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28 DRACHEN|März 2017<br />

rätst, was du hast.“ Nachdem sie ihm alles erzählt hatte,<br />

sprach Georg: „Tochter, lass ab von der Furcht, da ich im<br />

Namen Christi dir beistehen werde.“ Sie wiederum: „Wackerer<br />

Soldat, eile, dich selbst zu retten, nicht sollst du<br />

mit mir zu Grunde gehen! Denn es reicht, wenn ich allein<br />

sterbe. Denn du könntest mich nicht retten und würdest<br />

mit mir vernichtet.“<br />

Während sie dies sprachen, siehe, da kam der Drache heran<br />

und hob seinen Kopf aus dem See. Dann sprach das<br />

Mädchen, bebend vor Furcht: „Fliehe, guter Herr, fliehe<br />

sogleich!“ Darauf bestieg Georg sein Ross; und indem er<br />

sich mit dem Kreuz schützte, sprengte er kühn dem Drachen<br />

entgegen, der sich auf ihn zu wälzte, schleuderte<br />

mutig seine Lanze und voll Gottvertrauen verwunderte<br />

er das Untier schwer, stieß es zu Boden und rief zu dem<br />

Mädchen: „Wirf deinen Gürtel ohne Zögern um den Hals<br />

des Drachen, Tochter!“ Nachdem sie dies gemacht hatte,<br />

folgte er ihr wie ein völlig zahmer Hund. Als sie ihn nun<br />

in die Stadt führte, begannen die Menschen bei diesem<br />

Anblick auf die Berge und Hügel zu fliehen, kreischend:<br />

„Wehe uns, denn nunmehr werden wir alle umkommen.“<br />

Da winkte ihnen der heilige Georg zu und rief: „Fürchtet<br />

euch nicht, denn aus diesem Grunde hat mich der Herr<br />

zu euch gesandt, dass ich euch vom Schrecken des Drachen<br />

befreie. Glaubt nur an Christus, und ein jeder von<br />

euch empfange die Taufe, und ich werde diesen Drachen<br />

da töten.“<br />

Sodann ließen sich der König und alle Menschen taufen.<br />

Der heilige Georg aber zückte sein Schwert, hieb den Drachen<br />

nieder und ließ ihn aus der Stadt schaffen. Dann zogen<br />

ihn vier Ochsenpaare auf ein großes Feld außerhalb.<br />

An jenem Tag wurden zwanzigtausend getauft, ausgenommen<br />

Kinder und Frauen. Der König aber ließ zu Ehren der<br />

heiligen Maria und des heiligen Georg eine Kirche von<br />

wunderbarer Größe errichten. Aus deren Altar strömt eine<br />

lebendige Quelle. Ein Schluck daraus vermag alle Kranken<br />

zu heilen. Der König aber bot unermesslich viel Geld dem<br />

heiligen Georg an, welches jener nicht annehmen wollte;<br />

so ließ er es an die Armen verteilen.<br />

Essay<br />

Johannes Schmid<br />

Geb. 1966, Studium der klassischen Philologie in Wien. Unterrichtet<br />

Latein/Griechisch im Stiftsgymnasium Melk und Priesterseminar<br />

St.P., schreibt Prosa und Lyrik. Im LitGes-Vorstand seit 2006.<br />

Mehrere Veröffentlichungen im <strong>etcetera</strong> und LOG.

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