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Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen

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Carsten Dochow<br />

eine bestimmte Rollenvorstellung vor, die so in den Köpfen der Jugendlichen fest<br />

verankert werde.<br />

Herr Privatdozent Dr. med. Andreas Hill führte weiter aus, dass für den Bereich<br />

der Wirkung von Pornographie bereits einige signifikante Bef<strong>und</strong>e vorlägen: Der<br />

Baltic-Sea-Study könne entnommen werden, dass Mädchen häufiger als Jungen<br />

davon berichtet hätten, sich durch das, was sie in dort sähen, mit <strong>ihre</strong>m Körper<br />

unglücklich zu fühlen. Dies beträfe ca. 25 bis 30 % der Mädchen, die sich natürlich<br />

mit den Pornodarstellerinnen (<strong>und</strong> deren in 80 % der Fälle vergrößerten Brüsten)<br />

vergleichen würden. Einer weiteren empirischen Studie könne entnommen werden,<br />

dass die durchschnittliche Penislänge eines Pornodarstellers bei Erektion<br />

20 cm betrage, bei der Normalbevölkerung jedoch lediglich bei 14 cm liege. Man<br />

könne sich daher vorstellen, dass dies möglicherweise auch bei Männern Minderwertigkeitskomplexe<br />

auslöse. Nicht ohne Gr<strong>und</strong> nehme daher die Nachfrage nach<br />

brust- <strong>und</strong> genitalchirurgischen Eingriffen bei Jugendlichen enorm zu. Bisher gebe<br />

es jedoch keinerlei begrenzende Regulierungen, die bestimmte Anforderungen an<br />

die plastische Chirurgie stellen würden. Ganz im Gegensatz zu Operationen bei<br />

Trans- oder Intersexuellen würden insbesondere auch keine Gutachten gefordert.<br />

Die hier bestehenden „Normen“ sind also allein jene, die durch die Medien, durch<br />

Schönheitsvorstellungen <strong>und</strong> Ideale vorgegeben werden würden. Man müsse sich<br />

hierbei verstärkt die Frage nach den Auswirkungen stellen. Wie eine juristische<br />

Lösung aussehen könnte, sei fraglich; in erster Linie handle es sich jedoch um pädagogische<br />

Fragen, wenngleich die standesrechtlichen Vorgaben im Bereich der<br />

plastischen Chirurgie kritisch zu würdigen seien. Die Standesorganisationen würden<br />

vermutlich aus ökonomischen Gründen komplett versagen.<br />

Herr Professor Dr. med. Cornelius Frömmel kam nochmals auf die Diskussion um<br />

das Normalitätsverständnis zu sprechen: Seinem Verständnis nach sei der Normalitätsbegriff<br />

– auch mit Blick auf Sexualität – nicht nach dem Mittelwert zu bestimmen,<br />

sondern müsse aus der gesamten Breite des gesellschaftlichen Lebens bis<br />

zu seinen Rändern ermittelt werden <strong>und</strong> erreiche seine Grenze erst dort, wo es<br />

beginne, für die Gesellschaft gefährlich zu werden. Des Strafrechts bedürfe es<br />

daher so lange nicht, wie für andere oder die Gesellschaft keine Gefahr bestehe.<br />

Aus dieser großen Vielzahl denkbarer Varianten bis hin zu den Extremen müsse<br />

jedoch nach dem Verständnis von Herrn Professor Dr. iur. Gunnar Duttge für den<br />

Begriff der Normalität etwas Fassbares extrahiert werden, wenn sich das Verständnis<br />

nicht auf die reine Beschreibung des Ist-Zustandes beschränken solle. Diese<br />

könne man jedenfalls nicht mit dem Begriff der Normalität verbinden, weil ansonsten<br />

jedes Verhalten „normal“ sei. Soweit man der Normalität überhaupt einen<br />

übergreifenden, maßstabgebenden Impetus beimessen wolle, so müsse aus der<br />

Beschreibung der Vielfalt irgendwas gefolgert werden. Man könne entweder den<br />

Durchschnitt errechnen <strong>und</strong> diesen zur Norm erheben oder es könnten gesondert<br />

normative Standards herangezogen werden, so dass aufgr<strong>und</strong> bestimmter Kriterien<br />

der Grenzverlauf bestimmt werde. Andernfalls sei die Individualität das Normale,<br />

die von Individuum zu Individuum verschieden sei, also letztlich alles „normal“.

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