<strong>Das</strong> <strong>Dokument</strong> <strong>des</strong> <strong>Grauens</strong>Sein Reich ging unter und mit ihm auch sein Schöpfer.Doch nun kommen wir zu einer ausgesprochen unrühmlichen Untergattung derverrückten Wissenschaftler: den sexuell motivierten Sadisten. In den 60er Jahren schiender Markt mangels frischer Ideen mit mad scientists so gesättigt, dass sich neue madscientists <strong>des</strong> Horrors rar zu machen begannen und die Leinwände diesen Nachahmernsowie den Kollegen aus der Science Fiction überließen. Erst gegen Ende der 60er Jahrebegann sich mit dem Ausbruch der sexuellen Revolution und der Exploitation wiedereine neue Kreativität zu regen. <strong>Die</strong>se neugewonnene Idee gipfelte in einer Person, welchekaum die wissenschaftliche Qualifikation eines mad scientists vorweisen konnte,aber sich nach Kräften anstrengte, dies durch eine gesunde Neugier zu kompensieren.Seien Sie von nun an vorsichtig, wenn Sie vollbusigen, dominanten Blondinen mit einemAlter von Mitte Vierzig begegnen. Sonst landen Sie schneller als sie reagierenkönnen in der Gewalt einer sadistischen Nachwuchsforscherin namens Ilsa: She-Wolfof the SS (1974).Abbildung 10.111: Filmplakat, USA 1975Waren die bisher genannten madscientists noch von einer Aura der Drolligkeitumgeben, war bei Ilsa hiermitSchluss. In insgesamt drei Filmen, diein der Mitte der 70er Jahre entstanden,trieb sie ihr Unwesen und treibtnoch heute Frauenrechtlern und Zensorendie Zornesröte ins Gesicht. Sie triebsich in einem Ambiente herum, welchesnur in den 70er Jahren entstehen konnteund ließ selbst die damals sehr weitgefasste Grenze zur Geschmackslosigkeitund Menschenverachtung weit hintersich. Ilsas Reich waren Foltercamps undihre Opfer vorwiegend nackte Frauen,welche nach Kräften erniedrigt wurden.<strong>Die</strong>s sind keine Filme, welche im Zugeder ausgeprägten Nacktheit ihrer Darstellereine erotisierende Befriedigung verschaffen- und falls doch, sollten Sie umgehendeinen Psychologen Ihres Vertrauensaufsuchen, denn dann wird es höchsteZeit für eine Nachjustierung ihresDenkapparates. Aber Ilsa und ihre Verwandtensind ein fester Bestandteil der326
10. <strong>Die</strong> <strong>Mythen</strong>: Im Labor <strong>des</strong> Wahnsinnsdeutschen Filmgeschichte 3 , unserer Kultur und somit unserer eigenen Geschichte -und diese zu ignorieren und totzuschweigen sorgt unvermeidlich dafür, dass sie sichwiederholt.Ilsas Ausflug in die Welt der mad scientists wurde durch den im KonzentrationslagerAusschwitz experimentierenden SS-Arzt Dr. Josef Mengele inspiriert.Ilsa war eine Nazi-Schergin, welche unbedingt beweisen wollte, dass Frauen deutlichgrößere Schmerzen aushalten können als Männer. Um diesen Nachweis zu erbringen,lebte sie ihre sadistischen Triebe an wehrlosen Frauen in einem Konzentrationslageraus. <strong>Die</strong>se wurden auf unterschiedlichste Art und Weise gefoltert - Hauptsache,die Qualen waren sexueller Natur. Elektrische Riesendildos und Stromstöße durch dieKlitoris gehörten ebenso zu Ilsas Repertoire wie blutige Misshandlungen bis zum Todihrer Opfer.Natürlich ist der Ruf dieses Films um einiges schlimmer als das, was es letztlichwirklich auf der Leinwand zu sehen gibt. Explizite Details brutaler Handlungenwerden keine gezeigt, statt<strong>des</strong>sen dominieren Nahaufnahmen von Gesichtern währendFolterszenen die Leinwand, nahezu ausnahmslos. Dazwischen gibt es nackte Mädchenund aufgeknöpfte Blusen von SS-Uniformen zu sehen, in welchen vollbusige Schauspielerinnenohne Talent stecken. Aber unabhängig von dem, was auf der Leinwandzu sehen ist, befindet sich dieser Film in einem unübersehbaren Kontext zum realemGrauen der Konzentrationslager <strong>des</strong> Dritten Reiches und degradiert Hitlers Opfers somitunweigerlich zu Komparsen beim niveaulosen Geldverdienen, verspottet sie undtritt ihr Andenken mit Füßen. <strong>Das</strong>s der Film qualitativ absoluter Rotz ist, denn er bewegtsich sowohl filmisch als auch erotisch auf dem gleichen Niveau wie die deutschenProduktionen der damals beliebten Schulmädchen-Report-Filmreihe, macht die Situationauch nicht besser, im Gegenteil. Ilsa: She-Wolf of the SS (1974) ist ein Film, derauch seine Zuschauer beleidigt, indem er weder als Film, als Mittel zur Unterhaltungnoch als S/M-Porno auch nur ansatzweise etwas taugt. Ilsa: She-Wolf of the SS (1974)ist ganz einfach nur ein schwarzer Fleck auf der Weste <strong>des</strong> Films im Allgemeinen und<strong>des</strong> Horrors im Speziellen, ebenso wie seine zwei offiziellen und eine inoffizielle Fortsetzung.Ein weiteres Beispiel für staatlich sanktionierte Forschung der fehlgeleiteten Artist Firestarter (1984). Andrew und Vicky Tomlinson trafen sich einst, als sie sich fürein wenig Geld als Versuchskaninchen für ein Experiment am College zur Verfügungstellten. <strong>Die</strong>ses Experiment war eine sehr geheimnisvolle Sache und es wurde gemutmaßt,es ginge hierbei um außergewöhnliche psychische Fähigkeiten.<strong>Die</strong> beiden heirateten und bekamen eine Tochter, Charlie. Und die kleine CharlieMcGee war das Resultat der mysteriösen Versuche: Charlie konnte durch die Kraftihres Willens Feuer entfachen.3 Ilsa: She-Wolf of the SS (1974) ist eine deutsch-amerikanische Gemeinschaftsproduktion.327