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In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin<br />
Ivana Cucujkić über ihr daily life.<br />
IVANAS WELT<br />
SECRET ESCAPE: HEIMAT ALL INCLUSIVE<br />
Es ist Sommer. Wir fahren runter. Endlich. Für viele<br />
beginnt jetzt die lang ersehnte, schönste Zeit im<br />
Jahr. Keine Termine, kein Dresscode, keine Ruhestörung.<br />
Aber dafür ganz viel Freiheit. Die Freiheit,<br />
ohne Ankündigung bei Freunden aufzutauchen,<br />
barfuß durchs Dorf zu radeln, Zwetschken<br />
von Nachbars Baum zu pflücken, ganz laut Musik<br />
aufzudrehen, Stunden im ‚kafić’ (Café) zu verbringen,<br />
die Zeit vergessen. Und das jeden Tag so. Ja,<br />
dieser Emotionscocktail aus Euphorie, Sehnsucht<br />
und dem Duft saftiger Fleischtomaten aus Omas<br />
Garten ist es, der auch heuer wieder Tausende ins<br />
geliebte Dorf fliehen lässt.<br />
PARTY, FLEISCH & FREIHEITSFEELING<br />
Seinen Urlaub an jenem Ort zu verbringen, dem<br />
man (oder die Eltern) einst zu entfliehen vermochte,<br />
ist allerdings nur mit Rückkehroption attraktiv.<br />
Diese mentale Reiserücktrittsversicherung versetzt<br />
einen erst in Ferienstimmung. Auch lässt sich das<br />
‚Zuhause auf Zeit’ viel angenehmer mit doppeltem<br />
Monatsgehalt gefüllten Taschen verbringen. Party,<br />
Fleisch und Freiheitsfeeling – oder: Flucht in die<br />
Illusion. Das erwartet sich der Heimaturlauber. Das<br />
hat schon was vom Verhältnis zu einer Geliebten.<br />
Wenn’s im echten Leben super stressig wird, verschwindet<br />
man zur unverbindlichen Erholung und<br />
zum verschwenderischen Spaß in fremde Wirklichkeiten,<br />
verlässt die eigene aber nie ganz. Schließlich<br />
weiß man, was man (zu verlieren) hat.<br />
GASTARBEITER SUMMIT<br />
Ist der Heimaturlaub vielleicht ein Überbleibsel<br />
(des schlechten Gewissens) einstiger Rückkehr-<br />
cucujkic@dasbiber.at<br />
absichten in die alte Heimat? Die Hiergeborenen<br />
zieht wohl kaum die Aussicht nach einer baldigen<br />
Pensionsniederlassung in die mehrwöchigen Jugo-Ferien.<br />
Aber eben diese schleierhafte Sehnsucht<br />
nach fröhlicher Gesetzlosigkeit, Völlerei und<br />
extatischem Feiern. Letztlich bleibt man ja meist<br />
unter sich. Die Crowd, die hier samstags abfeiert,<br />
verabredet sich zum kollektiven Urlauben, um unten<br />
in den Open-Air-Clubs, die das fette Umsatzplus<br />
durch die Dijaspora kaum abwarten können,<br />
weiter zu feiern.<br />
Für die Elterngeneration wird mit der Ankunft im<br />
Geburtsort der gesellschaftliche Jahresbericht abgegeben:<br />
Wer heiratet wen, wer hat sich getrennt,<br />
ist tot, ist wahnsinnig gealtert, nicht mehr in guten<br />
Verhältnissen, hat sein Haus (Schande!) verkauft....<br />
FLUCHT NACHHAUSE<br />
Nach vier Wochen stellt sich ein wenig Urlaubsmonotonie<br />
ein. Die Heimat fängt an zu nerven. Man<br />
möchte die Geliebte wieder verlassen.<br />
Man tanzte sich von Hochzeiten, zu Taufen und<br />
Jubiläen, absolvierte die üblichen Pflichtbesuche,<br />
verteilte Hofer-Schokotafeln und Bodylotions,<br />
schlürfte den zweiundsiebzigsten türkischen Kaffee,<br />
reparierte die vom Winter lädierten Wasserleitungen,<br />
baute das dritte Stockwerk weiter aus, um<br />
sich am Ende des Heimatbesuchs, jedes Jahr aufs<br />
Neue, beklagend in Einsicht zu üben. Was hätte<br />
man mit dem Geld nicht alles Sinnvolles machen<br />
können, „Luxusurlaub mit All Inclusive zum Beispiel“.<br />
Zum Beispiel. Nächstes Jahr dann. Ganz.<br />
Bestimmt. Aber erstmal schnell nachhause! ●<br />
10 / MIT SCHARF /