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BIBER 07_17 ansicht

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komplett. Als ich ein paar Tage später<br />

mit zwei Freunden wieder essen ging,<br />

lernte ich eine wichtige Österreich-Lektion:<br />

Hier gibt es so etwas wie getrennte<br />

Rechnungen. Das habe ich mir seither<br />

gut eingeprägt.<br />

„HALTET DEN DIEB!“<br />

In Tschetschenien ist es ganz normal,<br />

dass man älteren Menschen beim<br />

Tragen schwerer Sachen hilft, insbesondere<br />

Frauen. Das basiert nicht<br />

auf Freiwilligkeit, sondern ist eher ein<br />

gesellschaftliches „Muss“ – und es<br />

passiert ungefragt. Dementsprechend<br />

wollte mein Mann, kurz nachdem wir in<br />

Österreich ankamen, einer älteren Dame<br />

auf der Straße, die sich offensichtlich mit<br />

schweren Taschen abschleppte, helfen.<br />

Er ist selbstverständlich zu ihr hingegangen<br />

und hat ihr die Taschen abgenommen.<br />

Gerade, als er ihr erklären wollte,<br />

dass er ihr beim Tragen hilft und wo es<br />

hingehen soll, fing sie schon an zu rufen:<br />

„POLIZEI, POLIZEI!“ Mein Mann ließ die<br />

Taschen sofort stehen und hat geschaut,<br />

dass er weg kommt.<br />

BITTEN STATT BETTELN!<br />

Als wir grade erst ein paar Tage im<br />

Flüchtlingslager von Traiskirchen waren,<br />

wollten wir mit den Öffis zu unserem<br />

Anwalt fahren. Übrigens gut gekleidet<br />

und schön hergerichtet. Am Bahnhof<br />

angekommen haben wir uns sehr über<br />

die Ticketautomaten gewundert – aus<br />

meiner Heimat kennen wir so etwas<br />

nicht. Wir waren sehr überfordert und<br />

wollten einen Mann, der in der Nähe<br />

stand, um Hilfe bitten. Mit dem Geld in<br />

der Hand sind wir zu ihm hin und haben<br />

ihn nett gebeten, zwei Tickets zu kaufen.<br />

Dieser fing jedoch sofort an zu schreien:<br />

„Warum sollte ich euch zwei Tickets<br />

kaufen? Das gibt es ja nicht, nur am<br />

Betteln.“ Sogar später, als er an einem<br />

anderen Bahnsteig stand, hat er noch<br />

wenig schmeichelhafte Dinge zu uns<br />

rüber geschrien. Zum Glück war eine<br />

Gruppe Schülerinnen in der Nähe, die<br />

uns geholfen haben, die Tickets zu lösen.<br />

„ICH SCHENK DIR<br />

MEIN HANDY.“<br />

Wenn in Syrien jemand dein Handy<br />

bewundert, ist es üblich zu antworten:<br />

„Hier, du kannst es gerne nehmen.“ Das<br />

ist aber nur Ausdruck der Freude über<br />

das Kompliment. Niemals würde das<br />

Gegenüber das Handy tatsächlich an<br />

sich nehmen. Er lehnt natürlich höflich<br />

ab. Das kann drei- bis viermal hin und<br />

her gehen, aber am Ende bleibt dein<br />

Handy immer deins. Denn jeder kennt die<br />

Spielregeln.<br />

Dass diese Regeln allerdings in Österreich<br />

unbekannt sind, hat ein syrischer<br />

Bekannter kürzlich erlebt – er ist immer<br />

noch geschockt. Denn als eine Freundin<br />

zu ihm sagte, dass sie sein neues Handy<br />

so schön findet und er aus Gewohnheit<br />

antwortete, dass sie es doch nehmen<br />

kann – nun, da tat sie es. Die Freundin<br />

hat sich das Handy einfach eingesteckt,<br />

sich bedankt und ist gegangen.<br />

NARKOSE STATT PILLE!<br />

Als ein syrischer Bekannter eines Tages<br />

mit richtig schlimmen Bauchschmerzen<br />

zu kämpfen hatte, ging er zu seinem<br />

Hausarzt. „Du brauchst eine Koloskopie“,<br />

sagte der ihm. Der Arzt reichte<br />

dem Freund einen Zettel, mit dem er<br />

zur Ordinationshilfe gehen sollte – der<br />

Freund dachte, es sei sicher ein Rezept<br />

für irgendein Medikament. Koloskopie<br />

klang in seinen Ohren nach Medizin. Die<br />

Dame schickte ihn jedoch ins Krankenhaus.<br />

Er ging dort hin, ohne sich groß<br />

Gedanken zu machen. Vor Ort allerdings<br />

wurde ihm langsam klar, dass der Zettel<br />

wohl doch kein Rezept für ein Medikament<br />

beinhaltete. Aber was dann? Nun,<br />

nachdem er von der Narkose aufwachte<br />

und sich auf einmal im Krankenbett<br />

wiederfand, war er entsetzlich verwirrt.<br />

Er hatte ein Blackout und begann mit<br />

der Krankenschwester und dem Arzt auf<br />

Arabisch zu sprechen. Kein deutsches<br />

Wort brachte er mehr heraus. Erst als<br />

zwei seiner Freunde ins Krankenhaus<br />

kamen, beruhigte er sich. Sie klärten das<br />

Missverständnis auf: Er hatte eine Darmspiegelung.<br />

Ach ja, seither sind seine<br />

Schmerzen wie weggeblasen. ●<br />

/ RAMBAZAMBA / 43

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