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Thesen - Deutscher Juristentag

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69. <strong>Deutscher</strong> <strong>Juristentag</strong> München 2012<strong>Thesen</strong> zum Referat von Prof. Dr. Thorsten Kingreen, RegensburgI. Befund: Phänomenologie der dualen Krankenversicherungsordnung(1) Das soziale Risiko Krankheit wird in Deutschland durch eine weltweit einmalige dualeKrankenversicherungsordnung abgesichert: Neben der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV), die knapp 90 % der Einwohner versichert, gibt es mit der privaten Krankenversicherung(PKV) ein eigenständiges Vollversicherungssystem, das für Beamte teilweise durch dasBeihilfesystem substituiert wird.(2) Zwischen GKV und PKV bestehen nach wie vor grundlegende Divergenzen im Hinblickauf die Organisation, die Finanzierung, den Rechtsgrund und die Ausgestaltung desLeistungsanspruches sowie die Steuerung der Leistungserbringung.(3) Seit einigen Jahren gibt es aber einen „Wandel durch Annäherung“ zwischen GKV undPKV. Dieser Konvergenzprozess ist gekennzeichnet durch eine jeweils partielle materielle Privatisierungder GKV und Publifizierung der PKV:– Privatisierung der GKV: Wettbewerb um Versicherte; Wahltarife; Fusion und Insolvenzfähigkeitvon Krankenkassen; Bindung an das Kartellrecht; neue Gestaltungsmöglichkeitenim Leistungsrecht; Selektivvertragskompetenzen– Publifizierung der PKV: Basistarif, der finanzierungs-, leistungs- und organisationsrechtlichin das GKV-System integriert wird; Mitwirkung des Verbands der PrivatenKrankenversicherung bei der Qualitätssicherung in der Krankenhausversorgung undbei der Preissteuerung in der ArzneimittelversorgungII. Diagnose: Multimorbidität(4) Die Bezeichnung des Verhältnisses zwischen GKV und PKV als Systemwettbewerb isteine Camouflage. Mehr als 90 % der Bevölkerung sind nämlich aus rechtlichen oder faktischenGründen von der Systemwahl ausgeschlossen; der Systemwettbewerb findet nur um jungeMenschen statt, die am Beginn ihrer Berufslaufbahn stehen, über ein hohes Einkommen verfügenund keine relevanten Vorerkrankungen haben (→ These 6). In Umkehrung fundamentaler,ordnungspolitischer Prinzipien gibt es zudem zwar einen systeminternen Behördenwettbewerbder Krankenkassen, einen Wettbewerb der Privatversicherungsunternehmen hingegennur um Neu-, nicht aber um Bestandskunden, die den Versicherer wegen der nicht-portablenAlterungsrückstellungen faktisch nicht wechseln können.(5) Für die Zuordnung der Personenkreise zu GKV und PKV fehlt es an einem nachvollziehbarenAbgrenzungskriterium. Das meist angeführte Kriterium der sozialen Schutzbedürftigkeitist eine Schimäre, denn viele der in der PKV versicherten Personen (Beamte der unterenBesoldungsgruppen, Soloselbständige) sind nach den Maßstäben der GKV schutzbedürftigerals GKV-Pflichtversicherte mit einem Einkommen knapp unter der Pflichtversicherungsgrenze.Ohnehin ist die Abgrenzung nach sozialer Schutzbedürftigkeit angesichts der medizinischenBehandlungskosten insbesondere im Alter nicht weiterführend.28

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