Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen
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<strong>Geschlechtsdifferenzierung</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Abweichungen</strong><br />
III. Störungen der Gonadenentwicklung<br />
Bei der ovotestikulären Störung der Geschlechtsentwicklung (ovotesticular disorder<br />
of sex development), die früher als Hermaphroditismus verus bezeichnet wurde, ist<br />
sowohl testikuläres als auch ovarielles Gewebe vorhanden. Dabei muss der Nachweis<br />
von Tubuli seminiferi als typische Hodenstrukturen oder Spermien als auch<br />
von Follikeln erbracht sein. In etwa 13 % der Fälle liegt ein XX/XY-Karyotyp <strong>und</strong><br />
in 15 % ein XX/XXY-Karyotyp vor. Bei einem XX/XY-Karyotyp ist ein Chimärismus<br />
zu erwarten, der durch die Fusion von zwei Embryonen unterschiedlichen<br />
Geschlechts zustande kommt. Bei einem XX/XXY-Karyotyp kann man<br />
meistens davon ausgehen, dass ursprünglich ein XXY-Karyotyp vorlag <strong>und</strong> es<br />
anschließend in einem Teil der Zellen zum Verlust des Y-Chromosoms gekommen<br />
ist. In beiden Fällen ist die Symptomatik leicht zu erklären, da Zellen mit einem Y-<br />
Chromosom <strong>und</strong> damit der Anwesenheit von SRY zur Entwicklung testikulärer<br />
Strukturen beitragen, während Zellen mit einem XX-Karyotyp Ovarstrukturen hervorrufen.<br />
In etwa 60 % bzw. 12 % der Fälle liegt ein 46,XX- bzw. ein 46,XY-<br />
Karyotyp vor. Die Ursachen hierfür sind noch größtenteils unbekannt.<br />
Beim sog. XX-Mann-Syndrom (testicular DSD) liegt trotz eines unauffälligen<br />
weiblichen Karyotyps ein männlicher Phänotyp vor. Es besteht eine Infertilität, da<br />
keine Spermien gebildet werden, <strong>und</strong> in der Regel eine Gynäkomastie. In etwa<br />
80 % der Fälle lässt sich Y-chromosomales Mateial einschließlich SRY in einem<br />
der X-Chromosomen nachweisen. Dies wird durch eine Translokation von Ychromosomalem<br />
Material auf das X-Chromosom während der väterlichen Meiose<br />
verursacht. Die übrigen Fälle sind größtenteils ungeklärt. Teilweise kommen Mutationen<br />
in WNT4 <strong>und</strong> RSPO1 in Frage.<br />
Bei den Gonadendysgenesien liegt eine Differenzierungsstörung der Gonaden vor,<br />
die ausschließlich oder teilweise aus fibrotischem Gewebe bestehen. Bei der kompletten<br />
Gonadendysgenesie bestehen die Gonaden nur noch aus fibrotischem Gewebe<br />
(„Stranggonaden“), Keimzellen <strong>und</strong> endokrin aktive Zellen lassen sich nicht<br />
nachweisen. Bei der kompletten XY-Gonadendysgenesie unterbleibt daher die<br />
Virilisierung des äußeren Genitales, da gonadale Androgene nicht gebildet werden.<br />
Aus dem gleichen Gr<strong>und</strong> kommt es nicht zur Differenzierung der Wolffschen<br />
Gänge. Uterus, Eileiter <strong>und</strong> Vagina sind dagegen vorhanden, da infolge der fehlenden<br />
AMH-Produktion die Regression der Müllerschen Gänge ausbleibt. Bei der<br />
partiellen XY-Gonadendysgenesie sind noch Residuen von testikulärem Gewebe<br />
vorhanden, so dass eine gewisse AMH-Produktion mit residualen Müllerschen<br />
Strukturen <strong>und</strong> eine noch verbleibende Androgenproduktion mit residualen Wolffschen<br />
Strukturen <strong>und</strong> Virilisierung des äußeren Genitales vorkommen. Bei der XY-<br />
Gonadendysgenesie mit intraabdominal gelegenen Gonaden ist von einem malignen<br />
Entartungsrisiko von ca. 15 – 35 % auszugehen (Hughes et al., 2006).<br />
Die Gonadendysgenesie ist ein höchst heterogenes Krankheitsbild. Es kann<br />
durch Chromosomenstörungen oder Genmutationen bedingt sein. Ein Mosaik<br />
45,X/46,XY führt typischerweise zur partiellen XY-Gonadendysgenesie. Andere<br />
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