„Bild“ und Wulff – Ziemlich beste Partner - Otto Brenner Stiftung

„BILD“ UND WULFF – ZIEMLICH BESTE PARTNER
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4. Der gute und der böse Wulff als Bundespräsident –
„Bild“-Kostproben
Um genauer zu verstehen, wie „Bild“ im Fall
Wulff als Massenmedium funktioniert, empfehlen
wir zwei Hin-Sichten zu unterscheiden; in
der täglichen „Bild“-Praxis fließen sie natürlich
untrennbar ineinander: die Vorderbühne
und die Hinterbühne, also
(1) der Charakter der Veröffentlichungen: Wie
präsentiert „Bild“ welche Meldungen?
(2) die Qualität der Beziehungen: Wie verhält
sich „Bild“ zu prominenten Personen, über
die das Blatt berichtet, zu ihren Informanten
sowie zu den Ereignissen, die sie auswählt,
um sie für ihr Publikum darzustellen?
Wir untersuchen die „Bild“-Praxis zudem
daraufhin, ob und welche Unterschiede es in
diesen beiden Hinsichten gibt zwischen der Jubel-Phase
(bis 12. Dezember 2011) und der Wirbel-Phase
(ab 12. Dezember 2011). Wir haben
nach der Sichtung der Vorderbühne, also der
Sichtung des Materials aus 1528 Texten verschiedenster
Art, sowohl zum Charakter der
Veröffentlichungen als auch zur Qualität der
Beziehungen je eine allgemeine, phasen-übergreifende
These. Diese spezifizieren wir anschließend
für die sehr lange Phase des „guten“
und die kurze Phase des „bösen“ Wulff;
„Bild“ operiert während der beiden Zeiträume
(auf den ersten Blick) sehr unterschiedlich. Die
These und die Ableitungen zur Hinterbühne beruhen
nicht auf Recherchen, etwa Interviews
mit Kennern der ‚internen‘ Abläufe, sondern auf
Analysen und Schlussfolgerungen, die wir aus
dem Charakter der Veröffentlichungen ableiten.
Die beiden allgemeinen Thesen lauten:
Die Veröffentlichungen von „Bild“ sind Produkte
aus einer massenmedialen ‚Fabrik‘.
Sie haben keinen journalistischen Grundcharakter,
weisen jedoch nach Bedarf journalistische
Formen und Inhalte auf. Das
Handwerk des Journalismus, in Sprache und
Inhalt eine kritisch-sachliche und möglichst
korrekte Schilderung des Berichtsgegenstandes
zu pflegen, spielt in den „Bild“-Veröffentlichungen
nur eine Gastrolle.
Die Beziehung von „Bild“ zu den einzelnen
prominenten Personen, über die sie berichtet,
ist in der Regel nicht journalistisch, sondern
geschäftlich geprägt. Es handelt sich
um eine wechselseitige Instrumentalisierung,
in welcher allerdings „Bild“ im Zweifel
aufgrund ihrer publizistischen und ökonomischen
Stärke am längeren Hebel sitzt.
Die Beziehung von „Bild“ zu den Ereignissen,
über die sie berichtet, ist vor allem in
‚großen Fällen‘ und bei für sie wichtigen
Themen keine journalistische, also keine
distanziert-beobachtende und analysierende,
sondern eine aktiv mit- und einmischende.
Im Folgenden werden für die 598 Amtstage des
Bundespräsidenten Christian Wulff Kostproben
aus der „Bild“-Praxis vorgestellt und anhand
der Unterscheidung Vorder- und Hinterbühne
analysiert, chronologisch getrennt in Jubel-
Phase (guter Wulff), Wechseltage (heulender
Wulff) und Wirbel-Phase (böser Wulff).