08.08.2016 Aufrufe

Motocross Enduro Ausgabe 9/2016

Hallo liebe MCE-Leser, Wikipedia sagt: „Evolution ist die allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation.“ Nun, so oder zumindest so ähnlich kann man das wohl auch bei Motorrädern betrachten, nur dass es sich dabei (für die meisten unter uns) nicht um Lebewesen handelt. Weiterhin heißt es: „Die Merkmale der Lebewesen sind in Form von Genen codiert, die bei der Fortpflanzung kopiert und an die Nachkommen weitergegeben werden. Durch Mutationen entstehen unterschiedliche Varianten (Allele) dieser Gene, die zur Entstehung veränderter oder neuer Merkmale führen können.“

Hallo liebe MCE-Leser,
Wikipedia sagt: „Evolution ist die allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation.“ Nun, so oder zumindest so ähnlich kann man das wohl auch bei Motorrädern betrachten, nur dass es sich dabei (für die meisten unter uns) nicht um Lebewesen handelt. Weiterhin heißt es: „Die Merkmale der Lebewesen sind in Form von Genen codiert, die bei der Fortpflanzung kopiert und an die Nachkommen weitergegeben werden. Durch Mutationen entstehen unterschiedliche Varianten (Allele) dieser Gene, die zur Entstehung veränderter oder neuer Merkmale führen können.“

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MCE: Servus Andi, du zählst mittlerweile zu den<br />

„alten Hasen“ der deutschen <strong>Enduro</strong>meisterschaft,<br />

aber wann hast du eigentlich begonnen, Motorrad<br />

zu fahren und wie bist du überhaupt zum <strong>Enduro</strong> gekommen?<br />

Andi Beier: Grüßt euch. Wie es im Erzgebirge damals<br />

so war, habe ich auf einem Simson-Moped erste<br />

Fahrversuche unternommen. Damit habe ich sogar<br />

an zwei Motorrad-Biathlonrennen teilgenommen<br />

und hatte so eigentlich den ersten Kontakt zu<br />

Wettbewerbsveranstaltungen. Mein erstes richtiges<br />

Motorrad habe ich mir jedoch erst im Alter von<br />

14 Jahren von meinem Jugendweihgeld gekauft. Das<br />

war damals eine Moto-TM mit 125 ccm, Baujahr<br />

1996. Da war allerdings an <strong>Enduro</strong>fahren noch nicht<br />

zu denken, denn zwei Dinge haben gefehlt – der<br />

Führerschein und ich musste meine Eltern erst noch<br />

überzeugen. Zunächst blieb es also bei <strong>Enduro</strong>-<br />

Biathlon-Veranstaltungen. Im Jahr 2002 folgte ein<br />

Trainingslehrgang bei Jens Scheffler mit dem abschließenden<br />

Hinweis, doch einmal ein richtiges<br />

<strong>Enduro</strong>rennen zu versuchen. Gesagt, getan. Mein<br />

Vater hat unter größten Bemühungen für das Jahr<br />

2003 eine 125er KTM organisieren können und ich<br />

habe zu meinem 16. Geburtstag schnellstmöglich<br />

den Führerschein gemacht. Was im Januar bei winterlichen<br />

Temperaturen alles andere als einfach war<br />

(lacht).<br />

2003 durftest du erstmals „<strong>Enduro</strong>-Luft“ in der Pokalklasse<br />

