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Wir Unternehmer<br />
WIRTSCHAFT & POLITIK<br />
Interview<br />
„Die Reform <strong>de</strong>r Mehrwertsteuer muss kommen“<br />
Marco Mendorf von <strong>de</strong>r Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft plädiert für die Ab-<br />
schaffung aller Ausnahmen und einen niedrigeren Steuersatz. DAS GESPRÄCH FÜHRTE PAUL LAUER.<br />
Herr Mendorf, die Bun<strong>de</strong>sregierung will<br />
die Reform <strong>de</strong>r Mehrwertsteuersätze offenbar<br />
fallen lassen. Welche Folgen hätte<br />
das für die <strong>de</strong>utsche Wirtschaft?<br />
Mendorf: Union und FDP haben sich<br />
im Koalitionsvertrag ausdrücklich darauf<br />
verständigt, das Steuersystem einfacher<br />
zu gestalten – und dazu gehört<br />
vor allem auch die Mehrwertsteuer. Die<br />
verschie<strong>de</strong>nen Steuersätze und die Abgrenzung<br />
zwischen regelbesteuerten<br />
und ermäßigten Gütern und Dienstleistungen<br />
produzieren Bürokratie und<br />
unnötige Kosten. Und zwar auf Seiten<br />
<strong>de</strong>r Unternehmen wie auch bei Finanzämtern<br />
und Gerichten. Allein die Informationspfl<br />
ichten verursachen mehr<br />
als 14 Milliar<strong>de</strong>n Euro Kosten bei <strong>de</strong>n<br />
Unternehmen. Eine Steuervereinfachung<br />
muss dazu führen, diese Belastung<br />
zu senken.<br />
Bei <strong>de</strong>r Diskussion innerhalb <strong>de</strong>r Koalition<br />
sollen auch Befürchtungen eine<br />
wichtige Rolle spielen, dass eine Reform<br />
zu viele Interessengruppen auf <strong>de</strong>n Plan<br />
ruft. Sind diese nicht berechtigt?<br />
Mendorf: Regierung und Opposition<br />
sollten das tun, worauf es ankommt.<br />
Wer nur das tut, was beim Bürger (gut)<br />
ankommt, wird seiner Führungsverantwortung<br />
nicht gerecht. Viele Menschen<br />
befürchten höhere Preise bei Lebensmitteln.<br />
Eine Vereinfachung <strong>de</strong>r Mehrwertsteuer<br />
sollte aus unserer Sicht aber<br />
eben nicht zu einer höheren Steuerbelastung<br />
führen, son<strong>de</strong>rn aufkommensneutral<br />
konstruiert sein. Wenn man<br />
Steuerermäßigungen abschafft, könnte<br />
man <strong>de</strong>n Regelsteuersatz insgesamt<br />
senken. Dann wer<strong>de</strong>n die Lebensmittelpreise<br />
zwar steigen; Energie, Kleidung<br />
und Elektrogeräte wer<strong>de</strong>n aber günstiger.<br />
Berechungen <strong>de</strong>s DIW in Berlin<br />
zeigen: Insgesamt gleichen sich die Effekte<br />
aus.<br />
Ein von Ihnen beauftragtes Gutachten<br />
plädiert ja für einen einheitlichen<br />
Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent auf<br />
alle Waren und Dienstleistungen mit<br />
Ausnahme <strong>de</strong>r Wohnungsmieten. Was<br />
wären <strong>de</strong>nn die Vorteile einer solchen<br />
Regelung?<br />
Mendorf: <strong>Als</strong> Erstes könnte man das<br />
140-seitige Dokument <strong>de</strong>s Finanzmi-<br />
Marco Mendorf ist Senior Consultant<br />
<strong>de</strong>r Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft<br />
(INSM) und verantwortlich für die Finanz-,<br />
Steuer- und Haushaltspolitik.<br />
nisteriums zur Abgrenzung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />
Steuersätze ins Altpapier<br />
werfen. Damit ersparen wir uns unsinnige<br />
Bürokratie, unnötige Gerichtsverfahren<br />
und Wettbewerbsverzerrungen.<br />
Beispiel: Verschie<strong>de</strong>ne Gastronomieanbieter<br />
grenzen sich heute durch unterschiedliche<br />
Steuersätze ab. Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong><br />
sind steuerbefreit und können<br />
ihre Gulaschkanone am günstigsten anbieten.<br />
Gemeinnützige Vereine müssen<br />
sieben Prozent Mehrwertsteuer auf die<br />
Rechnung setzen, private Caterer erheben<br />
<strong>de</strong>n vollen Satz von 19 Prozent. Erst<br />
wenn <strong>de</strong>r Steuersatz für alle gleich ist,<br />
haben wir fairen Wettbewerb: Um gute<br />
Qualität, Geschmack und einen angemessenen<br />
Preis.<br />
Trotz<strong>de</strong>m: Bei Ihrem Mo<strong>de</strong>ll ist doch<br />
<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand von Interessengruppen<br />
programmiert. Wie wollen Sie diese<br />
Hür<strong>de</strong>n überwin<strong>de</strong>n?<br />
Mendorf: Je<strong>de</strong> Interessengruppe verfolgt<br />
ihr spezielles Ziel: Am liebsten<br />
eine privilegierte Son<strong>de</strong>rregel, die einen<br />
Vorteil im Wettbewerb bringt. Aber ist<br />
es die Aufgabe <strong>de</strong>r Politik, Einzelinteressen<br />
zu befriedigen? Das Privileg <strong>de</strong>s<br />
einen ist die Diskriminierung <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren.<br />
<strong>Als</strong>o brauchen wir einfache Regeln<br />
und fairen Wettbewerb, <strong>de</strong>r für alle gilt.<br />
Wer<strong>de</strong>n Privilegien abgeschafft, profi -<br />
tiert die Allgemeinheit davon: Durch<br />
weniger Bürokratiekosten und die Möglichkeit,<br />
<strong>de</strong>n beabsichtigten sozialen<br />
Ausgleich viel zielgenauer realisieren<br />
zu können.<br />
20 ProFirma 11 2010<br />
Foto: privat