Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen
Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen
Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
82<br />
Jürgen L. Müller / Peter Fromberger<br />
Biographie ließ sich rekonstruieren, dass die Vergewaltigungen Ausdruck eines<br />
Aggressionsdurchbruchs war, der sich im Laufe des Abends gegen die Mutter aufgestaut<br />
hatte.<br />
Es ist also notwendig zu differenzieren: Patienten mit Paraphilie, also einer<br />
Störung der Sexualpräferenz, sind nicht gleichzusetzen mit Sexualstraftätern. Sexualstraftäter<br />
haben dagegen häufig keine Paraphilie.<br />
Diagnose:<br />
Die operationalisierten Diagnosesysteme unterscheiden verschiedene Formen der<br />
Sexualpräferenz. Gemäß Kategorie F65 der Internationalen Klassifikation psychischer<br />
Störungen ICD 10 werden die Diagnosen Fetischismus, fetischistischer<br />
Transvestitismus, Exhibitionismus, Voyeurismus, Pädophilie, Sadomasochismus,<br />
multiple Formen der Sexualpräferenz <strong>und</strong> sonstige Störungen der Sexualpräferenz<br />
unterschieden (Dilling, Mombour & Schmidt, 1991). Die deskriptiven Klassifikationssysteme<br />
fassen dabei verschiedene Motive <strong>und</strong> Tätergruppen zusammen. Am<br />
Beispiel der Pädophilie werden weiter gehende Versuche aufgezeigt, die Täter näher<br />
zu typologisieren. So lassen sich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die auf<br />
Richard von Krafft-Ebing zurückgehende Psychopathia Sexualis, die Tätertypologie<br />
nach Wille (1971), nach Schorsch (Schorsch, 1971), nach Groth (Groth,<br />
Hobson & Gary, 1982), nach Simkins (Simkins et al., 1990), nach Holmes (Holmes<br />
& Holmes, 1996) sowie nach Knight & Prentky (1990) unterscheiden. Während<br />
Richard von Krafft-Ebing (1886) in der Psychopathia Sexualis nichtpsychopathologische<br />
Motive wie beispielsweise den Wüstling oder den ängstlich vermeidenden<br />
Jugendlichen von pathologischen Fällen wie beispielsweise den Täter mit erworbenen<br />
Hirnschäden, mit angeborenen Hirnerkrankungen oder krankhafter Disposition<br />
bei der Begehung von sexuellen Handlungen zum Nachteil von Kindern in<br />
kasuistischer Form abgrenzte, stützten sich spätere Typologien auf umfangreichere<br />
Aktenanalysen <strong>und</strong> Auswertungen. Die Klassifikation nach Schorsch (1971) ist<br />
aufgr<strong>und</strong> der Anschaulichkeit für die Begutachtung vor Gericht recht verbreitet.<br />
Sie unterscheidet fünf Typen: den kontaktarmen retardierten Jugendlichen, den<br />
sozial randständigen, minderbegabten Jugendlichen, den instabilen <strong>und</strong> sozialdesintegrierten<br />
Täter im mittleren Lebensalter, den pädagogische Beziehungen erotisierenden<br />
Täter sowie den Alterspädophilen. Empirisch, zumindest für die USA <strong>und</strong><br />
Kanada am besten belegt ist die Typologie nach Knight & Prentky (1990), die verschiedene<br />
Tätertypen nach dem Ausmaß der sexuell devianten Fixierung <strong>und</strong> der<br />
Häufigkeit der Kontakte unterscheidet. So werden Täter mit einem hohen bzw.<br />
einem niedrigem Ausmaß an Fixiertheit nochmals hinsichtlich einer hohen bzw.<br />
niedrigen sozialen Kompetenz unterschieden. Als zweites Kriterium wird die Häufigkeit<br />
der Kontaktaufnahme weiter differenziert in die Motivstruktur der Kontaktaufnahmen<br />
sowie das Ausmaß an Gewalt. Mit Hilfe dieses elaborierten Systems<br />
sind auch empirische Studien vorgelegt worden (z.B. Looman et al., 2001).<br />
Die operationalisierten Klassifikationssysteme ICD 10 <strong>und</strong> DSM IV fordern<br />
für die Diagnose einer Störung der Sexualpräferenz wiederholt auftretende intensi-