schnuppern, wie war das damals?<br />

Aufregend natürlich. Die KTM haben wir im Zweiradshop<br />

Beyerhaus gekauft, für das gleichnamige<br />

Team bin ich 2003 auch in der B-Lizenz gestartet. Jedoch<br />

musste ich den ersten Wertungslauf auslassen,<br />

da mir hier noch der Führerschein fehlte. In Kaltenkirchen<br />

konnte ich dann aber an den Start gehen<br />

und fuhr dort das allererste Mal im tiefen Sand,<br />

dementsprechend schlecht war das Ergebnis ... :-),<br />

aber ich konnte noch ein paar Läufe in dem Jahr gewinnen<br />

und wurde Vizemeister in der 125er Klasse.<br />

Der Aufstieg in die A-Lizenz im Jahr 2004 war die<br />

Konsequenz deines hervorragenden Debüts im Jahr<br />

2003. Die damalige A-Lizenklasse bis 125 ccm war<br />

stark besetzt, fiel der Aufstieg schwer?<br />

Das Leistungsniveau war viel höher als in der B-Lizenz.<br />

In der damaligen 125er-Klasse gab es mit Mike<br />

Hartmann, Dirk Peter, Bert Meyer einige international<br />

erfahrene Jungs, die man als Rookie erst einmal<br />

schlagen muss. Lehrgeld musste ich in so einer Saison<br />

natürlich zahlen, das ist klar. Das Jahr verlief<br />

aber mit einem 4. Platz in der Meisterschaft gut, sogar<br />

einen Tagessieg am zweiten Fahrtag in Burg<br />

konnte ich damals holen – ein toller Erfolg, der mich<br />

heute noch schmunzeln lässt. Allerdings brach ich<br />

mir am Ende der Saison die Kniescheibe und war<br />

lange außer Gefecht.<br />

Wenn wir von Erfolg sprechen, drehen wir die Zeit<br />

etwas vor und blicken auf das Jahr 2009. Dieses war<br />

für dich ein besonderes oder?<br />

In der Tat. 2006 war ich mit dem Vizetitel in der E1<br />

schon nah dran, aber 2009 hat es endlich geklappt<br />

und ich konnte meinen ersten Meistertitel feiern.<br />

Damals gewann Arne Domeyer den Auftakt in Uelsen<br />

und später auch in Dahlen. Das Duell zwischen<br />

uns beiden sollte sich zum Kopf-an-Kopf-Rennen<br />

entwickeln. Zur Saisonhalbzeit konnte ich dann die<br />

Meisterschaftsführung übernehmen und nach einem<br />

Sieg bei meinem Heimrennen in Zschopau war<br />

ich plötzlich Meister. So richtig realisiert habe ich<br />

das aber wesentlich später. Ich weiß noch, es war<br />

damals ein komisches Gefühl – ich dachte, Mensch,<br />

vor zehn Jahren bist du noch mit dem Fahrrad herumgefahren<br />

und hast die Elite vom Streckenrand<br />

aus bewundert und nun bist du selbst deutscher<br />

Meister. Schon verrückt, wenn man so zurückdenkt!<br />

Außerdem war ich damals auch knapp am EM-Titel<br />

dran.<br />

Nach deinem ersten Meistertitel folgte der Wechsel<br />

von KTM auf Honda, was dich keinesfalls davon abhielt,<br />

erneut den E1-Titel einzufahren. Du hattest<br />

ein super Jahr hinter dir, warum der Markenwechsel?<br />

Die Firma ZAP-TechniX, bekanntlich ein ausgezeichneter<br />

Zubehörspezialist, plante für das Jahr 2010<br />

ein eigenes Racing Team und ich hatte nach mehreren<br />

Jahren auf KTM einfach Lust auf etwas Neues.<br />

Nach ersten unverbindlichen Gesprächen noch<br />

während der Saison 2009 bin ich die 250er Honda<br />

Ende 2009 Probe gefahren, was mir spontan wirklich<br />

Spaß gemacht hat und so kam es letztendlich<br />

zum Marken- und auch Teamwechsel. Dass es mir in<br />

der Saison 2010 gelingen würde, den Titel zu verteidigen,<br />

hatten wir nach dem schwierigen Saisonauftakt<br />

allerdings nicht erwartet. Denn der Umstieg fiel<br />

schwerer als gedacht, ich habe fast ein halbes Jahr<br />

gebraucht, um mit der Honda zu 100 Prozent vertraut<br />

zu sein. Umso glücklicher war ich natürlich,<br />

dass es mit dem E1-Titel erneut geklappt hat.<br />

