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Raumfahrt<br />
SpaceShipTwo<br />
Seit September 2016 ist die VSS Unity<br />
wieder in der Luft, hier mit dem<br />
Trägerflugzeug VSM Eve gekoppelt.<br />
Fotos: Virgin Galactic, Reuters<br />
Kohlefaser-Verbundwerkstoffen. Wie die<br />
X-15, die Flüge in ähnlich große Höhen<br />
unternahm, wurde das SS2 mit kleinen<br />
Gasdüsen ausgestattet, um die Fluglage<br />
ohne Ruderkontrolle stabilisieren zu<br />
können. Beim Wiedereintritt mit mehrfacher<br />
Schallgeschwindigkeit kann das<br />
Flugzeug sonst ins Trudeln geraten. Um<br />
das zu verhindern, verfügt das neue SS2<br />
wie sein Vorgänger über einen Klappflügel.<br />
Er soll dafür sorgen, dass sich das<br />
Flugzeug trotz der dünnen Höhenluft<br />
wie ein Federball in eine stabile Lage für<br />
den Wiedereintritt begibt. Dazu werden<br />
die beiden Leitwerksträger einschließlich<br />
des Leitwerks um 90 Grad nach<br />
oben gedreht.<br />
EIN UNFALL WIE 2014 SOLL<br />
NICHT MEHR PASSIEREN<br />
Gebaut wurde das zweite, auf den Namen<br />
„VSS Unity“ getaufte Raketenflugzeug<br />
von der Virgin-Galactic-Tochter<br />
The Spaceship Company (TSC) und<br />
nicht mehr von Scaled Composites. Bei<br />
der VSS Unity setzen die Ingenieure zudem<br />
auf stärkere Automatisierung, denn<br />
in der Vorgängerversion war die Arbeitsbelastung<br />
der Piloten sehr hoch: So<br />
musste nach Zündung des Triebwerks<br />
nicht nur das Flugzeug stabil gehalten,<br />
sondern auch zwischen Mach 1.2 und<br />
1.4 der Federmechanismus des Klappflügels<br />
getestet werden. Am 31. Oktober<br />
2014 unterlief dem Copiloten Mike Alsbury<br />
dabei ein folgenschwerer Fehler.<br />
Kameraaufnahmen im Cockpit zeigen,<br />
wie er zu früh den Klappflügel entriegelte,<br />
noch vor Durchbrechen der Schallmauer.<br />
Zu diesem Zeitpunkt wird die<br />
Belastung der Scharniere besonders<br />
groß. Ohne die Arretierung klappte der<br />
Rumpf der VSS Enterprise nach unten<br />
ab, bevor er zerbrach. Alsbury starb bei<br />
dem Unglück, der Pilot Peter Siebold<br />
überlebte schwer verletzt. Im neuen SS2<br />
wurde dem Federmechanismus als Konsequenz<br />
ein kleines, aber entscheidendes<br />
Detail hinzugefügt: Die Sperre, die ein<br />
Schwenken des Leitwerksträgers verhindert,<br />
ist nun mit einem Stift gegen vorzeitiges<br />
Auslösen gesichert.<br />
Virgin Galactic strebt an, das neue<br />
Raumschiff bei der US-Flugsicherheitsbehörde<br />
FAA wie ein reguläres Flugzeug<br />
zuzulassen. Darauf hatte man beim Vorgänger<br />
im Sinne einer möglichst unbürokratischen<br />
Entwicklung verzichtet. Damals<br />
beschränkten sich die Regeln<br />
hauptsächlich auf die Sicherheit der Bevölkerung,<br />
nicht die der Piloten. Auch<br />
das hatte den Unfall 2014 begünstigt.<br />
Die VSS Unity absolvierte seit September<br />
2016 vier sogenannte Captive-<br />
Carry-Tests, bei denen sie mit dem Trägerflugzeug<br />
WhiteKnightTwo gekoppelt<br />
blieb. Im Dezember folgten zwei freie<br />
Gleitflüge. Für die Tests setzte das Trägerflugzeug<br />
die VSS Unity in rund 15<br />
Kilometern Höhe aus – von hier aus soll<br />
sie später einmal Richtung Weltraum<br />
starten. Das verkürzt nicht nur den Weg,<br />
der geringe Luftdruck macht auch das<br />
Raketentriebwerk effizienter und erlaubt<br />
so größere Gewichtsmargen bei der<br />
Konstruktion. Beim etwa zehn Minuten<br />
dauernden Test-Gleitflug zur Landebahn<br />
in der Mojave-Wüste erreichte die VSS<br />
Unity eine Geschwindigkeit von Mach<br />
0.6. Wie viele solcher Gleitflüge Virgin<br />
Galactic durchführen will, darüber hält<br />
sich das Unternehmen des britischen<br />
Milliardärs Richard Branson bedeckt. Es<br />
scheint, als wolle man nicht die Fehler<br />
der Vergangenheit wiederholen und die<br />
Erprobung durch einen zu straffen Zeitplan<br />
gefährden. Klar ist nur: Die nächste<br />
Phase im Testprogramm sieht raketengetriebene<br />
Flüge vor.<br />
Virgin Galactic vertraut auch bei der<br />
VSS Unity auf ein Hybridtriebwerk: Ein<br />
fester Treibstoff verbrennt mit einem<br />
eingespritzten Oxidator. Ohne den Oxi-<br />
78 <strong>FLUG</strong> <strong>REVUE</strong> April <strong>2017</strong><br />
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