Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...
Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...
Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
zu entfalten versucht und dabei eucharistische<br />
Frömmigkeit, Taufe und Heiligung thematisiert,<br />
um die neuzeitliche Frage nach<br />
dem wahren Selbst theologisch ver- und beantworten<br />
zu können. Nicht von ungefähr ist<br />
er dabei an den elementaren Stationen haften<br />
geblieben, auf die auch der Wittenberger Altar<br />
Cranachs h<strong>in</strong>weist. E<strong>in</strong>e erkennenswerte<br />
Nachhaltigkeit der Studie Pannenbergs ist<br />
aber kaum zu erkennen (gewesen).<br />
Muss dies als H<strong>in</strong>weis genommen werden, dass<br />
als kritischste Klientel des anstehenden Jubiläums<br />
<strong>in</strong>sbesondere die Pfarrer<strong>in</strong>nen- und Pfarrerschaft<br />
wahrzunehmen ist – nämlich als die<br />
Gruppe derer, die bisher am wenigsten empf<strong>in</strong>den,<br />
dass eben dies Jubiläum ihre Identität wie<br />
die der Geme<strong>in</strong>de stärken könnte? Mit moralischen<br />
Appellen dürfte wenig auszurichten se<strong>in</strong>.<br />
Ekklesiogene Plausibilität ist nur über Sachthemen<br />
zu gew<strong>in</strong>nen, welche das Leben treffen und<br />
betreffen. Auch hier mag wieder das Bildprogramm<br />
des Wittenberger Altars – andere Bilder<br />
s<strong>in</strong>d denkbar – sprechen: Denn er verweist auf<br />
die Lebensl<strong>in</strong>ien evangelischer <strong>Kirche</strong> seit der<br />
Reformation – Erziehung, Geme<strong>in</strong>schaft, Ordnung<br />
und Lehre – und b<strong>in</strong>det diese zurück an<br />
ihren biblischen Grund. Jeder dieser Begriffe ist<br />
nach 500 Jahren erläuterungsbedürftig, aber<br />
auch erläuterungsfähig. Damit erschließt sich<br />
e<strong>in</strong>e elementare <strong>Kirche</strong>ndidaktik, die der Vergewisserung<br />
evangelischer <strong>Kirche</strong> dient und ihr<br />
zugleich ans Herz legt, so selbstkritisch wie programmatisch<br />
die vier Bereiche ihres eigenen<br />
Wesens und Handelns zu bedenken, eben:<br />
▶ Taufe und Bildung,<br />
▶ versammelte (Abendmahls-)Geme<strong>in</strong>de<br />
und ökumenische <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>schaft,<br />
▶ Frömmigkeitsformen und Ethik, <strong>in</strong>nere<br />
Ordnung der <strong>Kirche</strong> und gesellschaftliche<br />
Prägekraft nach außen, schließlich<br />
▶ persönlich verantwortete theologische Lehre<br />
und S<strong>in</strong>ndiskurs der Religionen und<br />
Weltanschauungen.<br />
Die Altarbilder des Lucas Cranach sprechen<br />
dazu mit eigener Stimme ihre eigene<br />
Botschaft. Sollte ihre historische Botschaft<br />
hörbar geworden se<strong>in</strong>, dann wäre nicht nur<br />
die Bilddidaktik e<strong>in</strong>es Altars beschrieben,<br />
sondern auch der Historie der evangelischen<br />
<strong>Kirche</strong> (und ihrer Erforschung!) e<strong>in</strong> Weg <strong>in</strong><br />
die Zukunft gebahnt, ja gewiesen. Ausgehend<br />
vom Jahre 1517 wird e<strong>in</strong>e spezifische Gestalt<br />
von <strong>Kirche</strong> Ereignis, deren Momentaufnahme<br />
dreißig Jahre später (1547) ich versucht<br />
habe zu beschreiben. Hier aber – im Zentrum<br />
der gottesdienstlichen Geme<strong>in</strong>de – wird anschaulich,<br />
worauf die <strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong><br />
gründet, was sie stärkt und leitet.<br />
