Bosnien-Herzegowina - MGFA
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II. Strukturen und Lebenswelten<br />
Vereinheitlichung der Wirtscha�s- und Sozialpolitik sowie der<br />
Rechtsordnung, blieben in der Zuständigkeit des Bundes. Vor<br />
allen wichtigen Entscheidungen musste Einvernehmen zwischen<br />
den Republiken und Provinzen erzielt werden, einzelne<br />
Republiken konnten Beschlüsse des Bundes durch ihren Widerspruch<br />
blockieren. Als die Bundesstaaten in den 1980er Jahren<br />
vor dem Hintergrund wachsender Selbstständigkeitsbestrebungen<br />
ausgiebig von diesem Gesetz Gebrauch machten, wurde die<br />
Bundesregierung handlungsunfähig.<br />
Regionale Enwicklungsunterschiede und Verteilungskonflikte:<br />
Hinter den Spannungen im Vielvölkerstaat standen unterschiedliche<br />
politische Visionen, aber auch soziale und wirtscha�liche<br />
Interessen. Viele Konflikte entstanden aus dem Wohlstandsgefälle,<br />
welches das Land von Nordwest nach Südost durchzog.<br />
Die Analphabetenrate der über Zehnjährigen lag beispielsweise<br />
1948 in Slowenien bei 2,4 Prozent, im Kosovo jedoch bei 62,5 Prozent.<br />
Während in den 1940er und 1950er Jahren die Bevölkerung<br />
Kroatiens und Sloweniens um 0,8 Prozent wuchs, stieg jene <strong>Bosnien</strong>-<strong>Herzegowina</strong>s<br />
um 2,2 Prozent und die des Kosovo sogar<br />
um 2,5 Prozent. Das Bru�osozialprodukt pro Kopf war zu dieser<br />
Zeit in Slowenien mehr als doppelt so hoch wie im Kosovo.<br />
Um die krassen Entwicklungsunterschiede einzuebnen, setzte<br />
die jugoslawische Zentralregierung auf Umverteilung und<br />
Strukturförderung. Im Rahmen des Lastenausgleichs erhielten<br />
die ärmeren Regionen, vor allem <strong>Bosnien</strong>-<strong>Herzegowina</strong>, Montenegro,<br />
Kosovo und Mazedonien, seit 1966 massive Au�au- und<br />
Entwicklungshilfe, die vorwiegend von den reicheren Republiken<br />
Slowenien, Kroatien und der Provinz Vojvodina finanziert<br />
wurden. Dennoch vergrößerte sich der Abstand zwischen den<br />
ärmeren und den reicheren Landesteilen immer mehr. 1984 war<br />
das Pro-Kopf-Einkommen in Slowenien schon viermal, das in<br />
Kroatien zweieinhalbmal höher als im Kosovo. Auf allen Seiten<br />
verfestigte sich die Vorstellung, die eigentlichen Verlierer der jugoslawischen<br />
Ordnung zu sein: bei den Ärmeren, weil sie sich<br />
nicht ausreichend unterstützt fühlten, aber auch bei den Reicheren,<br />
weil sie die Ärmeren nicht ständig finanzieren wollten.<br />
Wachsende sozialökonomische Probleme: Obwohl alle Landesteile<br />
Jugoslawiens nach 1945 von einer Wachstumsdynamik bislang<br />
nicht gekannten Ausmaßes erfasst wurden und ein beachtliches<br />
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