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Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...

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1. Wenn es e<strong>in</strong>e Kernaussage geben soll,<br />

die Charakter, Anliegen und Botschaft der<br />

Reformation trifft, dann ist es diese. Ihrem<br />

Selbstverständnis nach haben die Reformatoren<br />

das Evangelium wiederentdeckt, als<br />

solches, für sich selbst und für andere. Wiederentdeckung<br />

ist ke<strong>in</strong>e Neuentdeckung,<br />

entdeckt haben sie nichts, was nicht schon<br />

da gewesen wäre. Es g<strong>in</strong>g nicht um neue<br />

Welten, sondern um das e i n e Wort Gottes.<br />

Deshalb haben sie auch ihre <strong>Kirche</strong>n<br />

nicht als neue <strong>Kirche</strong>n verstanden, sondern<br />

als die „rechte alte <strong>Kirche</strong>“ 1 , wie Luther 1541<br />

ausführt: Es fehlt ihr an nichts, sie hat Taufe<br />

und Abendmahl, Schlüssel- und Predigtamt,<br />

das Glaubensbekenntnis der alten <strong>Kirche</strong><br />

und das Gebet, Obrigkeit und Ehestand;<br />

sie leidet um des Wortes willen, und sie übt<br />

sich <strong>in</strong> Geduld 2 . Das s<strong>in</strong>d die Kennzeichen<br />

der <strong>Kirche</strong>, die notae ecclesiae.<br />

Was aber ist das Evangelium? Luther hat<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er auch <strong>in</strong> anderer H<strong>in</strong>sicht höchst lesenswerten<br />

Anleitung zu se<strong>in</strong>er Wartburgpostille<br />

e<strong>in</strong>e Bestimmung des Evangeliums<br />

gegeben. In se<strong>in</strong>em „Kle<strong>in</strong>en Unterricht, was<br />

man <strong>in</strong> den Evangelien suchen und erwarten<br />

solle“, erklärt er, dass es nur e i n Evangelium<br />

gebe, das von verschiedenen Autoren bezeugt<br />

sei. Dieses e i n e Evangelium „ist und soll<br />

nichts anderes se<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e Rede oder Erzählung<br />

von Christus, … nichts anderes als e<strong>in</strong>e<br />

Chronik, Geschichte, Legende [hier im S<strong>in</strong>ne<br />

von vorzulesender Erzählung] von Christus,<br />

wer er ist, was er getan, geredet und erlitten<br />

hat … Denn aufs kürzeste ist das Evangelium<br />

e<strong>in</strong>e Rede von Christus, daß er Gottes Sohn<br />

ist und Mensch für uns geworden, gestorben<br />

und auferstanden, als e<strong>in</strong> Herr über alle D<strong>in</strong>ge<br />

gesetzt“ 3 .<br />

Dieses Evangelium soll kommuniziert<br />

werden. In diesem Jahr „Reformation und<br />

Musik“ er<strong>in</strong>nere ich an die Vorrede <strong>zum</strong><br />

Babstschen Gesangbuch 1545, die <strong>in</strong> Auszügen<br />

auch noch unserem <strong>Evangelische</strong>n Gesangbuch<br />

voransteht. „S<strong>in</strong>get dem Herrn e<strong>in</strong><br />

neues Lied, s<strong>in</strong>get dem Herrn alle Welt. Denn<br />

Gott hat unser Herz und Mut fröhlich gemacht<br />

durch se<strong>in</strong>en lieben Sohn, welchen er<br />

für uns gegeben hat zur Erlösung von Sünden,<br />

Tod und Teufel. Wer das mit Ernst<br />

glaubt, der kann’s nicht lassen, er muss fröhlich<br />

und mit Lust davon s<strong>in</strong>gen und sagen,<br />

dass es andere auch hören und herzukommen.“<br />

4<br />

Dass evangelische Christen das Evangelium<br />

mit Lust und Liebe s<strong>in</strong>gen und sagen,<br />

verdankt sich Gottes Anrede an sie. Bei der<br />

E<strong>in</strong>weihung der Schlosskirche <strong>in</strong> Torgau hat<br />

Luther 1544 die Kommunikation des Evangeliums<br />

– wir könnten auch sagen: das gottesdienstliche<br />

Geschehen, aber das ist nur die<br />

spezifische Bestimmung dieses „Hauses“ –<br />

nach reformatorischem Verständnis kompakt<br />

formuliert. Dieses Haus, sagte er, sei dazu<br />

bestimmt, „dass nichts anders dar<strong>in</strong> geschehe,<br />

als dass unser lieber Herr selbst mit<br />

uns rede durch se<strong>in</strong> heiliges Wort, und wir<br />

wiederum mit ihm reden durch Gebet und<br />

Lobgesang“ 5 .<br />

Die Reformation, so haben wir gesagt,<br />

war die Wiederentdeckung des Evangeliums.<br />

Nachdem dieses als solches bestimmt<br />

ist, lässt sich weiterführend erklären: Damit<br />

war die Reformation ihrem Selbstverständnis<br />

nach und <strong>in</strong> ihrer Rezeptions- und Wirkungsgeschichte<br />

e<strong>in</strong> Ruf zur Sache, ne<strong>in</strong>,<br />

nicht eigentlich zur Sache, sondern e<strong>in</strong> Ruf<br />

zu Gott <strong>in</strong> Jesus Christus.<br />

2. Das Reformationsjubiläum 2017 verdankt<br />

sich der Er<strong>in</strong>nerungskultur an den<br />

„Thesenanschlag“ am 31. Oktober 1517.<br />

Spätestens seit 1527 gibt es auf Seiten Luthers<br />

und se<strong>in</strong>er Anhänger e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong><br />

von der Besonderheit und der historischen<br />

Dimension dieses „Thesenanschlags“ zehn<br />

Jahre zuvor. 6 Luther g<strong>in</strong>g es mit der Veröffentlichung<br />

der 95 Thesen nicht um e<strong>in</strong> Fanal,<br />

sondern um die Frage nach der Wahrheit<br />

des christlichen Glaubens und um die<br />

Sorge um se<strong>in</strong>e <strong>Kirche</strong>. Freilich, so wie wir<br />

04.07.1776<br />

uNABhäNGIGkEITSERkläRuNG DER uSA<br />

Die 55 Delegierten des <strong>in</strong> Philadelphia tagenden Kongresses unterzeichnen<br />

das von Thomas Jefferson entworfene Dokument. Jefferson war von<br />

1801–1809 der 3. Präsident der USA. Die Erklärung schreibt staatliche<br />

Neutralität zu Religionsfragen vor und dass es „ke<strong>in</strong>en religiösen Test” für<br />

politische Ämter gebe.<br />

POSITIONEN<br />

Reformationsjubiläum 2017 65

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