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22 SCHWERPUNKTTHEMA: 100 JAHRE MONTESSORI-KINDERHAUS SCHÜTTELN, RIECHEN UND EXPERIMENTIEREN Viel Spaß und Erkenntnisse bei der Vorbereitung für den neuen Material-Parcours Ein Kreis von Eltern (besser: Müttern, um genau zu sein!) und Erzieherinnen des Kinderhauses hatten sich die Vorbereitung des MONTESSORI-Material-Parcours vorgenommen. Dieser soll beim Sommerfest am 21. Juli den Eltern und sonstigen Besuchern den Umgang mit den Spiel- und Lernmaterialien näher bringen, mit denen ihre Kinder tagtäglich arbeiten. Schon die Vorbereitung für den Material-Parcours brachte viel Spaß. Die Erzieherinnen hatten fast alle Stationen aufgebaut und luden zum Ausprobieren ein. Auch die Teilnehmenden eines Elternabends hatten tags darauf die Möglichkeit in Maria Montessoris Sinn zu „arbeiten“ – die Sinne, das Sprachgefühl und die Geschicklichkeit zu schulen, zu rechnen und zu basteln. Drei Beispiele: Was ist da drin? Das Gehör lässt sich darin trainieren, Materialien an den Geräuschen zu erkennen, die sie in einem geschlossenen Gefäß machen. Wie träge bewegt es sich, wie hart prallt es an die Gefäßwände? Der Material-Parcours ist eine von mehreren Attraktionen, die anlässlich des 100jährigen Bestehens des ersten Montessori- Kinderhauses anno 1907 entstanden sind. Dazu gehört auch das Postkarten-Buch mit zwölf Motiven. Auf den zwölf Fotos sind Kinder bei typischen Tätigkeiten zu sehen, zum Beispiel bei Übungen des täglichen Lebens, bei Bewegung, Sinneserfahrung oder beim Zusammenarbeiten mit anderen Kindern. Georg Rieger Wie riecht das? Im Vergleich zu vielen Tieren ist unser Geruchssinn zwar schwach ausgeprägt, aber er ist immer noch ein wichtiger Gefahrenmelder und Auslöser für Appetit und Sinnlichkeit. Was aber ist das, was ich da in dem Gefäß rieche und wie kann ich den Geruch beschreiben? Ein Experiment, das die Verhältnisse der Elemente zueinander deutlich macht: Ein kleines Schiffchen (eine Walnussschale) mit einem Wattekügelchen als Besatzung lässt sich mit einem Glas auf den Boden des Aquariums drücken und trocken wieder an die Wasseroberfläche holen.
KONSEQUENT VOM KIND AUS 100 Jahre Kinderhaus-Idee – seit 25 Jahren erfolgreich in Nürnberg Ein Gastkommentar von Paul Storz Lange dauerte es, bis Maria Montessoris Ideen im Land der (Reform-) Pädagogen wie u.a. Fröbel umgesetzt wurden. Anfang der 80er Jahre waren es wenige Engagierte, die das 1. Montessori- Kinderhaus in Nürnberg gründeten. Die Entwicklung dieser Idee von einer kleinen Kindergartengruppe bis heute zu einem umfassenden „Kinderhaus“ (MONTESSORI-Zentrum) werde ich entlang von Maria Montessoris Leitgedanken (erarbeitet u.a. von Prof. Raapke, 2003) kritisch würdigen. These 1: Montessori-Pädagogik fordert und fördert individuell Intelligenz und kreatives Problemlöseverhalten. Sie erzieht zu Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Schnell wuchs die Nachfrage nach freien Plätzen, denn: These 2: Montessori-Pädagogik ist Friedenspädagogik über alle sozialen, religiösen und ethnischen Grenzen hinweg. „Kinder sind anders“ titelte Maria Montessori und dementsprechend bunt waren die Angebote im vorschulischen Bereich. Eine Fülle von Kinderläden mit hohem Engagement und basisdemokratischen Strukturen zwangen konfessionell gebundene Träger mit fundierten Kindergartenkonzepten zu einem zunehmend fachlichen Wettbewerb. Das Montessori-Kinderhaus denkt konsequent vom Kind aus und so war es nur