10 <strong>Finanzierung</strong> in der <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong> zwischen Marktversagen, Mikro- <strong>und</strong> Makrofinanzierungganz zentrales Thema ist auch immer wieder: WelcheUnterstützungsstrukturen braucht es, dass der eineSektor fähig ist, den anderen Sektor zu „verstehen“?Ein Beispiel für eine solche Übersetzungsinstitutionist das neu geschaffene Kompetenzzentrum <strong>Kultur</strong><strong>und</strong><strong>Kreativwirtschaft</strong> des B<strong>und</strong>es. Aber generell gibtes nicht das eine Modell, das passt.Bestehende Unterstützungsstrukturen werdenvon der <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong> nicht genutztDie aktuelle KEA-Studie (Promoting Investment in theCultural and Creative Sector: Financing Needs, Trendsand Opportunities. Report prepared for ECCE Innovation– Nantes Metropole. KEA European Affairs. 2010)zeigt auf, dass die bestehenden Unterstützungsmöglichkeitenvon <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong>sunternehmennicht genutzt werden:3 Eins von sieben Unternehmen in der <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong><strong>Kreativwirtschaft</strong> bemüht sich überhaupt um externeFinanzmittel. Die Quote, vergleichsweisebei allen Kleinstunternehmen, ist 3:73 50 Prozent der Unternehmen glauben nicht daran,dass irgendeine Form von externer <strong>Finanzierung</strong>für ihr Kreativ- oder <strong>Kultur</strong>unternehmen infragekommt3 70 Prozent dieser Unternehmen glauben nicht,dass Investoren sich für ihr Geschäftsmodell oderihre Idee interessieren könnten3 38 Prozent der Unternehmen haben keinerleiSicherheiten für Kredite.Die Hauptfinanziers dieser Unternehmen sind die Familie,sind Fre<strong>und</strong>esstrukturen. Selten wenden siesich an Banken. Wenn sie sich um externes Geld bemühen– <strong>und</strong> das sind nur 20 Prozent aller Unternehmen,dann bemühen sie sich im Wesentlichen umeine öffentliche Projektfinanzierung, weniger um Geschäftsmodellfinanzierung.Die Studie zeigt auch, 70 Prozent aller <strong>Finanzierung</strong>enin dem Sektor gehen in drei Teilmärkte der<strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong>: Design, Media <strong>und</strong> dieGames-Industrie – in Verbindung mit Informations<strong>und</strong>Kommunikationstechnologie.Zentrale Fragestellung: Geht es um die Brancheoder geht es um das Individuum?Eine zentrale Frage in dem Themenfeld ist auch immerwieder: Geht es um eine Branche, eine Querschnittsbranche<strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong>, gehtes um die Teilmärkte oder geht es um die Entwicklungvon Talenten <strong>und</strong> Individuen? Dafür hat die ZürcherHochschule der Künste eine interessante Binnensegmentierungmit verschiedenen Unternehmenstypenentwickelt.Ganz oben sind die Majors, die in der Regel keinProblem mit <strong>Finanzierung</strong>en haben, beispielsweiseBertelsmann, Warner Brothers usw. Es gibt den Mittelstand,viele kleine etablierte Unternehmen mitganz anderen Fragestellungen in der <strong>Finanzierung</strong>.Da geht es i. d. R. um Vertriebs- <strong>und</strong> Marketingaspekte.Und dann gibt es die Kreativszene, oft auch als Humusmit ihrem eigenen Innovationsbegriff bezeichnet.Das sind z. B. Hochschulabsolventen, die innovativeProdukte <strong>und</strong> Dienstleistungen produzieren <strong>und</strong>die in der Regel überhaupt keine Fremdfinanzierungenhaben. Dieser Bereich rückt in Deutschland <strong>und</strong>in Europa in den Fokus der Betrachtung. Deswegenreden wir auch über