Ist von daher e<strong>in</strong>e Antwort auf die Leitfrage<br />
des Symposions – Wem gehört die Reformation?<br />
– möglich? Ich denke ja. Freilich nicht<br />
<strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass die Reformation der <strong>Evangelische</strong>n<br />
<strong>Kirche</strong> gehörte – als quasi unverlierbarer<br />
Besitz. Sondern <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass<br />
<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirche</strong> nur ist, wenn sie wird, d.<br />
h., wenn sie sich an den Handlungsvollzügen<br />
der reformatorischen Geme<strong>in</strong>de orientiert.<br />
Kurz gesagt: Die Reformation gehört nicht<br />
der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong>, sondern die <strong>Evangelische</strong><br />
<strong>Kirche</strong> gehört zur Reformation –<br />
heute noch und wieder! ◀<br />
apl. Prof. Dr. Johannes Ehmann,<br />
Wissenschaftlich-Theologisches Sem<strong>in</strong>ar<br />
der Universität Heidelberg<br />
Quelle: Der Aufsatz ersche<strong>in</strong>t im nächsten Jahr <strong>in</strong>:<br />
Günter Frank/Volker Lepp<strong>in</strong>/Herman J. Selderhuis<br />
(Hg.), Wem gehört die Reformation? Nationale und<br />
konfessionelle Dispositionen der Reformationsdeutung<br />
(Herder-Verlag Freiburg i.Br. , 2013). Abdruck<br />
mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber.<br />
1 Vgl. die Beiträge des Sammelbandes: Joachim Ott, Mart<strong>in</strong><br />
Treu (Hg.), Luthers Thesenanschlag – Faktum oder Fiktion,<br />
Leipzig 2008 (Schriften der Stiftung Luthergedenkstätten <strong>in</strong><br />
Sachsen-Anhalt 9).<br />
2 Vgl. dazu die Beiträge des Sammelbandes: W<strong>in</strong>fried Müller<br />
(Hg.) <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Wolfgang Flügel, Iris Loosen, Ulrich<br />
Rosseaux, Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung<br />
und Inszenierungsgeschichte e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Mechanismus, Münster 2004 (Geschichte: Forschung<br />
25.06.1580<br />
KONKOrDIENbuCh<br />
50 Jahre nach der Veröffentlichung des Augsburger Bekenntnisses<br />
ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> Dresden das Konkordienbuch. Es enthält die drei altkirchlichen<br />
Bekenntnisse, die Confessio Augustana, die Schmalkaldischen<br />
Artikel, den Großen und den Kle<strong>in</strong>en Katechismus. 86 Reichsstände und<br />
fast 10 000 Theologen unterschreiben das geme<strong>in</strong>same Bekenntnis.<br />
DIMENSIONEN<br />
und Wissenschaft 3). In diesem Band widmet sich <strong>in</strong>sb.<br />
Wolfgang Flügel der Beschreibung der Zeitkonstrukte im<br />
Reformationsjubiläum, ebd. 77-99. Dort auch die zutreffende<br />
Beschreibung (101) des historischen Jubiläums: „Se<strong>in</strong> Wesen<br />
besteht dar<strong>in</strong>, dass die jeweilige Institution […] sich mit se<strong>in</strong>er<br />
Hilfe die Schlüsselereignisse ihrer eigenen Vergangenheit <strong>in</strong><br />
feierlicher Form vergegenwärtigt. Sehr oft geht es dabei um<br />
das Gründungsgeschehen, welches er<strong>in</strong>nert und hierdurch<br />
für die Gegenwart mit aktuellem S<strong>in</strong>n erfüllt wird, von dem<br />
wiederum e<strong>in</strong> Geltungsanspruch für die Zukunft abgeleitet<br />
wird. Jubiläen tragen auf diese Weise zur Stiftung bzw.<br />
Stabilisierung kollektiver Identität bei.“<br />
3 Hartmut Lehmann, Die Deutschen und ihr Luther,<br />
FAZ Nr. 199 vom 26. 8. 2008, 7.<br />
