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BIBER 07_17 ansicht

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Die Zehnjährige ist nie auf Gegenwehr gestoßen und konnte sich frei entwickeln.<br />

Kindern dieses Alters als fahrlässig erachtet, so steht es im<br />

Schreiben.<br />

Hannah und ihre Eltern gehen sehr offen mit ihrer Trans-<br />

Identität um. Freunde, Familie und Bekannte wissen, dass sie<br />

als Bub geboren wurde. Ein behutsamer Umgang mit diesem<br />

Thema und das Gespräch mit Fachpersonen wäre ab Herbst,<br />

also mit Beginn von Hannahs Schulbesuch möglich gewesen,<br />

wurde von der Direktion aber nicht in Betracht gezogen.<br />

Warum nicht?<br />

„DIE SIND ABER KOMISCH“<br />

Hannahs soziales Umfeld hat kein Problem mit ihrer Trans-<br />

Identität. Selbst ihre Großeltern, die oft eher konservativ<br />

sind, freunden sich schnell mit dem Gedanken an, statt eines<br />

Enkels eine Enkelin zu haben. Auch bei Gleichaltrigen sei das<br />

kaum ein Thema, erzählt ihre Mutter Andrea. „Kinder haben<br />

mit dem immer am wenigsten ein Problem“, fasst es Sexualtherapeut<br />

und Gründer der Beratungsstelle Courage Johann<br />

Wahala zusammen. „Alles, was ein menschliches Phänomen<br />

ist, ist Kindern zumutbar“, so Wahala. „Über Transidentitäten<br />

in der Schule zu sprechen ist eine Erweiterung ihres Wissens<br />

und ihrer Wahrnehmung der Lebensrealität.“<br />

Jetzt gerade sind Sommerferien. Mit ihrer Wunschschule<br />

hat es für Hannah nicht geklappt, traurig ist die Zehnjährige<br />

deswegen aber nicht. Als sie erfahren hat, warum ihr Vertrag<br />

gekündigt wurde, reagierte sie folgendermaßen: „Die sind<br />

aber komisch. Dann will ich aber eh nicht in so eine Schule<br />

gehen.“ Damit zeigt sie mehr Reife, als so manch ein<br />

Erwachsener. ●<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

Das sagt der Experte:<br />

„WELCHE BOTSCHAFT IST DAS<br />

AN DAS KIND?“<br />

Wir haben bei Sexualtherapeut, Pädagogen und Gründer der<br />

Beratungsstelle Courage Johann Wahala nachgefragt, was er<br />

zu Hannahs Vertragsauflösung sagt. „Im besten Fall hätte die<br />

Direktorin das Kind willkommen geheißen und Hilfe von außen<br />

geholt, wenn der Schule die Erfahrung fehlt, weil sie noch nie<br />

ein Transgender-Kind hatten“, so Wahala. „Man hätte mit Klasse<br />

und Schule darüber reden können, dass es unterschiedliche<br />

Geschlechtsidentitäten gibt.“ Mit Unterstützung von SexualpädagogInnen<br />

hätte man sexuelle Bildung weitergeben können.<br />

Ein offener Umgang sei das Beste für das Kind. Die Frage, die<br />

sich bei der Vertragsauflösung stellt, so Wahala, ist: „Welche<br />

Botschaft ist das an das Kind? ‚So wie du bist, bist du nicht ok<br />

und deswegen nehmen wir dich nicht auf!’“ Anders könne das<br />

ein Kind gar nicht erleben. Das „Unehrlichkeits“-Argument der<br />

Direktorin könne man zudem nicht ernst nehmen. „Man gibt<br />

den Eltern einfach im Nachhinein den pädagogischen Fehler.“<br />

Es ändere nichts, ob bzw. wann die Mutter es angegeben<br />

habe. „Ein Kind nicht aufzunehmen, weil es transgender ist,<br />

ist gegen jegliche Kinderrechtskonvention“, so Wahala. „Es ist<br />

pädagogische Gewalt gegen das Kind und die Familie.“ Der<br />

Psychotherapeut stellt klar: „Es gibt in unserer Gesellschaft<br />

unterschiedliche geschlechtliche Identitäten und wenn das<br />

eine Schule nicht akzeptiert, dann gehört ihr die Schulgenehmigung<br />

mit sofortiger Wirkung entzogen.“ Dass der Landesschulrat<br />

kein Weisungsrecht hat, kommentiert er mit der<br />

Frage: „Ja, aber wer gibt der Schule denn das Schulrecht?!“<br />

/ POLITIKA / 27

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