Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen
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Diagnose <strong>und</strong> Schuldfähigkeitsbeurteilung bei Sexualstraftätern<br />
Wenn die aus psychiatrischer Sicht gestellte Diagnose eines der juristischen Eingangsmerkmale<br />
erfüllt, so ist in einem zweiten Schritt tatzeitbezogen die Relevanz<br />
der Beeinträchtigung bei der Tatbegehung zu prüfen, <strong>und</strong> zwar, ob sie das Unrecht<br />
der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit)<br />
aufgehoben bzw. in einer erheblichen Weise beeinträchtigt hat.<br />
Hilfreich <strong>und</strong> noch immer weit verbreitet sind bei der Beurteilung des Schweregrads<br />
die Progredienzkriterien nach Schorsch (1971): Es werden eine periodische<br />
Akzentuierung eines dranghaft gesteigerten sexuellen Verlangens mit innerer Unruhe,<br />
eine starke sexuelle Fantasiebesetzung, eine Progression im Längsschnitt bei<br />
immer kürzer werdenden Abständen zwischen den entsprechenden Manifestationen,<br />
signalhafte Auslöser der sexuellen Handlungen, erotische Fixierungen mit<br />
hoher Masturbationsfrequenz sowie der Wunsch nach Behandlungen gefordert.<br />
Das Konzept nach Giese basiert auf der Analogie der Progredients des sexuell<br />
devianten Verhaltens mit dem Süchtigkeitskonzept <strong>und</strong> begreift sexuelle Perversion<br />
als einen süchtigen Verfall an die Sinnlichkeit.<br />
Um die Einheitlichkeit der Begutachtung zu fördern, wurden 2005 von einer<br />
interdisziplinären Arbeitsgruppe am B<strong>und</strong>esgerichtshof Mindestanforderungen bei<br />
Schuldfähigkeitsbegutachtungen, <strong>und</strong> zwar inhaltliche <strong>und</strong> formale Mindestanforderungen<br />
für Schuldfähigkeitsgutachten, vorgelegt. Aufgr<strong>und</strong> der besonderen Bedeutung<br />
wurden konkrete Kriterien zur Erstellung von Schuldfähigkeitsgutachten<br />
bei Persönlichkeitsstörungen sowie bei Sexualstraftätern dargelegt. Inhaltlich muss<br />
die Exploration vollständig sein zu den Delikten in diagnoserelevanten Bereichen.<br />
Die Untersuchungsmethoden müssen genannt werden, die diagnostischen Kriterien<br />
dargelegt <strong>und</strong> Differentialdiagnosen aufgezeigt werden. Ebenso sind die aus der<br />
Störung resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen darzulegen. Hat die Beeinträchtigung<br />
überhaupt eine Relevanz für die Anlasstat oder ereignete sich die Tat,<br />
ohne dass sie durch eine gegebenenfalls bestehende Störung verursacht worden<br />
wäre? Die psychiatrische Diagnose ist dann den Eingangsmerkmalen korrekt zuzuordnen.<br />
Dies muss transparent dargestellt <strong>und</strong> nachvollziehbar bewertet werden.<br />
Konkretisiert bei der Begutachtung von Sexualstraftaten erfordern die Mindestanforderungen<br />
eine nähere Darlegung, von welchen Anknüpfungstatsachen ausgegangen<br />
worden ist. Eine ausführliche Sexualanamnese ist obligat. Noch vor zwei<br />
Jahrzehnten bestand die durchschlagendste Kritik an einem Gutachten darin, dass<br />
bei der Beurteilung von Sexualstraftätern häufig nicht einmal eine Sexualanamnese<br />
erhoben worden war. Diese ist ein obligater Bestandteil. Hierzu gehört, die Rahmenbedingungen<br />
<strong>und</strong> den Verlauf der sexuellen Sozialisation mit Entwicklung der<br />
geschlechtlichen Identität, der geschlechtlichen Orientierung, mit Zeitpunkt <strong>und</strong><br />
Verlauf etwaiger Störungen <strong>und</strong> Erkrankungen, relevante Stadien der sexuellen<br />
Entwicklung, Inhalte erotischer Fantasien <strong>und</strong> Imaginationen, Erleben sexueller<br />
Übergriffe in der Kindheit, Behandlungen, Pornographiekonsum,<br />
Prostituiertenkontakte, Beziehungsanamnese usw. darzulegen. Gab es im Vorfeld<br />
der Anlasstat schon sexualdelinquente Handlungen? Dies alles muss in das Gutachten<br />
einfließen. Erfüllt die deviante Entwicklung die diagnostischen Kriterien für<br />
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