Humboldt-Blätter 15-2009_Aend - Humboldtianer.de
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In <strong>de</strong>r VR Polen kam es bereits 1956 zu<br />
Arbeiterunruhen infolge <strong>de</strong>r drücken<strong>de</strong>n<br />
politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit<br />
von <strong>de</strong>r Sowjetunion. 1980 entstand<br />
eine ausge<strong>de</strong>hnte Streikbewegung<br />
unter <strong>de</strong>r Führung <strong>de</strong>r neu gegrün<strong>de</strong>ten<br />
unabhängigen Gewerkschaft „Solidarnośċ“<br />
und Polen wur<strong>de</strong> schließlich 1990<br />
zu einer <strong>de</strong>mokratischen Republik.<br />
Die DDR-Revolution, genannt Wen<strong>de</strong>,<br />
kam <strong>de</strong>nnoch für mich, schon ob <strong>de</strong>r<br />
Schnelligkeit ihres Ablaufes, recht überraschend.<br />
Ich nahm – auch wegen ihres<br />
friedlichen Ablaufes – die Ereignisse<br />
staunend wahr. Dabei hatte ich als Stu<strong>de</strong>nt<br />
im Praktikum in <strong>de</strong>r Filmfabrik<br />
ORWO Wolfen 1953 <strong>de</strong>n 17. Juni hautnah<br />
erlebt. In einem langen Demonstrationszug<br />
von Wolfen durch das Gelän<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Farbenfabrik nach Bitterfeld zogen<br />
diszipliniert und mit Gemeinschaftsgefühl<br />
die Menschen aus <strong>de</strong>n Fabriken –<br />
ich war im Laborkittel mitten unter<br />
ihnen – zu einer großen Kundgebung<br />
mit <strong>de</strong>m Abschluss: Einigkeit und Recht<br />
und Freiheit für das Deutsche Vaterland!<br />
Das ging unter die Haut.<br />
Mit <strong>de</strong>r Grenzöffnung 1989 sind dann<br />
für mich wie<strong>de</strong>r unvergessliche Erlebnisse<br />
verbun<strong>de</strong>n. Am Donnerstag, <strong>de</strong>m<br />
9. November, fuhr ich mit meinem<br />
1989er Wartburg Tourist und angehängtem<br />
Hänger HP 500 nach Dienstschluss<br />
noch spät nach Berlin, wo in einem<br />
ehemaligen Gutshof in Bohnsdorf, Nähe<br />
Flughafen Schönefeld, die Kin<strong>de</strong>r eine<br />
Wohnung hatten und vor <strong>de</strong>r Geburt<br />
ihres ersten Kin<strong>de</strong>s wie<strong>de</strong>r nach Nordhausen<br />
ziehen wollten. Todmü<strong>de</strong> wie<br />
22<br />
ich war, legte ich mich hin. Meine Frau<br />
und das junge Paar hatten jedoch etwas<br />
läuten gehört und wollten mit <strong>de</strong>r S-<br />
Bahn in die Stadt rein fahren. Sie kamen<br />
aber unverrichteter Sache zurück; die S-<br />
Bahn fuhr nicht.<br />
Am nächsten Tag – es war <strong>de</strong>r Freitag –<br />
lud ich nach <strong>de</strong>m Frühstück und Informationen<br />
übers Radio alle in <strong>de</strong>n Wartburg<br />
und fuhr zunächst zur Straße Unter<br />
<strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n und auf das Bran<strong>de</strong>nburger<br />
Tor zu, dort links in die Otto-<br />
Grotewohl-Straße (Wilhelmstraße)<br />
abbiegend, wo wir schließlich am<br />
En<strong>de</strong> einer Autoschlange stan<strong>de</strong>n. Ich<br />
schickte Matthias vor zum Checkpoint<br />
Charlie zwecks Erkundung, ob wir mit<br />
<strong>de</strong>m Auto über <strong>de</strong>n berühmten Grenzkontrollpunkt<br />
fahren konnten. Die Erkundung<br />
war positiv und so rückten wir<br />
langsam in <strong>de</strong>r Autoschlange am Haus<br />
<strong>de</strong>r Ministerien links in die Leipziger<br />
und weiter rechts um das Postministerium<br />
herum über die Mauerstraße schräg<br />
in die Friedrichstraße vor, bis schließlich<br />
<strong>de</strong>r Kontrollpunkt erreicht war.<br />
Am Checkpoint Charlie herrschte großer<br />
Trubel. Wir fuhren langsam durch<br />
<strong>de</strong>n bisherigen Sperrbereich, <strong>de</strong>n Leuten<br />
fast über die Füße. Sektbecher wur<strong>de</strong>n<br />
uns ins Auto gereicht. Eine fröhliche<br />
und euphorische Stimmung umgab uns.<br />
Auf das Dach <strong>de</strong>s Wartburgs stieg eine<br />
amerikanische Journalistin unter Hinterlassung<br />
einer Beule. Nach Passieren <strong>de</strong>s<br />
offenen Kontrollpunktes unter <strong>de</strong>m<br />
freundlichen Zusehen – allein das war<br />
schon bemerkenswert – <strong>de</strong>r DDR-<br />
Grenzer fuhren wir ein Stück in <strong>de</strong>n