Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen
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Jürgen L. Müller / Peter Fromberger<br />
rierten Materialien müssen aber noch optimiert werden, um auch vergleichbare<br />
Effekte zu erzielen. Gegenwärtig arbeiten verschiedene Forschergruppen an der<br />
Entwicklung eines entsprechenden Designs <strong>und</strong> einer von der Selbstauskunft unabhängigen<br />
Diagnostik. In Göttingen wird die Blickregistrierung mit Hilfe der Eyetracking-Methode<br />
zur indirekten Erfassung der sexuellen Präferenz anhand des<br />
Blickverhaltens der Probanden beim Betrachten störungsrelevanter sexueller Stimuli<br />
untersucht. Ausgehend von der Hypothese, dass sexuell deviante Probanden<br />
sich von nicht devianten Probanden hinsichtlich des Blickverhaltens beim Betrachten<br />
sexuell relevanter Stimuli unterscheiden, werden entsprechende Studien auch<br />
mit Probanden mit Pädophilie durchgeführt. Um auf die beteiligten neurobiologischen<br />
Korrelate rückschließen zu können, wurde in einer Pilotstudie das Eyetracking-Verfahren<br />
mit der funktionellen Magnetresonanztomographie korreliert.<br />
Dabei konnten Korrelationen zwischen Hirnaktivierungsmustern <strong>und</strong> bestimmten<br />
Blickrichtungen <strong>und</strong> Fixationen aufgezeigt werden.<br />
III. Schuldfähigkeitsbeurteilung bei Sexualstraftätern<br />
§ 20 StGB definiert die Schuldunfähigkeit in Folge einer psychiatrischen Störung:<br />
„Ohne Schuld handelt, wer bei der Begehung der Tat wegen einer krankhaften<br />
seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen<br />
Schwachsinns oder wegen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit unfähig<br />
ist, das Unrecht der Tat einzusehen <strong>und</strong> nach dieser Einsicht zu handeln“. Im<br />
zweistufigen System der Schuldfähigkeitsbeurteilung ist zunächst eine psychiatrische<br />
Diagnose zu stellen <strong>und</strong> diese unter das juristische Eingangsmerkmal zu subsumieren.<br />
In einem zweiten Schritt ist die durch die Störung im Sinne des Eingangsmerkmals<br />
bedingte Beeinträchtigung der Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit<br />
zu diskutieren. So sind die auf einer Hirnpathologie beruhenden devianten Störungen<br />
unter das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zu subsumieren.<br />
Häufiger treten Sexualstraftaten auch infolge einer unter das Eingangsmerkmal<br />
des Schwachsinns zu subsumierenden Minderbegabung auf. Während Sexualstraftaten<br />
infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung kaum vorkommen, ist jedoch<br />
das Gros der Störungen der Sexualpräferenz unter das vierte Eingangsmerkmal<br />
der schweren anderen seelischen Abartigkeit zu subsumieren, sofern der<br />
Schweregrad der Störung hinreichend ausgeprägt ist. Hierzu genügt es nicht, dass<br />
einzelne Missbrauchshandlungen zum Nachteil von Kindern begangen wurden,<br />
auch die Diagnose einer Pädophilie ist noch nicht hinreichend, die geforderte forensische<br />
Erheblichkeit zu begründen. Um das Merkmal der schweren anderen<br />
seelischen Abartigkeit zu erfüllen, müssen darüber hinaus auch Alltagsgestaltung,<br />
Lebenswirklichkeit <strong>und</strong> soziale Bezüge hinreichend schwer beeinträchtigt sein.<br />
Dies bedeutet, dass die Pathologie sich nicht nur im Tatgeschehen erkennen lassen<br />
darf, sondern darüber hinaus die gesamte Lebensgestaltung <strong>und</strong> den Lebensweg<br />
des Betroffenen erheblich beeinträchtigt.