4 Vgl. ders., Unterschiedliche Erwartungen an<br />
das Reformationsjubiläum, BThZ 28/1 (2011), 16-27.<br />
5 Vgl. wieder FAZ 2008. Ich zitiere Lehmann als Exempel<br />
derzeit gängiger Vorstellungen. E<strong>in</strong>e Diskussion se<strong>in</strong>er<br />
vielleicht allzu grob gerasterten Wahrnehmungen kann<br />
und muss hier unterbleiben.<br />
6 Zum Wittenberger Stadtkirchenaltar vgl. Thomas<br />
Packeiser, Pathosformel e<strong>in</strong>er „christlichen Stadt“?<br />
Ausgleich und Heilsanspruch im Sakramentsretabel der<br />
Wittenberger Stadtpfarrkirche, <strong>in</strong>: Andreas Tacke (Hg.) <strong>in</strong><br />
Verb<strong>in</strong>dung mit Stefan Rhe<strong>in</strong> und Michael Wiemers, Lucas<br />
Cranach d. Ä.<br />
Zum 450. Todesjahr, Leipzig 2007 (Schriften der Stiftung<br />
Luthergedenkstätten <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt 7), 233-275; Doreen<br />
Zerbe, Bekenntnis und Memoria. Zur Funktion lutherischer<br />
Gedächtnisbilder <strong>in</strong> der Wittenberger Stadtkirche St. Marien,<br />
ebd. 327-342; auch: Albrecht Ste<strong>in</strong>wachs, Der Reformationsaltar<br />
von Lucas Cranach d. Ä. <strong>in</strong> der Stadtkirche St. Marien,<br />
Lutherstadt Wittenberg, Spröda 1998.<br />
7 Vgl. Anmerkung 6, v. a. 236. Die particula veri der<br />
Behauptung Packeisers liegt freilich <strong>in</strong> der unbestreitbaren<br />
Bedeutung der Buße, der Beichte und des Schlüsselamtes,<br />
wie sie auch <strong>in</strong> ihrer Wiederaufnahme (gegenüber der<br />
Erst fassung des Kle<strong>in</strong>en Katechismus 1529) als faktisch<br />
sechstes Hauptstück (zwischen Taufe und Abendmahl)<br />
<strong>in</strong> die lutherischen Katechismen <strong>zum</strong> Ausdruck kommt.<br />
8 Vgl. Helmar Junghans, Mart<strong>in</strong> Luther und Wittenberg,<br />
München/Berl<strong>in</strong> 1996, 118.<br />
9 Wittenbergische Reformation. 1545, <strong>in</strong>: Emil Sehl<strong>in</strong>g, Die<br />
evangelischen <strong>Kirche</strong>nordnungen des 16. Jahrhunderts I/1,<br />
Leipzig 1902, 209-222. Die <strong>Kirche</strong>nordnung ist unterzeichnet<br />
von Luther, Bugenhagen, Cruciger („Creutziger“), Maior und<br />
Melanchthon („Melanthon“).<br />
10 Ebd. 209.<br />
11 Philipp Melanchthon, Heubtartikel Christlicher Lere.<br />
Melanchthons deutsche Fassung se<strong>in</strong>er Loci Theologici,<br />
nach dem Autograph und dem Orig<strong>in</strong>aldruck von 1553 hg.<br />
von Ralf Jenett und Johannes Schill<strong>in</strong>g, Leipzig 2002.<br />
12 Ebd. 327,8-30.<br />
13 Ebd. 328,16-32.<br />
14 Vgl. etwa die pommersche <strong>Kirche</strong>nordnung (1535):<br />
Johannes Bugenhagen, Die pommersche <strong>Kirche</strong>nordnung.<br />
Text mit Übersetzung, Erläuterungen und E<strong>in</strong>leitung, hg.<br />
von Norbert Buske, Berl<strong>in</strong> 1985.<br />
15 Thomas Kaufmann, Das Bekenntnis im Luthertum des<br />
konfessionellen Zeitalters, ZThK 105 (2008), 281-314; 219f.<br />
16 Wolfhart Pannenberg, Christliche Spiritualität. Theologische<br />
Aspekte, Gött<strong>in</strong>gen 1986 (KVR 1519).<br />
1598<br />
EDIKT VON NANTES<br />
Das Edikt soll die Verfolgung von Protestanten<br />
<strong>in</strong> Frankreich beenden. Sie werden mit den<br />
Katholiken zivilrechtlich gleichgestellt. In der<br />
Folge gew<strong>in</strong>nt der Calv<strong>in</strong>ismus <strong>in</strong> Frankreich an<br />
gesellschaftlichem E<strong>in</strong>fluss.<br />
Reformationsjubiläum 2017 47