Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...
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Dennoch bleibt das ansche<strong>in</strong>end unüberw<strong>in</strong>dlich<br />
Trennende bestehen, das von den<br />
Verantwortlichen nicht als Barriere, sondern<br />
als theologische Thematik gesehen werden<br />
muss. Wer hätte vor 50 Jahren gedacht, dass<br />
der ökumenische Dialog zu e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>samen<br />
Erklärung zur Rechtfertigung führen<br />
würde und Kommissionen auf nationaler<br />
und <strong>in</strong>ternatonaler Ebene <strong>zum</strong> regelmäßigen<br />
Austausch zusammenf<strong>in</strong>den? Gemessen an<br />
den Jahrhunderten der Kontroverse schenkt<br />
es doch Hoffnung, dass sich <strong>in</strong> relativ kurzer<br />
Zeit die Atmosphäre gewandelt hat und aus<br />
den Gesprächen Ergebnisse hervorgegangen<br />
s<strong>in</strong>d, deren Bedeutung für die Ökumene der<br />
nächsten Jahre nicht hoch genug e<strong>in</strong>zuschätzen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Besonders hervorzuheben ist das Engagement<br />
auf gesellschaftspolitischen und ethischen<br />
Feldern, das, zwar nicht immer spannungsfrei,<br />
so dennoch das geme<strong>in</strong>same<br />
Zeugnis für e<strong>in</strong> christliches Menschenbild<br />
und die daraus resultierenden Konsequenzen<br />
<strong>in</strong> den Mittelpunkt stellt. Hier ist das Geme<strong>in</strong>same<br />
das Befruchtende, das Weiterführende<br />
das Ziel. Im Gegensatz zu den Ereignissen,<br />
die im 16. Jahrhundert zur <strong>Kirche</strong>n-<br />
spaltung geführt haben, s<strong>in</strong>d unsere Voraussetzungen<br />
für e<strong>in</strong>e sachliche theologische<br />
Ebene fast ideal. In Freiheit und ohne äußeren<br />
Zwang oder politische E<strong>in</strong>flussnahme<br />
können die katholische <strong>Kirche</strong> und die <strong>Kirche</strong>n<br />
und Geme<strong>in</strong>schaften aus der reformatorischen<br />
Tradition <strong>in</strong> ihrem Bemühen sich<br />
1932<br />
DEuTschE chrIsTEN<br />
1932 wird die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ von<br />
e<strong>in</strong>er Gruppe von Pfarrern, Geme<strong>in</strong>degliedern und Theologen<br />
gegründet. Viele Mitglieder s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> der NSDAP und<br />
teilen deren Vorstellungen zu Rasse, Volk und Nation. E<strong>in</strong>es<br />
ihrer Ziele ist e<strong>in</strong> „re<strong>in</strong>rassiges Christentum“.<br />
ohne E<strong>in</strong>schränkungen mite<strong>in</strong>ander austauschen<br />
und die Polemik früherer Jahrhunderte<br />
<strong>in</strong> den vom gegenseitigen Respekt getragenen<br />
Dialog h<strong>in</strong>überführen. E<strong>in</strong>e solche<br />
Chance könnte auch das Reformationsgedenken<br />
werden, das den Fokus auf die zu<br />
überw<strong>in</strong>denden Differenzen richtet. Aber,<br />
und das muss an dieser Stelle gesagt werden,<br />
s<strong>in</strong>d noch e<strong>in</strong>ige Vorüberlegungen anzustellen,<br />
die dem Jubiläum e<strong>in</strong>e ökumenische Note<br />
geben.<br />
2017 – Jahr des Gedenkens<br />
Das Reformationsgedenken 2017 und<br />
die vorgeschaltete Lutherdekade s<strong>in</strong>d für<br />
evangelische Christen Anlass, auf das Reformationsereignis<br />
vor 500 Jahren zurückzublicken<br />
und sich neu des Aufbruchs zu vergewissern,<br />
der damit verbunden war. Dabei<br />
darf man aber nicht vergessen, dass mit der<br />
Reformation die abendländische <strong>Kirche</strong>nspaltung<br />
ihren Ausgang nimmt, ihr so also<br />
der Stachel der Trennung anhaftet, die bis<br />
heute andauert und um deren Überw<strong>in</strong>dung<br />
wir uns <strong>in</strong> der Ökumene bemühen. Von daher<br />
ist es für die katholische Seite schwierig,<br />
wenn im Zusammenhang mit 2017 von e<strong>in</strong>em<br />
„Jubiläum“ oder e<strong>in</strong>er „Feier“ die Rede<br />
ist. „Reformationsgedenken“ sche<strong>in</strong>t da die<br />
angemessenere Redeweise.<br />
Für e<strong>in</strong>en Protestanten, calv<strong>in</strong>ischer oder<br />
lutherischer Prägung, ist dieses Ereignis als<br />
Durchbruch des Evangeliums aufgrund der<br />
reformatorischen E<strong>in</strong>sicht zu bewerten. Und<br />
DEBATTEN<br />
von daher als positives Ereignis der Geschichte<br />
e<strong>in</strong>zuordnen. Für den Katholiken h<strong>in</strong>gegen<br />
stehen die Jahre 1517 bis 2017 für den Verlust<br />
der E<strong>in</strong>heit der <strong>Kirche</strong> wie sie im Willen Jesu<br />
Christi grundgelegt ist. Bei aller Differenzierung<br />
der historischen und theologischen<br />
Fakten geht es dennoch letztlich um verschiedene<br />
Sichtweisen von <strong>Kirche</strong>, Amt und Eucharistie,<br />
die <strong>in</strong> ihrer unterschiedlichen Entfaltung<br />
zu sche<strong>in</strong>bar unüberw<strong>in</strong>dlichen Gegensätzen<br />
geworden s<strong>in</strong>d. Vielleicht kann das<br />
noch etwas relativiert und <strong>in</strong> den historischen<br />
Kontext gesetzt werden, auch von evangelischer<br />
Seite, weil die Reformatoren letztlich<br />
ke<strong>in</strong>e neue <strong>Kirche</strong>, sondern <strong>in</strong>nerhalb der e<strong>in</strong>en<br />
<strong>Kirche</strong> e<strong>in</strong>e Erneuerung br<strong>in</strong>gen wollten.<br />
So wurde die geme<strong>in</strong>deorientierte <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong><br />
landeskirchlicher Struktur als die Fortsetzung<br />
der wahren <strong>Kirche</strong> gedeutet – <strong>in</strong> reformierter,<br />
erneuerter und dem Evangelium gemäßer<br />
Weise –, der sich die römisch-katholische <strong>Kirche</strong><br />
mit ihrem sichtbaren personalen Pr<strong>in</strong>zip<br />
der E<strong>in</strong>heit, dem Papst, als der bisher unreformierte<br />
Teil der Christenheit erst noch anschließen<br />
müsse. E<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>schätzung<br />
kann die katholische Theologie nicht teilen.<br />
Mit der Reformation s<strong>in</strong>d entscheidende Elemente<br />
des katholischen <strong>Kirche</strong>n- und Sakramentsverständnisses<br />
verschwunden oder<br />
wurden vergessen, wodurch e<strong>in</strong>e Trennung<br />
markiert wurde, die nicht durch e<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bar<br />
re<strong>in</strong> funktionale Angleichung <strong>in</strong> der<br />
Struktur oder <strong>in</strong> den Begriffen alle<strong>in</strong> aufgehoben<br />
werden kann. Das Reformationsgedenken<br />
2017 sollte von daher auch e<strong>in</strong>e Re-<br />
Reformationsjubiläum 2017 85