Sponsor ZAP-Racing blieb, aber das Motorrad wurde<br />

wieder eine KTM. Die Rede ist vom Jahr 2011, in<br />

dem du den Triple holen konntest ...<br />

Richtig, das hatte einen einfachen Grund. Der Aufwand,<br />

die Honda auf meine Bedürfnisse abzustimmen,<br />

war enorm hoch und mit sehr viel Arbeit verbunden.<br />

Außerdem erhielten wir keinerlei Unterstützung<br />

von Honda. Daher haben wir lange überlegt,<br />

was der richtige Weg ist. Nach einem Gespräch<br />

mit KTM-Deutschland-Chef Norbert Zaha war die Lösung<br />

gefunden – dafür bin ich heute noch dankbar –<br />

ZAP Racing blieb bestehen, aber aus einer Honda<br />

wurde wie schon erwähnt eine KTM. Dank der hervorragenden<br />

Unterstützung konnte ich mich komplett<br />

auf die Meisterschaft konzentrieren und diese<br />

zum dritten Mal in Folge gewinnen.<br />

Nach den drei äußerst erfolgreichen Jahren kam eine<br />

schwierige Zeit auf dich zu ...<br />

Ja, man kann nicht nur Erfolg haben, sondern muss<br />

im Leben auch schwierige Dinge meistern. Dazu<br />

zähle ich besonders das Jahr 2012, in dem ich quasi<br />

meine eigene Teamstruktur selbst in die Hand genommen<br />

habe, nachdem ZAP Racing als eigenständiges<br />

Team keine weitere Saison bestreiten wollte.<br />

Sponsorenunterstützung, speziell von Norbert Zaha<br />

(KTM) und ZAP Technix, gab es nach wie vor, aber ich<br />

musste mich eben um alle organisatorischen Dinge<br />

vor, während und nach den Rennen sowie Trainings<br />

selbst kümmern. Ich konnte das Team GST-Berlin<br />

um Christoph Lessing für die Betreuung während<br />

der Rennen gewinnen, das war eine super Sache,<br />

denn ohne die Jungs hätte es nicht funktioniert. Im<br />

Grunde genommen war dieser Schritt 2012 die Basis<br />

zu dem, wie es heute noch bei mir ist. Es mag<br />

sportlich nicht mein bestes Jahr gewesen sein, aber<br />

dennoch habe ich sehr viel dazugelernt. Ich konnte<br />

zu den Hauptsponsoren noch neue Sponsoren an<br />

meine Seite holen, die mich heute noch tatkräftig<br />

unterstützen und habe daher rückblickend nichts<br />

falsch gemacht.<br />

Stichwort Klassenwechsel und die Saison 2013 –<br />

Dahlen fiel wegen Schneeverwehungen aus und<br />

Dachsbach wurde zum Desaster ...<br />

Ein weiteres schwieriges Jahr. Ich habe das Vorhaben,<br />

ein eigenes Racing Team zu gründen, aufgrund<br />

des wahnsinnigen Aufwands Ende 2012 verworfen,<br />

um mich wieder zu 100 Prozent aufs Fahren zu fokussieren.<br />

Zum Glück aus heutiger Sicht, denn mit<br />

Christoph Lessing und GST-Berlin habe ich ein ausgezeichnetes<br />

Team gefunden – da fiel es mir leicht,<br />

zukünftig für GST zu fahren. Die Überlegungen eines<br />

Klassenwechsels gab es bei mir schon länger und<br />

2013 wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Mir war<br />

von Beginn an klar, dass es schwer wird, gegen die<br />

Jungs anzutreten, die schon länger mit den stärker<br />

motorisierten Bikes unterwegs sind. Doch die neue<br />

Herausforderung machte enorm Spaß, ich konnte<br />

definitiv um den Klassensieg mitfahren. Rund um<br />

Dahlen hatte sich wegen Schneeverwehungen erledigt<br />

und in Dachsbach kam es leider zum technisch<br />

bedingten Ausfall. Bei dieser Schlammschlacht war<br />

der Kühler meines Motorrades so zugesetzt, dass<br />

der Motor zu heiß wurde und mir infolgedessen der<br />

Öleinfüllstutzen am Motorgehäuse schmolz! Am<br />

Saisonende blieb mir, obwohl ich fünf von acht Wertungsläufen<br />

gewonnen habe, nur der Vizetitel.<br />

Es folgte ein Markenwechsel auf Husqvarna und<br />

zwei extrem spannende Jahre in der E2. Sowohl die<br />