Mikrofinanzierungen <strong>und</strong> wenigerüber Makrofinanzierungen im Bereich der <strong>Kultur</strong><strong>und</strong><strong>Kreativwirtschaft</strong>.Was bedeutet das für die Hochschulen?Vieles, was im Kontext <strong>Finanzierung</strong> an Unterstützungsstrukturendiskutiert wird, könnte bereits aufSeiten der Kunsthochschulen aufgenommen werden,wenn der Bereich des Cultural Entrepreneurship entsprechendgewichtet würde. Aufgabe einer Kunsthochschulean dieser Stelle ist es, darüber nachzudenken,wie man schon früh in der Ausbildung die vermeintlicheKluft zwischen <strong>Kultur</strong> <strong>und</strong> Wirtschaftthematisieren <strong>und</strong> überbrücken kann.Die Hochschulen, so Prof. Weckerle, haben aberauch die besondere Aufgabe, sich Gedanken darüberzu machen, welche Rolle Kreativberufen außerhalbder <strong>Kreativwirtschaft</strong> zufallen kann <strong>und</strong> welcheFunktion die Hochschulen dabei übernehmen können.Denn Kunsthochschulen verfügen über breiteErfahrung im Feld der ästhetischen Strategien <strong>und</strong>
<strong>Finanzierung</strong> in der <strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong> zwischen Marktversagen, Mikro- <strong>und</strong> Makrofinanzierung11Binnensegmentierung der UnternehmenstypenFREMDFINANZIERUNGVIELSymbolisches Kapital wird zumfinanziellen addiertEtablierte großeUnternehmenEIGENFINANZIERUNGWENIGVIELEtablierte kleineUnternehmenKreativszeneZone der Kompensation:Fehlendes Kapital wird durchsymbolisches kompensiertWENIGQuelle: ZHdK / DKV / Ch. Weckerle, 2010weiteren innovativen Problemdefinitions- <strong>und</strong> -lösungsansätzen,welche für viele Branchen von Interessesein können. Zudem beobachten wir bei Studierenden<strong>und</strong> Absolventen täglich neue Kooperationsformen,welche für die Geschäftsmodelle von morgeninteressant sein können. Wie können wir da stärkerzusammenkommen?Dazu gibt es eine ganze Reihe konkreter Fragestellungen:Wie misst man eigentlich Unternehmenskulturoder wie kann man sie fruchtbar gestalten,wenn zwei unterschiedliche Unternehmenskulturenzusammenkommen? Oder: Abbild <strong>und</strong> Wirklichkeit.Das ist eine zutiefst ästhetische Fragestellung. Aberdas betrifft auch jeden Geschäftsbericht. Jeder Businessplanist ein Abbild einer Wirklichkeit – Kernfragender Bildtheorie.Renditeerwartungen <strong>und</strong> RisikoEin letzter Aspekt: Wenn man über <strong>Finanzierung</strong> diskutiert,muss man immer auch über Renditeerwar-tung <strong>und</strong> Risiko nachdenken. Laut Prof. Weckerle gibtes in dem Themenfeld drei Renditeerwartungen:3 Es gibt eine persönliche Renditeerwartung desjeweiligen <strong>Kultur</strong>unternehmers, die in dem Feld<strong>Kultur</strong>- <strong>und</strong> <strong>Kreativwirtschaft</strong> eher etwas mit symbolischemKapital zu tun hat: Anerkennung odereine Gestaltungsidee in die Welt zu setzen.3 Es gibt den Investor, der in der Regel eine monetäreRendite sehen will, <strong>und</strong>3 es gibt es eine gesellschaftliche Renditeerwartung,die die Politik adressiert. Da geht es um Innovationen,um Spill-over-Effekte, um Citymarketingu. ä.Und wer trägt in diesem Renditemix eigentlich welchesRisiko? Das Risiko liegt im Moment maßgeblichauf den Schultern der Kleinstunternehmer <strong>und</strong> nichtauf den Schultern der Gesellschaft <strong>und</strong> nicht auf denSchultern der Investoren. Wenn man hier weiterkommenwill, könnte man sich in Public-Private-Partnership-Modellendarum bemühen, eine gerechtereRisiko- <strong>und</strong> Renditemischung zu erzielen.