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Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen

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Katinka Schweizer<br />

mit dem vorbewussten Körpererleben beginnen. In Anlehnung an Eriksons Arbeiten<br />

zur Identitätsentwicklung (1980) können wir folgern, dass sich die Entwicklung<br />

der Geschlechtsidentität im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen nach Individualität<br />

<strong>und</strong> Einzigartigkeit sowie nach Zugehörigkeit abspielt. Diese Spannung<br />

auszuhalten oder aufzulösen gehört zu den wichtigen psychischen Entwicklungsaufgaben<br />

für alle Menschen <strong>und</strong> in besonderer Weise für Personen mit seltener<br />

Geschlechtsentwicklung wie bei Transsexualität oder Intersexualität.<br />

III. Transsexualität <strong>und</strong> Intersexualität als Beispiele für<br />

Geschlechtervarianten<br />

Die dargestellten theoretischen Ansätze basieren fast alle auf einem dichotomen<br />

Zwei-Geschlechter Modell, das für Varianten der Geschlechtsentwicklung nur<br />

wenig Spielraum lässt. Wenn wir uns mit „<strong>Abweichungen</strong>“, „Störungen“ oder<br />

„Sonderfällen“ beschäftigen, ist zunächst festzuhalten, dass der Störungsbegriff in<br />

der Sexualforschung anhaltend hinterfragt wird. Welche untypischen oder tabuisierten<br />

sexuellen Verhaltens- <strong>und</strong> Erlebensweisen können als gestört bezeichnet<br />

werden <strong>und</strong> welche nicht? Der renommierte Sexualforscher Volkmar Sigusch<br />

(2007) schreibt dazu: „Auf die Frage, was eine sexuelle Störung sei, gibt es heute<br />

nicht nur eine glatte, sondern auch eine verschlungene Antwort. Die glatte Antwort<br />

verweist auf Dysfunktionen, Dysphorien <strong>und</strong> Dysphilien, die in Krankheitslehren<br />

<strong>und</strong> Symptomregistern erfasst sind“. Demnach geht es um „gestörte Funktionen,<br />

Missempfindungen, abweichendes Verhalten <strong>und</strong> krankhaftes Erleben“<br />

(ebd., S. 3). Wenn wir jeden dieser Begriffe weiter zerlegen <strong>und</strong> fragen, was man<br />

unter normaler oder regelhafter oder gestörter „Funktion“ versteht, geraten wir auf<br />

die verschlungenen Pfade.<br />

Unsere medizinischen Klassifikationssysteme kennen derzeit drei Gruppen<br />

von sexuellen Störungen: die sexuellen Funktionsstörungen (z.B. die sog. Orgasmusstörungen,<br />

Schmerzstörungen, Verlust von sexuellem Verlangen, Erregungsstörungen),<br />

die Störungen der Sexualpräferenz (auch Paraphilien oder Perversionen<br />

genannt) <strong>und</strong> die sog. Störungen der Geschlechtsidentität. Bis in die 1970er Jahre galt<br />

auch Homosexualität noch als Störung der Sexualpräferenz, was heute nur schwer<br />

vorstellbar ist. Aktuell wird diskutiert, ob die Störungen der Geschlechtsidentität<br />

weiter als psychiatrisches Krankheitsbild geführt oder aus dem Störungskanon<br />

herausgenommen werden sollen. Auf diese möchte ich zunächst eingehen <strong>und</strong><br />

anschließend Besonderheiten bei körperlicher Intersexualität skizzieren.<br />

1. Transsexualität<br />

Beim Phänomen der Transsexualität besteht eine intrapsychisch erlebte Diskrepanz<br />

zwischen der Geschlechtsidentität <strong>und</strong> den körperlich vorhandenen Geschlechtsmerkmalen<br />

einer Person. Diese Diskrepanz ist begleitet von einem Unbe-

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