folgerichtig, Schule, Hort und Kindergarten in einem Gebäude unterzubringen und fließende Übergänge sowohl für die Kinder als auch für die pädagogischen Fachkräfte zu schaffen. Die bauliche und konzeptionelle Realisierung bestätigt: These 3: dass Montessori-Einrichtungen für alle da sind: Lernschwache und Hochbegabte, Behinderte und Nichtbehinderte, Einheimische und Einwanderer, Arme und Reiche. Immer deutlicher setzten Kritiker des herkömmlichen Schulsystems wichtige Impulse und vielen wurde der Beziehungsaspekt zwischen Kind und Kind, aber auch zwischen Kind und Erzieherin bzw. Lehrerin sehr bewusst. Montessori Kinderhäuser sind: These 4: „Erfahrungsschulen des sozialen Lebens“ und keine Buchschulen, wenngleich es dort viele Bücher gibt. Diese Erfahrungen endeten nicht an der Schultüre, sondern wurden hineingetragen in die Familien, fanden Platz bei ungezählten Festen und Feiern und kumulierten sich in zahllosen Mitgliederversammlungen und Arbeitsgruppen. Kontrovers und hoch emotional, aber auch sehr kühl argumentierend und die „alte Maria“ bemühend, wurden Schulhausstandorte und Schulgelderhöhungen entschieden. Der frühe Streit um Stimmrecht und die Gründung eines 2. Montessori-Vereins in Nürnberg wurde kultiviert. Und so setzten nach teils hitzigen Vorstandswahlen letzten Endes immer höchst engagierte Vorstandsteams die richtigen Prioritäten für eine erfolgreiche Weiterentwicklung. Gerade die klare Ausrichtung auf Montessori 2020 in Nürnberg und die bayernweite Vernetzung führte mit zur Stärkung der Pädagogik in der Metropolregion. Der konsequente Ausbau der Schulen (Grundschule und qualifizierender Haupt- und/oder Realschulabschluss) mit flankierenden Maßnahmen wie Hort, Mittagsbetreuung brachte auch in Bayern die „Ganztagesschule auf Umwegen“. Montessori-Pädagogik wurde zum impulsgebenden Bestandteil der Bildungslandschaft und erste Signale aus der hohen Landespolitik wurden in den unterschiedlichsten Facetten erkennbar. Nach der langen Phase der sehr stark individuell-kindzentrierten Ausrichtung in den 80ern und 90ern kamen nun verstärkt Forderungen nach Schlüsselqualifikationen und Theorie- Praxis-Transfers in die Diskussion. Entlang den „alten Prämissen“ entwickelte sich ein sehr konstruktiver Qualitätsdiskurs, der folgendes bestätigte: GASTKOMMENTAR These 5: Montessori-Schulen sind Leistungsschulen, weil Kinder und Jugendliche etwas leisten wollen, wenn man ihnen viel Anregungen bietet und sie selbstständig arbeiten lässt. Sie halten auf allen Stufen dem Leistungsvergleich mit Regelschulen stand, oft schneiden sie besser ab. Eine sehr große Zahl von Kindern, Jugendlichen und Eltern profitier(t)en in hohem Maße von einer erfolgreichen Montessori-Pädagogik im Großraum Nürnberg. Sie fördert den fachlichen Wettbewerb und gibt Anstöße für die Regelschulen. Bleibt der Wunsch, dass diese Pädagogik auch im bayerischen Kultusministerium verstanden und gefördert wird und dass der Kreis der Sponsoren und Förderer sich verdopple, um mit gesicherten Planungen ein nachhaltiges Angebot im Montessori-Zentrum ausbauen zu können. Paul Storz ist Diplom-Sozialpädagoge, seit 1980 Leiter von SOS-Jugendhilfen in Nürnberg und seit 1984 Mitglied im MONTESSORI Förderkreis Nürnberg e.V.; er ist Vater von zwei Kindern (heute 25 und 20 Jahre alt), die mit Neugierde und Freude aus ihrer Sicht ihre Kindergarten- und Grundschulzeit bei den “Montessoris” nicht missen möchten. 23
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