Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...
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POSITIONEN<br />
Punkte e<strong>in</strong>er fundamentalen Übere<strong>in</strong>stimmung,<br />
die unter anderem <strong>in</strong> der Leuenberger<br />
Konkordie noch e<strong>in</strong>mal festgehalten und mit<br />
ihren Konsequenzen expliziert worden ist.<br />
Sie macht die Integration vieler Männer und<br />
vor allem auch vieler Frauen der Reformation<br />
<strong>in</strong> die Vorbereitung der Feiern so spannend<br />
und verheißungsvoll.<br />
2. Reformation ist mehr als die formelhaften<br />
Wendungen „Rechtfertigung alle<strong>in</strong> aus<br />
Glauben“ oder „sola scriptura, sola gratia,<br />
sola fide, solus Christus“.<br />
Man muss sich klarmachen, dass das eigentliche<br />
Problem der Feier e<strong>in</strong>es Reformationsjubiläums<br />
am 31. Oktober 2017 nicht die<br />
mangelnde Historizität des Thesenanschlages<br />
ist (Lepp<strong>in</strong>), sondern der quasi vorreformatorische<br />
Charakter der fünfundneunzig<br />
Thesen (Brecht). Wenn man verstehen will,<br />
was Mart<strong>in</strong> Luther für den Wesenskern se<strong>in</strong>er<br />
theologischen Entdeckung hielt, darf<br />
man sich nicht auf die Vorrede zu se<strong>in</strong>er late<strong>in</strong>ischen<br />
Werkausgabe von 1545 kaprizieren,<br />
sondern muss se<strong>in</strong>e ganze theologische<br />
Entwicklung <strong>in</strong> den Blick nehmen, beispielsweise<br />
die kle<strong>in</strong>en Sakramentstraktate, die auf<br />
De Captivitate Babylonica ecclesiae von 1520<br />
führen, aber auch se<strong>in</strong>e großen Disputationen<br />
<strong>in</strong> den dreißiger Jahren. Daneben muss<br />
man aber auch unabhängig von der Wittenberger<br />
Reformation die Texte der Züricher<br />
und Genfer Reformatoren analysieren. Die<br />
bekannten Formeln s<strong>in</strong>d höchst missverständlich,<br />
wie e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Beispiel demonstrieren<br />
soll: Sola gratia hätte durchaus auch e<strong>in</strong>e<br />
bestimmte Form hochmittelalterlicher<br />
scholastischer Gnadentheologie im Rahmen<br />
ihrer gradualistischen Konzepte formulieren<br />
können (Hamm).<br />
3. Reformation beg<strong>in</strong>nt mit der Erkenntnis,<br />
dass die Verkündigung des Wortes Gottes als<br />
Wort Gottes zubr<strong>in</strong>gt, was es sagt.<br />
Wenn man so Mart<strong>in</strong> Luther bei der<br />
theologischen Arbeit beobachtet, wird deutlich,<br />
dass se<strong>in</strong>e reformatorische Theologie<br />
erst <strong>in</strong> dem Augenblick komplett ist, da er<br />
nach der detaillierten Analyse der Sakramente<br />
der <strong>Kirche</strong> verstanden hat, wie Gott die<br />
Schuld vergibt und die Rechtfertigung im<br />
E<strong>in</strong>zelnen zur Wirkung kommt: durch se<strong>in</strong><br />
Wort, das als Schöpferwort die Wirklichkeit,<br />
60<br />
Blick aus der Jüdenstraße<br />
auf die Schlosskirche Allerheiligen<br />
<strong>in</strong> der Lutherstadt Wittenberg.<br />
Reformationsjubiläum 2017<br />
die es verheißt, auch bewirkt. Wie beim sakramentalen<br />
Verheißungswort schafft das <strong>in</strong><br />
der mündlichen Verkündigung ausgesprochene<br />
Wort die Wirklichkeit, die es zusagt.<br />
Die prägnanteste Formulierung dieses Zusammenhanges<br />
stammt übrigens aus e<strong>in</strong>er<br />
reformierten Bekenntnisschrift: praedicatio<br />
verbi div<strong>in</strong>i est verbum div<strong>in</strong>um, „Die Verkündigung<br />
des Wortes Gottes ist das Wort<br />
Gottes“ (Confessio Helvetica Posterior). Es<br />
ist ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wand gegen diese Interpretation<br />
reformatorischer Texte, dass sie im zwanzigsten<br />
Jahrhundert von e<strong>in</strong>er bestimmten theologischen<br />
Richtung erneuert worden ist, der-<br />
jenigen, der wir auch die Barmer Theologische<br />
Erklärung verdanken (gegen Bernhard<br />
Lohse). Schlichter: Evangelisch se<strong>in</strong> ist nach<br />
Ansicht der Reformatoren e<strong>in</strong>e Wirkung des<br />
Evangeliums. Oder, mit dem ger<strong>in</strong>gfügig variierten<br />
Claim der Dachkampagne: „Am Anfang<br />
ist immer das Wort.“ Der Mensch kann<br />
zu dieser erneuten göttlichen Schöpfungstat<br />
nichts h<strong>in</strong>zutun, kann an ihr auch nicht mitwirken,<br />
sondern sie sich lediglich gefallen<br />
und geschehen se<strong>in</strong> lassen. Und Vergebung<br />
der Sünden und Annahme bei Gott ist weder<br />
ausschließlich e<strong>in</strong> juristischer Akt noch e<strong>in</strong>e<br />
theologische Tatsache, die wir erst e<strong>in</strong>mal zu<br />
Fotos: S. 60: epd-bild / Rolf Zöllner, S.61 epd-bild / Andreas Pöge