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44 DRACHEN|März 2017<br />
Peter Paul Wiplinger<br />
Du böses Kind<br />
Prosa<br />
schreit auf du böses kind schreit auf ich schlage dich noch windelweich<br />
und schlag auf schlag brennt dann die wange brennt<br />
das gesicht schreit auf das wirst du mir noch büßen du bengel<br />
du du taugenichts du tunichtgut du ärgerst mich nicht noch<br />
einmal und klatsch da hast du eine das wirst du dir noch merken<br />
ein leben lang das sag ich dir das tust du mir nie wieder<br />
kehr jetzt die scherben auf und wisch das wasser weg dann<br />
kommst du in den keller und das auf niemehrwiedersehen erst<br />
wenn ich dich am abend rufe und ab ins bett dann ohne abendbrot<br />
nur mit dem nachtgebet und daß du alle um verzeihung<br />
bittest den lieben gott die heilige maria und deinen schutzengel<br />
und auch noch mich dann liegst du regungslos im dunkeln<br />
die gitterstäbe trennen dich vom raum und durch das fenster<br />
kommt die kälte die decke hat sie dir noch weggenommen damit<br />
du frierst und nicht vergißt was du getan jahrzehnte später<br />
meidest du den keller fürchtest du das dunkel du haßt fast alle<br />
frauen und kannst nicht lachen wie die andern du schüttest<br />
wein in dich hinein du gehst zu bett auch ohne abendbrot und<br />
fernsehbilder flimmern grell bis in die tiefe nacht du schlägst<br />
dein kind genauso wie sie dich geschlagen und schreist es an<br />
das tust du mir nie wieder und schreist es an das wirst du dir<br />
noch merken bis an dein lebensende und bringe keinen deiner<br />
freunde mit ins haus und komm nie später als die fünf minuten<br />
die wir ausgemacht und lümmle nicht bei tisch und rede<br />
nur wenn du gefragt und sei nicht frech verschwinde in dein<br />
zimmer und laß so schnell dich nicht mehr blicken erst mußt<br />
du lernen zu gehorchen dann kannst du eine eigene meinung<br />
haben erst mußt du etwas leisten dann kannst du reden vorher<br />
nicht und überhaupt mir sagst du gar nichts ich höre dir<br />
nicht zu und überhaupt scher dich zum teufel du bist wie deine<br />
mutter und überhaupt wer glaubst du wer dich füttert hier an<br />
diesem tisch und wer dich aufgezogen hat und alles zahlt und<br />
wer sich täglich schindet nur für dich daß du es besser hast<br />
als ich denn ich hab nichts gehabt zu meiner zeit und keinen<br />
mucks durfte ich machen als ich so alt war wie du jetzt und<br />
komm mir nicht mit andern zeiten und dem gewäsch von einer<br />
andern welt ihr seid doch alle gleich schmarotzer seid ihr alle<br />
nervensägen und frech noch obendrein du kannst gleich eine<br />
haben da bist du mir noch nicht zu alt und klatsch sitzt eine<br />
auf der wange und klatsch brennt das gesicht und dazu schreit<br />
er noch in einem fort du böser bengel du und taugenichts du<br />
böses kind du böses kind<br />
Peter Paul Wiplinger<br />
Geb. 1939 in Haslach, Oberösterreich. Schriftsteller und künstlerischer<br />
Fotograf. Lebt seit 1960 in Wien. Studium der Theaterwissenschaft,<br />
Germanistik und Philosophie. Vorwiegend Lyriker,<br />
aber auch Kulturpublizist und Prosa-Schriftsteller. Bisher 46 Buchpublikationen<br />
in 20 Sprachen und hunderte Beiträge in Zeitungen,<br />
Zeitschriften und Anthologien sowie Rundfunksendungen im<br />
In- und Ausland. Weitere Informationen unter www.wiplinger.eu<br />
www.wiplinger.at.tf