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Die Zehnjährige ist nie auf Gegenwehr gestoßen und konnte sich frei entwickeln.<br />
Kindern dieses Alters als fahrlässig erachtet, so steht es im<br />
Schreiben.<br />
Hannah und ihre Eltern gehen sehr offen mit ihrer Trans-<br />
Identität um. Freunde, Familie und Bekannte wissen, dass sie<br />
als Bub geboren wurde. Ein behutsamer Umgang mit diesem<br />
Thema und das Gespräch mit Fachpersonen wäre ab Herbst,<br />
also mit Beginn von Hannahs Schulbesuch möglich gewesen,<br />
wurde von der Direktion aber nicht in Betracht gezogen.<br />
Warum nicht?<br />
„DIE SIND ABER KOMISCH“<br />
Hannahs soziales Umfeld hat kein Problem mit ihrer Trans-<br />
Identität. Selbst ihre Großeltern, die oft eher konservativ<br />
sind, freunden sich schnell mit dem Gedanken an, statt eines<br />
Enkels eine Enkelin zu haben. Auch bei Gleichaltrigen sei das<br />
kaum ein Thema, erzählt ihre Mutter Andrea. „Kinder haben<br />
mit dem immer am wenigsten ein Problem“, fasst es Sexualtherapeut<br />
und Gründer der Beratungsstelle Courage Johann<br />
Wahala zusammen. „Alles, was ein menschliches Phänomen<br />
ist, ist Kindern zumutbar“, so Wahala. „Über Transidentitäten<br />
in der Schule zu sprechen ist eine Erweiterung ihres Wissens<br />
und ihrer Wahrnehmung der Lebensrealität.“<br />
Jetzt gerade sind Sommerferien. Mit ihrer Wunschschule<br />
hat es für Hannah nicht geklappt, traurig ist die Zehnjährige<br />
deswegen aber nicht. Als sie erfahren hat, warum ihr Vertrag<br />
gekündigt wurde, reagierte sie folgendermaßen: „Die sind<br />
aber komisch. Dann will ich aber eh nicht in so eine Schule<br />
gehen.“ Damit zeigt sie mehr Reife, als so manch ein<br />
Erwachsener. ●<br />
*Namen von der Redaktion geändert<br />
Das sagt der Experte:<br />
„WELCHE BOTSCHAFT IST DAS<br />
AN DAS KIND?“<br />
Wir haben bei Sexualtherapeut, Pädagogen und Gründer der<br />
Beratungsstelle Courage Johann Wahala nachgefragt, was er<br />
zu Hannahs Vertragsauflösung sagt. „Im besten Fall hätte die<br />
Direktorin das Kind willkommen geheißen und Hilfe von außen<br />
geholt, wenn der Schule die Erfahrung fehlt, weil sie noch nie<br />
ein Transgender-Kind hatten“, so Wahala. „Man hätte mit Klasse<br />
und Schule darüber reden können, dass es unterschiedliche<br />
Geschlechtsidentitäten gibt.“ Mit Unterstützung von SexualpädagogInnen<br />
hätte man sexuelle Bildung weitergeben können.<br />
Ein offener Umgang sei das Beste für das Kind. Die Frage, die<br />
sich bei der Vertragsauflösung stellt, so Wahala, ist: „Welche<br />
Botschaft ist das an das Kind? ‚So wie du bist, bist du nicht ok<br />
und deswegen nehmen wir dich nicht auf!’“ Anders könne das<br />
ein Kind gar nicht erleben. Das „Unehrlichkeits“-Argument der<br />
Direktorin könne man zudem nicht ernst nehmen. „Man gibt<br />
den Eltern einfach im Nachhinein den pädagogischen Fehler.“<br />
Es ändere nichts, ob bzw. wann die Mutter es angegeben<br />
habe. „Ein Kind nicht aufzunehmen, weil es transgender ist,<br />
ist gegen jegliche Kinderrechtskonvention“, so Wahala. „Es ist<br />
pädagogische Gewalt gegen das Kind und die Familie.“ Der<br />
Psychotherapeut stellt klar: „Es gibt in unserer Gesellschaft<br />
unterschiedliche geschlechtliche Identitäten und wenn das<br />
eine Schule nicht akzeptiert, dann gehört ihr die Schulgenehmigung<br />
mit sofortiger Wirkung entzogen.“ Dass der Landesschulrat<br />
kein Weisungsrecht hat, kommentiert er mit der<br />
Frage: „Ja, aber wer gibt der Schule denn das Schulrecht?!“<br />
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