Saison 2014 als auch 2015 zählten zu den interessantesten<br />

in der jüngeren <strong>Enduro</strong>geschichte. Du<br />

musstest hart arbeiten, um dir einen erneuten Titel<br />

in der DM zu erfahren ...<br />

Das kann sein (lacht). Das musste ich in den Jahren<br />

davor aber auch. In beiden Jahren ging es zwischen<br />

mir und Davide von Zitzewitz um jeden Meisterschaftspunkt.<br />

Davide ist über die Jahre immer<br />

schneller geworden und 2014 sowie 2015 waren die<br />

Punkteabstände zwischen uns in der Klasse E2 extrem<br />

knapp. Das war schon spannend, das stimmt.<br />

In 2014 war ich speziell zu Beginn der Saison sehr<br />

gut unterwegs, in der zweiten Saisonhälfte war es<br />

allerdings umgekehrt und Davide konnte einige<br />

Wertungsläufe für sich entscheiden. Beim Showdown<br />

zum Finale in Zschopau konnte ich nach einem<br />

verrückten Rennen gewinnen und hatte damit den<br />

Titel in der E2 sicher. Ein Jahr später war mir „Rund<br />

um Zschopau“ bedauerlicherweise nicht so wohl<br />

gesonnen, denn hier hatte sich die Meisterschaft<br />

nach einem durchwachsenen Jahr gegen mich entschieden.<br />

Leider konnte ich damals aus gesundheitlichen<br />

Gründen nicht starten. Bereits einige Tage<br />

vor „RuZ“ hatte ich erste Anzeichen einer Grippe,<br />

die dann genau am Rennwochenende ausbrach und<br />

mich die nachfolgenden zwei Wochen ans Bett fesselte.<br />

Der Vizetitel im vergangenen Jahr geht in Ordnung,<br />

Davide war stark unterwegs und hat daher die<br />

Saison für sich entscheiden können.<br />

Für die aktuelle Saison bist du bekanntlich wieder<br />

auf der geliebten 250er unterwegs und zudem ins<br />

Team von Nicky Neubert gewechselt. Scheinbar eine<br />

gute Entscheidung, denn du konntest beim Saisonauftakt<br />

in Dahlen direkt einen souveränen Tagessieg<br />

einfahren ...<br />

Nicky ist mit seinem Racing Shop nicht weit von meinem<br />

Wohnort entfernt, das bringt natürlich enorme<br />

Vorteile mit sich. Wir haben uns im vergangenen<br />

Jahr unterhalten, wie eine gemeinsame Saison aussehen<br />

könnte, kurz gesagt, hat alles gepasst und<br />

damit war der Wechsel reine Formsache. Der Klassenwechsel<br />

war so eigentlich nie geplant, denn ich<br />

bin letztes Jahr kurz nach dem DEM-Finale in Woltersdorf<br />

die damalige neue 450er Probe gefahren<br />

und war von diesem Bike absolut begeistert. Damit<br />

war die Sache für mich klar – die 450er wird’s für<br />

<strong>2016</strong>. Letztendlich habe ich mich doch verleiten lassen,<br />

auch ein paar Testrunden mit der 250er zu drehen<br />

und das lief noch deutlich besser als mit der<br />

450er. Ich bin nun mal rein vom Körperbau her nicht<br />

der Größte und da kam mir dieses Bike deutlich<br />

mehr entgegen. Damit war die Entscheidung bereits<br />

getroffen, dass ich wieder E1 fahre und der Sieg in<br />

Dahlen hat mich darin erst recht bestätigt.<br />

Die Saison <strong>2016</strong> ist im Prinzip noch jung, worauf<br />

liegt dein Fokus – auf dem Klassensieg oder dem<br />

Championat?<br />

Ich trainiere und fahre natürlich dafür, immer mein<br />

Bestes zu geben und der Schnellste zu sein. Das<br />

kann man aber nicht immer sein, das ist logisch. Primär<br />

ist mein Ziel aber schon der Klassensieg, wenn<br />

dabei mal ein Sieg im Championat herausspringt,<br />

wäre das natürlich super (lacht).<br />

Danke für das Interview, Andi, und viel Erfolg für die<br />

restliche Saison.<br />

• Text u. Fotos: Marco Burkert<br />

69<br />

MCE<br />

September '16

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