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BIBER 07_17 ansicht

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In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin<br />

Ivana Cucujkić über ihr daily life.<br />

IVANAS WELT<br />

SECRET ESCAPE: HEIMAT ALL INCLUSIVE<br />

Es ist Sommer. Wir fahren runter. Endlich. Für viele<br />

beginnt jetzt die lang ersehnte, schönste Zeit im<br />

Jahr. Keine Termine, kein Dresscode, keine Ruhestörung.<br />

Aber dafür ganz viel Freiheit. Die Freiheit,<br />

ohne Ankündigung bei Freunden aufzutauchen,<br />

barfuß durchs Dorf zu radeln, Zwetschken<br />

von Nachbars Baum zu pflücken, ganz laut Musik<br />

aufzudrehen, Stunden im ‚kafić’ (Café) zu verbringen,<br />

die Zeit vergessen. Und das jeden Tag so. Ja,<br />

dieser Emotionscocktail aus Euphorie, Sehnsucht<br />

und dem Duft saftiger Fleischtomaten aus Omas<br />

Garten ist es, der auch heuer wieder Tausende ins<br />

geliebte Dorf fliehen lässt.<br />

PARTY, FLEISCH & FREIHEITSFEELING<br />

Seinen Urlaub an jenem Ort zu verbringen, dem<br />

man (oder die Eltern) einst zu entfliehen vermochte,<br />

ist allerdings nur mit Rückkehroption attraktiv.<br />

Diese mentale Reiserücktrittsversicherung versetzt<br />

einen erst in Ferienstimmung. Auch lässt sich das<br />

‚Zuhause auf Zeit’ viel angenehmer mit doppeltem<br />

Monatsgehalt gefüllten Taschen verbringen. Party,<br />

Fleisch und Freiheitsfeeling – oder: Flucht in die<br />

Illusion. Das erwartet sich der Heimaturlauber. Das<br />

hat schon was vom Verhältnis zu einer Geliebten.<br />

Wenn’s im echten Leben super stressig wird, verschwindet<br />

man zur unverbindlichen Erholung und<br />

zum verschwenderischen Spaß in fremde Wirklichkeiten,<br />

verlässt die eigene aber nie ganz. Schließlich<br />

weiß man, was man (zu verlieren) hat.<br />

GASTARBEITER SUMMIT<br />

Ist der Heimaturlaub vielleicht ein Überbleibsel<br />

(des schlechten Gewissens) einstiger Rückkehr-<br />

cucujkic@dasbiber.at<br />

absichten in die alte Heimat? Die Hiergeborenen<br />

zieht wohl kaum die Aussicht nach einer baldigen<br />

Pensionsniederlassung in die mehrwöchigen Jugo-Ferien.<br />

Aber eben diese schleierhafte Sehnsucht<br />

nach fröhlicher Gesetzlosigkeit, Völlerei und<br />

extatischem Feiern. Letztlich bleibt man ja meist<br />

unter sich. Die Crowd, die hier samstags abfeiert,<br />

verabredet sich zum kollektiven Urlauben, um unten<br />

in den Open-Air-Clubs, die das fette Umsatzplus<br />

durch die Dijaspora kaum abwarten können,<br />

weiter zu feiern.<br />

Für die Elterngeneration wird mit der Ankunft im<br />

Geburtsort der gesellschaftliche Jahresbericht abgegeben:<br />

Wer heiratet wen, wer hat sich getrennt,<br />

ist tot, ist wahnsinnig gealtert, nicht mehr in guten<br />

Verhältnissen, hat sein Haus (Schande!) verkauft....<br />

FLUCHT NACHHAUSE<br />

Nach vier Wochen stellt sich ein wenig Urlaubsmonotonie<br />

ein. Die Heimat fängt an zu nerven. Man<br />

möchte die Geliebte wieder verlassen.<br />

Man tanzte sich von Hochzeiten, zu Taufen und<br />

Jubiläen, absolvierte die üblichen Pflichtbesuche,<br />

verteilte Hofer-Schokotafeln und Bodylotions,<br />

schlürfte den zweiundsiebzigsten türkischen Kaffee,<br />

reparierte die vom Winter lädierten Wasserleitungen,<br />

baute das dritte Stockwerk weiter aus, um<br />

sich am Ende des Heimatbesuchs, jedes Jahr aufs<br />

Neue, beklagend in Einsicht zu üben. Was hätte<br />

man mit dem Geld nicht alles Sinnvolles machen<br />

können, „Luxusurlaub mit All Inclusive zum Beispiel“.<br />

Zum Beispiel. Nächstes Jahr dann. Ganz.<br />

Bestimmt. Aber erstmal schnell nachhause! ●<br />

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