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komplett. Als ich ein paar Tage später<br />
mit zwei Freunden wieder essen ging,<br />
lernte ich eine wichtige Österreich-Lektion:<br />
Hier gibt es so etwas wie getrennte<br />
Rechnungen. Das habe ich mir seither<br />
gut eingeprägt.<br />
„HALTET DEN DIEB!“<br />
In Tschetschenien ist es ganz normal,<br />
dass man älteren Menschen beim<br />
Tragen schwerer Sachen hilft, insbesondere<br />
Frauen. Das basiert nicht<br />
auf Freiwilligkeit, sondern ist eher ein<br />
gesellschaftliches „Muss“ – und es<br />
passiert ungefragt. Dementsprechend<br />
wollte mein Mann, kurz nachdem wir in<br />
Österreich ankamen, einer älteren Dame<br />
auf der Straße, die sich offensichtlich mit<br />
schweren Taschen abschleppte, helfen.<br />
Er ist selbstverständlich zu ihr hingegangen<br />
und hat ihr die Taschen abgenommen.<br />
Gerade, als er ihr erklären wollte,<br />
dass er ihr beim Tragen hilft und wo es<br />
hingehen soll, fing sie schon an zu rufen:<br />
„POLIZEI, POLIZEI!“ Mein Mann ließ die<br />
Taschen sofort stehen und hat geschaut,<br />
dass er weg kommt.<br />
BITTEN STATT BETTELN!<br />
Als wir grade erst ein paar Tage im<br />
Flüchtlingslager von Traiskirchen waren,<br />
wollten wir mit den Öffis zu unserem<br />
Anwalt fahren. Übrigens gut gekleidet<br />
und schön hergerichtet. Am Bahnhof<br />
angekommen haben wir uns sehr über<br />
die Ticketautomaten gewundert – aus<br />
meiner Heimat kennen wir so etwas<br />
nicht. Wir waren sehr überfordert und<br />
wollten einen Mann, der in der Nähe<br />
stand, um Hilfe bitten. Mit dem Geld in<br />
der Hand sind wir zu ihm hin und haben<br />
ihn nett gebeten, zwei Tickets zu kaufen.<br />
Dieser fing jedoch sofort an zu schreien:<br />
„Warum sollte ich euch zwei Tickets<br />
kaufen? Das gibt es ja nicht, nur am<br />
Betteln.“ Sogar später, als er an einem<br />
anderen Bahnsteig stand, hat er noch<br />
wenig schmeichelhafte Dinge zu uns<br />
rüber geschrien. Zum Glück war eine<br />
Gruppe Schülerinnen in der Nähe, die<br />
uns geholfen haben, die Tickets zu lösen.<br />
„ICH SCHENK DIR<br />
MEIN HANDY.“<br />
Wenn in Syrien jemand dein Handy<br />
bewundert, ist es üblich zu antworten:<br />
„Hier, du kannst es gerne nehmen.“ Das<br />
ist aber nur Ausdruck der Freude über<br />
das Kompliment. Niemals würde das<br />
Gegenüber das Handy tatsächlich an<br />
sich nehmen. Er lehnt natürlich höflich<br />
ab. Das kann drei- bis viermal hin und<br />
her gehen, aber am Ende bleibt dein<br />
Handy immer deins. Denn jeder kennt die<br />
Spielregeln.<br />
Dass diese Regeln allerdings in Österreich<br />
unbekannt sind, hat ein syrischer<br />
Bekannter kürzlich erlebt – er ist immer<br />
noch geschockt. Denn als eine Freundin<br />
zu ihm sagte, dass sie sein neues Handy<br />
so schön findet und er aus Gewohnheit<br />
antwortete, dass sie es doch nehmen<br />
kann – nun, da tat sie es. Die Freundin<br />
hat sich das Handy einfach eingesteckt,<br />
sich bedankt und ist gegangen.<br />
NARKOSE STATT PILLE!<br />
Als ein syrischer Bekannter eines Tages<br />
mit richtig schlimmen Bauchschmerzen<br />
zu kämpfen hatte, ging er zu seinem<br />
Hausarzt. „Du brauchst eine Koloskopie“,<br />
sagte der ihm. Der Arzt reichte<br />
dem Freund einen Zettel, mit dem er<br />
zur Ordinationshilfe gehen sollte – der<br />
Freund dachte, es sei sicher ein Rezept<br />
für irgendein Medikament. Koloskopie<br />
klang in seinen Ohren nach Medizin. Die<br />
Dame schickte ihn jedoch ins Krankenhaus.<br />
Er ging dort hin, ohne sich groß<br />
Gedanken zu machen. Vor Ort allerdings<br />
wurde ihm langsam klar, dass der Zettel<br />
wohl doch kein Rezept für ein Medikament<br />
beinhaltete. Aber was dann? Nun,<br />
nachdem er von der Narkose aufwachte<br />
und sich auf einmal im Krankenbett<br />
wiederfand, war er entsetzlich verwirrt.<br />
Er hatte ein Blackout und begann mit<br />
der Krankenschwester und dem Arzt auf<br />
Arabisch zu sprechen. Kein deutsches<br />
Wort brachte er mehr heraus. Erst als<br />
zwei seiner Freunde ins Krankenhaus<br />
kamen, beruhigte er sich. Sie klärten das<br />
Missverständnis auf: Er hatte eine Darmspiegelung.<br />
Ach ja, seither sind seine<br />
Schmerzen wie weggeblasen. ●<br />
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