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BIBER 07_17 ansicht

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Zakarya Ibrahem, 27, träumt nachts von Soldaten, die sein Haus in Syrien stürmen.<br />

Gefahr darstellt? Prinzipiell schon, doch<br />

das Traumagedächtnis spielt Erlebtes<br />

eben nicht ganz genau nach, sondern<br />

nur ähnlich. Der äußere Anlass mag nicht<br />

real sein, die Angst der Betroffenen aber<br />

umso mehr, denn das Erlebnis fühlt sich<br />

exakt so an, als ob es im Hier und Jetzt<br />

geschehen würde. Bei manchen äußert<br />

sich die Reaktion auf die Trigger in einer<br />

sofortigen Panikattacke, bei manchen<br />

eben als Albtraum in der Nacht.<br />

Krieg ist eine<br />

Bedrohung des<br />

Herzens. Und das<br />

Herz vergisst nicht.<br />

EXISTENZÄNGSTE UND<br />

SUIZIDGEDANKEN<br />

Die dritte große Art von Albträumen<br />

Geflüchteter ist jene am Rande eines<br />

Abgrunds zu stehen oder in einen<br />

Abgrund zu fallen. „Krieg ist eine existenzielle<br />

Wunde, wo es um Sein- oder<br />

Nichtsein geht, man fühlt sich ‚aus dem<br />

Leben geworfen‘“, erläutert Baer. Mit<br />

Existenzängsten kommen die Menschen<br />

über die Grenze und legen diese auch<br />

lange nicht ab. Manche haben gerade in<br />

dieser Anfangsphase verstärkt Albträume,<br />

weil so vieles neu, ungewohnt<br />

und beängstigend ist. Andere haben<br />

die Albträume aber erst, wenn sie alles<br />

Bürokratische erledigt haben und richtig<br />

angekommen sind. Baer veranschaulicht:<br />

„Wenn das vorbei ist, hat die Seele Zeit<br />

sich zu melden. Krieg ist eine existenzielle<br />

Bedrohung des Herzens und das<br />

Herz vergisst nicht.“<br />

Diese Albträume haben nicht nur<br />

Geflüchtete aus Syrien. Vor allem aus der<br />

Betreuung ex-jugoslawischer Geflüchteter<br />

kennt Udo Baer ähnliche Erzählungen:<br />

„Die Trigger sind vielleicht anders,<br />

aber das Traumagedächtnis funktioniert<br />

gleich.“ Bei manchen Menschen mit<br />

Fluchterlebnissen kommen die Albträume<br />

erst, wenn sie über 60 sind und die Kraft<br />

zur Kontrolle nachlässt. Doch auch wenn<br />

das Trauma früher erkannt wird, kann die<br />

Wartezeit für einen Therapieplatz lange<br />

dauern: „Bis dahin sind viele depressiv,<br />

Alkoholiker, halten sich für verrückt, sind<br />

suizidal oder bringen sich sogar wirklich<br />

um“, erzählt Baer und nennt die vorherrschende<br />

Situation unmenschlich. Für den<br />

Journalisten Zakarya ist die Realität viel<br />

frustrierender, als ein Albtraum es je sein<br />

könnte. Die Lösung sieht er im Ende des<br />

Krieges. „Seit fünf Jahren habe ich meine<br />

Familie nicht gesehen und das kann<br />

noch zehn Jahre dauern. Der Traum hört<br />

auf, wenn die Person ihr Ziel erreicht.<br />

Meine Albträume werde ich also los sein,<br />

wenn ich meine Familie sehe.“ ●<br />

14 / POLITIKA /

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