulff seit sechs Jahren Ministerpräsident
von Niedersachsen – gibt es einen Text mit der
Headline: „Wulff macht Krippenplätze zur
Chefsache – Niedersachsen ist Schlusslicht“.
59