serie vorbil<strong>de</strong>r Barack Obama während einer Besprechung mit engen Mitarbeitern. Sein Umgang mit seinem Wahlkampfteam lässt vermuten, dass er ein kompetenter Führer sein wird.
Foto: getty images VORBILDER. Barack Obama wur<strong>de</strong> zum 44. US-Präsi<strong>de</strong>nten gewählt. Ein erfolgreicher Wahlkämpfer ist nicht unbedingt ein guter Regieren<strong>de</strong>r. Aber schon jetzt ist klar, Obama hat Charakterzüge gezeigt, die ihn im Wirtschaftsleben zu einer großen Führungspersönlichkeit gemacht hätten. Führen wie Obama „Ich bin doch nur ein Mensch“, sagte Obama nach seiner gewonnenen Wahl, als seine Anhänger anfingen, ihn mehr <strong>de</strong>nn je zu glorifizieren. Natürlich ist noch offen, wie erfolgreich Obama am En<strong>de</strong> seiner Amtszeit sein wird, aber schon jetzt ist klar, dass er nicht nur ein Mensch, son<strong>de</strong>rn auch eine beson<strong>de</strong>rs starke Führungskraft ist. Aus Tageszeitungen („New York Times“ vom 26.10.2008 und „Financial Times“ vom 6.11.2008) und Magazinen („TIME“ vom 17.11.2008 und „STERN“ vom 20.11.2008), die Obamas Führungsverhalten im Wahlkampf beobachtet haben, hat „wirtschaft + weiterbildung“ drei Prinzipien herausgefiltert, über die nachzu<strong>de</strong>nken sich auch für <strong>de</strong>utsche Führungskräfte lohnen wür<strong>de</strong>. 1. Mitarbeiter zum Wi<strong>de</strong>rspruch ermuntern. <strong>Als</strong> Bahn-Chef Hartmut Mehdorn seine Schaltergebühr von 2,50 Euro auf Druck <strong>de</strong>r Öffentlichkeit wie<strong>de</strong>r zurücknehmen musste, fragte die Presse: „Hat <strong>de</strong>r keine couragierten Mitarbeiter, die ihm solch einen Blödsinn rechtzeitig ausre<strong>de</strong>n?“ Obamas Stärke ist, dass er sich nicht für allwissend und unfehlbar hält. Im Gegenteil: Obama, <strong>de</strong>r als extrem selbstbewusst gilt, engagiert kompetente Berater und sucht ganz gezielt <strong>de</strong>n Rat seiner Mitarbeiter. Er sammelt konzentriert Informationen. Es geht ihm darum, das Wissen aus möglichst vielen Quellen zu schöpfen und vor einer Entscheidung möglichst viele Alternativen zu durch<strong>de</strong>nken. Quer<strong>de</strong>nker und ihr Wi<strong>de</strong>rspruch sind hierbei sehr willkommen. In Meetings sorgt <strong>de</strong>r künftige US-Präsi<strong>de</strong>nt dafür, dass je<strong>de</strong>r zu Wort kommt. Auch diejenigen, die sich nicht an <strong>de</strong>r Debatte beteiligen, son<strong>de</strong>rn nur schweigend dasitzen. Schüchterne haben oft wertvolle I<strong>de</strong>en. Man muss sie aber „aktiv ins Gespräch ziehen“. Obama will auf keine einzige I<strong>de</strong>e verzichten. Je<strong>de</strong>r wird befragt. Je<strong>de</strong>r bekommt das Gefühl vermittelt, dass er aus seiner Perspektive etwas zum großen Ganzen beitragen kann. „Obama saugt <strong>de</strong>n Raum aus“, schreibt die New York Times über seine konsequente Art, an I<strong>de</strong>en zu kommen. Und außer<strong>de</strong>m for<strong>de</strong>rt Obama Wi<strong>de</strong>rspruch gezielt heraus. Er beherrscht die Kunst, Menschen mit unterschiedlichen Meinungen gegeneinan<strong>de</strong>r auszuspielen. Anschließend arbeitet er die Bereiche heraus, in <strong>de</strong>nen alle übereinstimmen, um schließlich das Wesentliche in seiner eigenen, eloquenten Weise auf <strong>de</strong>n Punkt zu bringen. Erst dann wird entschie<strong>de</strong>n. Dabei überrascht er selbst die engsten Mitarbeiter immer wie<strong>de</strong>r, zu welchen Schlüssen er kommt o<strong>de</strong>r wie er Defizite in <strong>de</strong>n jeweiligen Argumentationsketten in Aktivposten umwan<strong>de</strong>lt. Obama selbst lässt sich nicht provozieren. Verbale Keulen sind nicht seine Art. Oft hält er Schweigen für klüger – selbst auf die Gefahr hin, als Zau<strong>de</strong>rer dazustehen. In einem Land <strong>de</strong>r Selbstdarsteller hat sich ein guter Zuhörer durchgesetzt. 2. Disziplin vorleben und einfor<strong>de</strong>rn. Obama hat seine Emotionen, seine Worte und sein ganzes Leben unter Kontrolle. Disziplin ist für ihn keine „Sekundärtugend“, son<strong>de</strong>rn Erfolgsfaktor Nummer eins. „Er ist auf sein Amt besser vorbereitet als je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n ich kenne“, sagt <strong>de</strong>r 62-jährige Leiter <strong>de</strong>s Brookings-Institute, Strobe Talbott. „Warum? Disziplin, Disziplin und nochmals Disziplin.“ Obama will zum Beispiel, dass in seinem Team bei aller Freu<strong>de</strong> am Diskutieren Kommunikationsdisziplin herrscht – zum Beispiel gegenüber <strong>de</strong>r Presse. Disziplin heißt für ihn auch Geschlossenheit und Geheimhaltung. Er verlangt von allen Beratern und Stabsmitarbeitern, dass sie verschwiegen sind und sich als eingeschworene Truppe fühlen. Differenzen über Strategien, Konzepte und Personalfragen im engeren Wahlkampfteam Obamas gelangten nie an die Öffentlichkeit. 3. <strong>Als</strong> Vorbild an<strong>de</strong>re begeistern. Von „T-Lord“, <strong>de</strong>m Anführer einer 40-köpfigen Straßengang in Chicagos South Si<strong>de</strong>, ging <strong>de</strong>r Satz durch die Medien: „Wie kann ich mich noch herumtreiben, wenn <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r im Weißen Haus ist?“ T-Lord kennt keinen im „Milieu“, für <strong>de</strong>n Obama nicht Inspiration wäre. Der 18-jährige Kriminelle will aussteigen und studieren, weil er jetzt glauben könne, dass für einen Schwarzen alles erreichbar sei. Obama hat gesiegt. Offenbar gibt es kein besseres Argument für Verän<strong>de</strong>rung als attraktive Vorbil<strong>de</strong>r, die das leben, was sie predigen. Dann sind Vorschriften, Anweisungen und Appelle plötzlich nicht mehr nötig. Inzwischen hat Obama die Auswahl seiner Regierungsmannschaft abgeschlossen und auch auf diese Weise bewiesen, dass er starke Persönlichkeiten mit einer eigenen Meinung schätzt. Martin Pichler 01_2009 wirtschaft + weiterbildung 9