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2007·2008 - nairs.ch

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literaturdas Auge die Spur des Pfades im langen Gras ausma<strong>ch</strong>en.Jahrhunderte lang haben die S<strong>ch</strong>afe das Grasvon Carpet kurzgehalten, die Pfade ausgetreten. Jetztwä<strong>ch</strong>st alles ein, weil die S<strong>ch</strong>afe von den Bürokratendiffamiert worden sind, und wenn eines Tages aus derGreina ein Reservat gema<strong>ch</strong>t wird, wird es offizielleWege geben. Verboten werden diejenigen auf denenüber Generationen die S<strong>ch</strong>afe, die Hirten und derenHunde gegangen sind.Reservate werden inszeniert um das s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Gewissenzu beruhigen. Sie bedeuten das Ende von Hirten undJägern, von Herde und Hund. Das Ende der Pfade. DenTod der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten. Es bleiben die Wasser, die Felsen,die Steine, die Steilhänge. Begeisterten Touristen ausgeliefert.Übersetzung: Christina Tuor-KurthHardy Ruoss: NAIRS – an einem kühlen HerbstabendDie Lär<strong>ch</strong>en draussen standen gelb, orange und ocker inder späten Na<strong>ch</strong>mittagssonne. Drinnen, im Haus am Innin der s<strong>ch</strong>attigen S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t, war es bereits kühl, ja kalt.Und fast ein wenig ungemütli<strong>ch</strong>. I<strong>ch</strong> rieb mir die Hände.Beim Eingang hatte si<strong>ch</strong> eine Frau mit einem Bu<strong>ch</strong> niedergelassen.I<strong>ch</strong> war überras<strong>ch</strong>t: Kein Feuer im Cheminée,dafür die warme Luft aus einem Heizstrahler<strong>ch</strong>en aufdie Lesende geri<strong>ch</strong>tet. Die Frau war tief versunken inein Bu<strong>ch</strong>, alles andere war Nebensa<strong>ch</strong>e.In der Kü<strong>ch</strong>e standen Männer und Frauen um einenTis<strong>ch</strong> herum. Sie waren beim Rüsten, ganz friedli<strong>ch</strong>,denn es ging ums Essen. Und sie redeten in fremdenZungen. Sehr babylonis<strong>ch</strong> kam mir die Szene vor, dabeiverstanden sie si<strong>ch</strong> und la<strong>ch</strong>ten. Denn sie lebten hier inNAIRS ni<strong>ch</strong>t vom Brot allein, wie i<strong>ch</strong> bald sehen sollte,sie lebten von ihrer Kunst. Das hatten sie gemeinsam,und das verband sie über Länder und Kulturen hinweg.(Und später verstand i<strong>ch</strong>: Sie leben für ihre Kunst.)In den Ausstellungsräumen begegnete i<strong>ch</strong> ihnen dannwieder. Hier redeten sie wiederum in anderen Spra<strong>ch</strong>en:In ihren Installationen und Objekten, in ihren Bildernund Fotografien. Das also war NAIRS: Leben und Kunstauf engstem Raum nebeneinander und ganz selbstverständli<strong>ch</strong>miteinander in diesen Gängen und Räumen,Zimmern und Sälen eines herbstli<strong>ch</strong> kühlen Hauses,das andere Zeiten gesehen hat.Am Abend s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> die Begegnung mit der feinen,wunderbaren Engadiner Di<strong>ch</strong>terin Leta Semadeni undeinem neugierig-klugen Publikum, das ganz aufges<strong>ch</strong>lossenwar für alle Poesie, die bald den Raum füllteund wärmte. Und die Herzen erhitzte, während es draussenNa<strong>ch</strong>t geworden war. Klare, kalte Herbstna<strong>ch</strong>t.Drinnen aber blieb es warm, bis si<strong>ch</strong> Gastgeberin undGastgeber, Künstlerinnen und Künstler, die Di<strong>ch</strong>terinund das Publikum voneinander verabs<strong>ch</strong>iedeten. Unddiese Wärme hatte ni<strong>ch</strong>ts mit dem Elektroofen zutun, dessen Wattleistung zwar eindrückli<strong>ch</strong> war, dessenBeitrag zum Gelingen des stimmigen, e<strong>ch</strong>orei<strong>ch</strong>enAbends aber ni<strong>ch</strong>t weiter von Belang ist.29

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