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Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen

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Gr<strong>und</strong>lagen der psychosexuellen Entwicklung <strong>und</strong> „<strong>ihre</strong>r Störungen“<br />

Entwicklungsthemen seien, was sich z.B. in Abgrenzungsschwierigkeiten oder<br />

einem Mangel an erlebter Autonomie ausdrücken kann.<br />

In den psychoanalytischen Darstellungen zum Erwerb männlicher Geschlechtsidentität<br />

ist bis heute das Konzept der sog. Desidentifizierung („disidentifying“;<br />

Greenson, 1968) gültig, nach dem ein Junge in der Entwicklung seines<br />

Männlichkeitserlebens die primäre Identifizierung mit der Mutter aufgibt <strong>und</strong> sich<br />

stattdessen mit dem Vater identifiziert. Aufgr<strong>und</strong> dieses Wechsels der Identifikationsperson<br />

seien sich Männer <strong>ihre</strong>r Männlichkeit unsicherer als Frauen <strong>ihre</strong>r Weiblichkeit.<br />

Der Sexualwissenschaftler Dannecker (2004) spricht hier von einer gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Fragilität der männlichen Geschlechtsidentität. 9<br />

5. Die Adoleszenz als psychosexuelle Krise<br />

Neben der Bedeutung der ersten Lebensjahre für die Entwicklung der Geschlechtsidentität<br />

spielt auch die Bewältigung der adoleszenten Lebensphase eine<br />

gewichtige Rolle. Besonders relevant sind die pubertären Körperveränderungen<br />

<strong>und</strong> die Veränderungen des Selbsterlebens. Die große Entwicklungsherausforderung<br />

ist durch den Verlust des kindlichen Körpers gegeben, durch das Wachstum<br />

von Genitalien <strong>und</strong> der sek<strong>und</strong>ären männlichen <strong>und</strong> weiblichen Geschlechtsmerkmale.<br />

So bestehen wichtige Aufgaben in der sukzessiven Integration <strong>und</strong> Anpassung<br />

des eigenen Körperbilds.<br />

Die körperlichen <strong>und</strong> sexuellen Veränderungen lösen eine starke Verunsicherung<br />

aus. Gleichzeitig nimmt in der kognitiven Entwicklung die Fähigkeit zur<br />

Selbstreflexion zu, die zusammen mit den rapiden Körperveränderungen <strong>und</strong> der<br />

Wahrnehmung sexueller <strong>und</strong> erotischer Wünsche zu einem ständigen Beschäftigt-<br />

Sein mit der eigenen Person, dem eigenen Aussehen <strong>und</strong> ggf. zu ängstlicher Befangenheit<br />

gegenüber Mitmenschen führen kann. Aufgr<strong>und</strong> der vielen, die eigene<br />

Person betreffenden Veränderungen erlebt die Regulierung des Selbstwertgefühls<br />

in der Adoleszenz nie zuvor gekannte Schwankungen <strong>und</strong> Einbrüche.<br />

Die eigene Identität entwickelt sich nun aus der Ablösung <strong>und</strong> Neubewertung<br />

bisheriger Identifikationen <strong>und</strong> durch Integration von Selbstaspekten, die aus verschiedenen<br />

Entwicklungsphasen stammen. Dabei spielt die Verankerung von seelischem<br />

Erleben in körperlichen Erfahrungen für die Festigung von Identität <strong>und</strong><br />

Geschlechtsidentität eine wichtige Rolle. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Krisenhaftigkeit<br />

der „normalen“ Adoleszenz <strong>und</strong> Pubertät wird deutlich, wie dies in besonderem<br />

Maß für junge Menschen mit untypischer Geschlechtsentwicklung zutrifft wie<br />

9 Quindeau (2008b) zufolge ist die tendenziell höhere Verunsicherbarkeit im hierarchischen Geschlechterverhältnis<br />

begründet, wodurch für den Mann eine Überforderung darin besteht, dass er<br />

dem gesellschaftlich privilegierten Geschlecht angehört. Zudem hält sie es für wenig plausibel, dass<br />

beim Jungen die weiblichen Identifizierungen „beendet werden müssten“ (ebd., S. 54). Schließlich<br />

geht nach klassischer analytischer Auffassung im Unbewussten nichts verloren, bestenfalls werde es<br />

umgewandelt. Vielmehr sei die zentrale Aufgabe in der männlichen Entwicklung die „Integration der<br />

weiblichen Identifizierungen, der Identifizierung mit der Repräsentanz der Mutter <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>s Begehrens“;<br />

dies ermögliche „erst den Aufbau einer stabilen männlichen Geschlechtsidentität“ (ebd., S. 54).<br />

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