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Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen

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Bericht über die Podiumsdiskussion<br />

Herr Professor Dr. med. Cornelius Frömmel präzisierte daraufhin, dass die Grenze im<br />

Sinne des kategorischen Imperativs Kants zu ziehen sei: Die Grenze des Einzelnen<br />

sei also dort erreicht, wo die Grenze des anderen verlaufe <strong>und</strong> vice versa. Einschränkend<br />

gelte jedoch noch ein weiterer Aspekt: Der einzige bestehende evolutionäre<br />

Auftrag sei nämlich, die Fortexistenz der Menschheit zu sichern. Dabei<br />

handle es sich jedoch um einen heiklen Aspekt.<br />

Herr Professor Dr. iur. Gunnar Duttge merkte dazu an, dass es sich dabei sicher<br />

um den Kern allen Rechts <strong>und</strong> aller Ethik handele. Allerdings könne man nicht<br />

behaupten, dass sich das Recht oder gar der Impetus des Rechts <strong>und</strong> der Ethik<br />

darin schon erschöpfe. Das Recht einer modernen Gesellschaft könne nicht mit<br />

der einfachen Formel erfasst werden, alles sei erlaubt, solange der eine Wolf den<br />

anderen nicht erschlägt, weil die Menschheit schließlich nicht mehr im Zeitalter der<br />

Neandertaler lebe. Es bestünden beispielsweise Probleme der Verteilungsgerechtigkeit<br />

(gerade auch im Ges<strong>und</strong>heitswesen), die mit dieser Formel „Freiheit des<br />

einen versus Freiheit des anderen“ nicht in den Griff zu bekommen seien.<br />

Einen weiteren Aspekt brachte Herr Professor Dr. med. Jürgen L. Müller mit der<br />

Frage nach der Kostenübernahme für Behandlungen in die Diskussion ein. Mit<br />

dem sehr weit reichenden Normalitätsverständnis von Herrn Professor Frömmel<br />

bestünden in dieser Hinsicht Probleme. Wer mit seiner Körbchengröße A unzufrieden<br />

sei, müsse die Kosten eigenständig tragen, wohingegen der Transsexuelle,<br />

bei dem dies als eine medizinisch relevante „Störung“ definiert werde, einen Anspruch<br />

auf Kostenübernahme der Operation habe. Es bestehe bei schönheitschirurgischen<br />

<strong>und</strong> geschlechtsändernden Behandlungen sichtbar eine Grenze dafür,<br />

wer die Kosten am Ende übernehme. Auch diese Frage sei von Relevanz für die<br />

Begründung von Werten <strong>und</strong> Normen.<br />

Frau Professorin Dr. iur. Tatjana Hörnle mutmaßte, dass mit Blick auf das Strafrecht<br />

sicher Einigkeit bestehe. Dort sei die Position von Herrn Professor Frömmel<br />

zweifelsohne die Richtige. Für das Strafrecht sei nicht die Frage nach der „Normalität“,<br />

sondern vielmehr die nach den Rechten der Anderen entscheidend. Seien<br />

diese Rechte betroffen, bestehe ein Verbot, im Übrigen sei alles andere erlaubt.<br />

Soweit man jedoch über das Strafrecht hinausblicke, sei freilich der von Herrn<br />

Professor Duttge angesprochene Aspekt zutreffend.<br />

Herr Professor Dr. iur. Gunnar Duttge führte jedoch an, dass dieser Bef<strong>und</strong> auch<br />

im Bereich des Strafrechts allenfalls für die Frage des Unrechts zutreffend sei,<br />

denn auf der Ebene der Schuld werde nach wie vor mit einer Vorstellung von der<br />

„normalen“ Möglichkeit der Unrechtseinsicht <strong>und</strong> „normalen“ Fähigkeit, nach<br />

dieser Einsicht zu handeln, operiert. Nach der reinen Individualität werde hier<br />

nicht gefragt, weil ansonsten in viel weiter gehendem Maße als bisher mit Freisprüchen<br />

zu rechnen wäre.<br />

Im Rahmen seines Schlussworts verabschiedete Herr Professor Dr. med. Dr. h.c.<br />

Wolfgang Engel alle Anwesenden <strong>und</strong> dankte für die sehr interessante <strong>und</strong> lehrreiche<br />

Diskussion, die hoffentlich neue Anregungen geben <strong>und</strong> weiterführende Impulse<br />

setzen konnte.<br />

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