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gangart 08

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Im Jahr 2020 werden es – so vorsichtige<br />

Prognosen – bereits 50 Milliarden<br />

sein. Dinge, nicht Menschen.<br />

„Auf künstliche Intelligenz<br />

gibt es nur zwei Reaktions-<br />

Wir leben heute in einem riesigen<br />

möglichkeiten: Künstliche<br />

Gewebe aus Möglichkeiten – dem<br />

World Wide Web. Der „Web-Stuhl“ des<br />

21. Jahrhunderts wird nur anders<br />

(nämlich englisch) ausgesprochen<br />

und liegt in der sogenannten „Cloud“,<br />

einer Wolke aus Computern, deren<br />

Rechenkapazitäten über das Netz wie<br />

sierten notwendig wird.“<br />

Services zu mieten sind. Sie macht<br />

möglich, dass die intelligente Fabrik<br />

Stephan A. Jansen<br />

von heute an keinem konkreten Ort<br />

stehen muss, weil sich zum Beispiel<br />

eine Gießerei, ein Elektrobetrieb und<br />

ein Fertigungsbetrieb einer Region zu<br />

einem virtuellen Gefüge vernetzen.<br />

Das könnte eine Chance für kleine Unternehmen sein, wenn sie ihren Platz<br />

in diesen neuen digitalen Wertschöpfungsketten finden. Diese Vernetzung<br />

kann im privaten Bereich aber auch bedrohlich werden, wenn auf einmal<br />

der Kühlschrank bestimmt, wann ich Bier bekomme und wann nicht. Manche<br />

mögen es im Einzelfall als eine Entlastung erleben, nicht mehr selbst<br />

nachdenken zu müssen. Aber wie weit geht das? Entscheidet irgendwann<br />

das Internet der Dinge auch darüber, was ich lesen, was ich denken und woran<br />

ich mich erinnern soll? Können wir Emotionen in Beziehungen ausleben,<br />

die vom Computer gesteuert werden? Was machen eingeblendete Zusatzinformationen<br />

mit unserer Fähigkeit zu sehen? Das sind Fragen, um die es<br />

kein Herumnavigieren gibt.<br />

Dummheit oder menschliche<br />

Intelligenz ... Sie beginnt<br />

da wo Kreativität im Nichtwissen,<br />

im Nicht-Regelba-<br />

Der Techniksoziologe Ortwin Renn nennt drei generelle Befürchtungen<br />

im Zusammenhang mit Robotern und der fortschreitenden Digitalisierung:<br />

Arbeitsplatzverlust, Beziehungsverlust und Kontrollverlust. Gerade<br />

Letzterer scheint mit dem Vernetzungsgrad unserer Welt exponentiell zu<br />

wachsen. Weil langsam die Maschinen das Kommando übernehmen und uns<br />

Menschen vorschreiben, was wir lesen, tun und fühlen sollen. Dass viele<br />

Menschen gegenüber Robotern mit ihrer vermeintlichen Intelligenz zu übertriebenem<br />

Gehorsam neigen, macht diese Situation noch brisanter, wie Alan<br />

R. Wagners Experimente zeigen. Dabei geleitete ein Roboter die Versuchspersonen<br />

in einen Raum, in dem sie Aufgaben bearbeiten sollten. Während<br />

die Probanden grübelten, füllten die Forscher die Flure des Gebäudes mit<br />

künstlichem Qualm und lösten Feueralarm aus. Der Roboter, an dem nun in<br />

roter Schrift „Emergency Guide Robot“ leuchtete, erbot sich als Führer. Die<br />

Probanden hätten das Gebäude einfach auf dem Weg verlassen können, auf<br />

dem sie gekommen waren. Doch sie folgten dem Roboter, auch wenn dieser<br />

im Kreis herumfuhr oder sie in einen dunklen Abstellraum ohne erkennbare<br />

Türe führte.<br />

Künstliche Intelligenz: Antworten, ohne zu antworten<br />

In den 1950er-Jahren versucht der britische Mathematiker Alan Turing,<br />

einen messbaren Grundstein für künstliche Intelligenz zu legen. Sein<br />

„Turing-Test“ genanntes Verfahren besteht aus einem Chat, bei dem die Testperson<br />

