Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...
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DEBATTEN<br />
Haben Katholiken am Reformationsjubiläum<br />
2017 etwas zu feiern?<br />
Das Lutherbild ist katholischerseits nach Jahrhunderten der Polemik korrigiert worden.<br />
Von Bischof Joachim Wanke<br />
Zehn Jahre nach der Unterzeichnung der „Geme<strong>in</strong>samen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zwischen Lutherischem Weltbund<br />
und der römisch-katholischen <strong>Kirche</strong>: Ökumenischer Festgottesde<strong>in</strong>st am 31. Oktober 2009. Im Bild im Schluss-Segen die damaligen<br />
Amts<strong>in</strong>haber: Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich, der methodistische Altbischof Walter Klaiber, der Präsident des<br />
Päpstlichen Rates zur Förderung der E<strong>in</strong>heit der Christen, Kurienkard<strong>in</strong>al Walter Kasper, der Generalsekretär des Lutherischen<br />
Weltbundes (LWB), Ishmael Noko, und der Augsburger Bischof Walter Mixa (v. l. n. re.).<br />
Me<strong>in</strong>e Antwort lautet: Ne<strong>in</strong>. Wir katholische<br />
Christen können und wollen der Reformation<br />
gedenken. Wir wollen sie besser zu verstehen<br />
suchen, ihre handelnden Personen, ihre leitenden<br />
Ideen, ihre geschichtlichen Auswirkungen.<br />
Aber feiern wollen wir 2017 nicht. Kann<br />
man die verlorene E<strong>in</strong>heit der <strong>Kirche</strong> feiern?<br />
Das schließt nicht aus, dass es Elemente<br />
e<strong>in</strong>er katholischen Mitwirkung bei e<strong>in</strong>zelnen<br />
Gedenk<strong>in</strong>itiativen im Blick auf 2017 geben<br />
kann. E<strong>in</strong>e katholische Mitwirkung wird freilich<br />
vom Charakter des Reformationsgedenkens<br />
abhängen. Ist es e<strong>in</strong>e Jubelfeier, die im<br />
Blick auf die damaligen Geschehnisse das eigene<br />
konfessionelle Profil verstärken soll –<br />
oder ist es e<strong>in</strong>e Bes<strong>in</strong>nung, die Wege <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
wiederzugew<strong>in</strong>nende E<strong>in</strong>heit der Christen<br />
eröffnen will?<br />
88<br />
Reformationsjubiläum 2017<br />
Die Er<strong>in</strong>nerung an das damalige Geschehen<br />
vor 500 Jahren erfolgt nicht im luftleeren<br />
Raum. Ich schaue zunächst auf den geistigen<br />
Kontext, <strong>in</strong> dem gegenwärtig der Reformation<br />
gedacht werden soll, und schließe dann<br />
kurze Überlegungen an, wie dieses Gedenken<br />
e<strong>in</strong>e ökumenische Dimension gew<strong>in</strong>nen<br />
könnte.<br />
1. Der gegenwärtige Horizont<br />
des Reformationsgedenkens<br />
1. Reformationsgedenken angesichts e<strong>in</strong>er<br />
religiösen Horizontverschiebung<br />
Wenn die Gegenwartsbedeutung und<br />
auch die weitere Auswirkung der Reformation<br />
<strong>in</strong> den Blick kommen soll, muss der<br />
grundlegend veränderte religiöse Horizont<br />
der heutigen Zeit bedacht werden.<br />
Luther war durch und durch e<strong>in</strong> homo<br />
religiosus. Se<strong>in</strong>e Botschaft kam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen<br />
und kirchlichen Situation zur<br />
Wirkung, die von e<strong>in</strong>em fraglos vorgegebenen<br />
Gotteshorizont bestimmt war. Nicht die<br />
Gottesexistenz stand zur Disposition, sondern<br />
das Gottesverhältnis. Genauer: Es g<strong>in</strong>g<br />
darum, e<strong>in</strong>e durch spätmittelalterliche Frömmigkeitspraxis<br />
verdunkelte biblische Grundaussage<br />
wieder zur Geltung zu br<strong>in</strong>gen: der<br />
Vorrang der unverdienbaren Gnade vor jedem<br />
religiösen Werk.<br />
Ganz anders heute. Nicht irgendwelche<br />
E<strong>in</strong>zelheiten des christlichen Glaubensbekenntnisses<br />
stehen heute zur Disposition,<br />
sondern der Gottesglaube <strong>in</strong>sgesamt. S<strong>in</strong>d<br />
wir mit uns selbst alle<strong>in</strong> – oder gibt es wirklich<br />
e<strong>in</strong> letztes Gegenüber des Menschen, e<strong>in</strong><br />
Fotos: oben: epd-bild / Norbert Neetz, unten: epd-bild / Uwe Möller