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2007·2008 - nairs.ch

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SUSANNE-MARIE WRAGE | ZÜRICHKönigsdramenEs war einmal ein Prinz,der hatte keine Haare und eine Haut so wei<strong>ch</strong>,dass jeder starb, der si<strong>ch</strong> an ihr verging.In einem grossen Haus mit vielen Plätzensass er des Tags im S<strong>ch</strong>neidersitz auf seinem Throngekrönt von einem Hutund blickte ruhigaus irisierend blauen Augenin alle Seelen.Deren Abgrund.In ihr Ni<strong>ch</strong>ts.Am Abend lag er still in seinem Bettund atmete von Kopf bis Fuss,s<strong>ch</strong>loss seine Augen,s<strong>ch</strong>lief ni<strong>ch</strong>t ein,zog die Prinzessin si<strong>ch</strong> an seinen Leibund langte ihr ans Herz.Die starb daran.S<strong>ch</strong>nee der sanft auf seinen blossen Rücken fällt.J’ai tant neigé pour que tu dormes.Es war einmal ein Prinz,der hatte s<strong>ch</strong>öne Fingermit Monden hell wie eine Winterna<strong>ch</strong>t.Bei Träumen ohne S<strong>ch</strong>lafverliess er Bett und Haus und Hofund tränkte auf der nahen WieseGrillen und Getier mit seinem Hau<strong>ch</strong>.Im Angesi<strong>ch</strong>t des langen Grases– die Glieder ausgestreckt –hob er die Stimme an zu einem Liedund träufelte mit seinen Worten Giftin ihre aufgesperrten Mäuler.Die dankten, zirpten,kro<strong>ch</strong>en tief ins Innere der Erdeund flogen ho<strong>ch</strong> hinauf zum Himmel.Dort hau<strong>ch</strong>ten sie die Worte ausund s<strong>ch</strong>ickten sie als Tröpf<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> die kalte Na<strong>ch</strong>t.Raureif der sa<strong>ch</strong>te über seinen blossen Rücken krie<strong>ch</strong>t.Ho<strong>ch</strong> in ihrem Turm sitzt die PrinzessinUnd näht ein warmes Fell si<strong>ch</strong> auf die Haut.Die Finger lang und s<strong>ch</strong>ön und blutigVon den vielen spitzen langen Nadeln.Es war einmal ein Königder hatte blaue Augen gross wie Fragenund lebte tief im Wald in einem kleinen S<strong>ch</strong>loss.Dort ging er tags von Wand zu Wandund hor<strong>ch</strong>te in die Ritzen seiner alten Mauern.Die s<strong>ch</strong>wiegen meistens stilldo<strong>ch</strong> drohtenho<strong>ch</strong> und höher no<strong>ch</strong> zu werdenwenn laute Klagen sie bestürmtenund boten selten Wärme, man<strong>ch</strong>mal Ruhe.Niemals Li<strong>ch</strong>t.Des Na<strong>ch</strong>ts da lag der König stummin seinem kleinen Bettund s<strong>ch</strong>aute dur<strong>ch</strong> ein Lo<strong>ch</strong> im Da<strong>ch</strong>hinauf in einen Himmel,bes<strong>ch</strong>wor die Sterne, seine Freunde,heller no<strong>ch</strong> zu leu<strong>ch</strong>tenund Träume in die Umlaufbahn zu s<strong>ch</strong>icken.Die la<strong>ch</strong>ten, lärmten; jagten Strahlenkreuz und quer dur<strong>ch</strong>s Firmamentund s<strong>ch</strong>lugen Funken.Ein Flammenmeer in das er seine blossen Glieder tau<strong>ch</strong>t.Es war einmal ein Prinzder hatte wilde Augen mit Tränen volldie standen bis zum Rand.An Tagen ohne Sonnebezog er Stellung hinter seinem S<strong>ch</strong>loss,bra<strong>ch</strong> Farn, bedeckte si<strong>ch</strong> damit das Hauptund barg si<strong>ch</strong> hinter Hecken und Gebüs<strong>ch</strong>.Er zählte Spinnenbeine, Käfer, Raupenund starrte Lö<strong>ch</strong>er in die Luft;lag auf der Lauer, döste vor si<strong>ch</strong> hin.Na<strong>ch</strong> langer Zeit des Harrensvers<strong>ch</strong>wand der Tag im Dunkel seiner Na<strong>ch</strong>t.92

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