mit zwei anonymen Gesprächspartnern via Tastatur und Bildschirm<br />

kommuniziert. Wenn die Testperson nicht mehr unterscheiden kann, wer<br />

von den beiden Mensch oder Maschine ist, dann hat der Rechner den Turing-<br />

Test bestanden. Was er dabei übersieht, ist, dass es einen grundsätzlichen<br />

Unterschied zwischen „intelligent sein“ und „Intelligenz<br />

simulieren“ gibt und dass die Stärke seiner Simulationsmaschinen<br />

gerade darin liegt, dass sie dumm sind und<br />

sie sich mit keinem störenden Bewusstsein herumschlagen<br />

müssen.<br />

Noch einen Schritt weiter geht der Informatiker Joseph<br />

Weizenbaum im Jahr 1966 mit seinem selbst entwickelten<br />

Programm Eliza, das auf humorvolle Weise illustriert,<br />

wie ein Rechner menschliche Sprache verarbeiten kann.<br />

Dabei parodierte er Sitzungen der Gesprächspsychotherapie<br />

– und war schockiert, als er feststellen musste, dass<br />

Menschen schon nach kurzer Zeit eine große Nähe zu<br />

ihrem Gegenüber entwickelten und bereit waren, beim<br />

Interagieren mit diesem simplen Algorithmus sehr intime<br />

Dinge von sich preiszugeben.<br />

50 Jahre später gehören sogenannte Bots – Programmminiaturen,<br />

die im Netz automatisiert Aufgaben erledigen<br />

– zu unserem Alltag. Soziale Bots werden eingesetzt, um<br />

mit Nutzern zu interagieren, automatische Antworten zu<br />

setzen, aber auch, um Botschaften in präzise definierten<br />

Zielgruppen zu verbreiten. So kommt eine Untersuchung<br />

der Universität Oxford zu dem Ergebnis, dass nach dem<br />

ersten TV-Duell zwischen Hillary Clinton und Donald<br />

Trump jeder dritte Tweet (37,2% der Kurznachrichten) für<br />

Trump von Computern fabriziert war. Das ist alarmierend,<br />

weil es für normale Benutzer nicht mehr erkennbar<br />

ist, ob ein Beitrag in sozialen Medien wie Twitter von<br />

einer natürlichen Person stammt oder von einer Maschine,<br />

und damit grundlegende, demokratische Meinungsbildungsprozesse<br />

an Algorithmen vergeben werden. Die<br />

Pikanterie daran ist die, dass soziale Medien im Netz<br />

einmal als die großen Demokratieerneuerer gehandelt<br />

wurden. Sind das die Effekte, die sich einstellen, wenn<br />

die Simulation die Intelligenz innen überholt?<br />

Bei näherem Hinsehen liegt der ganzen Debatte um<br />

künstliche Intelligenz wohl eine falsche Grundannahme<br />

zugrunde, dass nämlich biologische und elektronische<br />

Systeme „ähnlich“ arbeiten und unser Gehirn bestenfalls<br />

wie eine Maschine funktioniert. Der italienische Philosoph<br />

Roberto Casati meint, dass wir gut daran täten,<br />

unsere Vorstellungen von Intelligenz zu überdenken:<br />

„Autofahren galt immer als besonders komplexe Aufgabe,<br />

und das ist es ja auch. Inzwischen kommt auch das Google<br />

Car gut durch den Straßenverkehr. Doch es ist nicht intelligent,<br />

es hat eine komplexe Software, die eine Vielzahl von<br />

Situationen erkennen kann und den Wagen eine bestimmte<br />

Reaktion auf einen bestimmten Reiz ausführen lässt. Diese<br />

Inputs bestehen aus telemetrischen Daten. Es regnet, etwas<br />

liegt auf der Fahrbahn herum, da bewegt sich was und so<br />

weiter. Das alles wird vom System registriert und verarbeitet.<br />

Dieses adaptive Verhalten ist keine Intelligenz. Das gilt<br />

auch für Programme, mit denen man Barockmusik in der<br />

Art von Bach komponieren kann. Das ist findige Imitation,<br />

nicht Intelligenz.“<br />

> Fortsetzung nächste Seite<br />

<strong>gangart</strong> 13

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