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BIBER 07_17 ansicht

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MEINUNG<br />

Ein neues Lebensgefühl<br />

Von Lajla Asujeva<br />

Ich habe keine Brüder, Oida!<br />

Von Asoo Khanmohammadi<br />

Nachdem ich mich vor gut 18 Jahren von meinem Beruf<br />

und meiner Karriere im Journalismus verabschieden musste,<br />

wusste ich, dass es sehr schwierig wird, wieder in diesem<br />

Bereich Fuß zu fassen. Dreimal habe ich versucht, in einen<br />

Kurs reinzukommen, der den Berufseinstieg für mich erleichtern<br />

sollte – dreimal wurde ich abgelehnt. Aber das Schicksal<br />

hatte, wie so oft, noch ein Ass im Ärmel: Ich bekam die Zusage<br />

beim Journalismus- und Kommunikationskurs von Biber<br />

teilzunehmen. Nach anfänglicher Freude überkamen mich<br />

sehr bald große Zweifel: Reicht mein Deutsch aus? Gelingt<br />

es mir nach 18 langen Jahren wieder zurück in den Journalismus<br />

zu finden? Zwei Wochen habe ich kaum geschlafen,<br />

aber bereits am ersten Tag im Kurs waren meine Ängste wie<br />

weggewischt.<br />

Bereits im Stiegenhaus des ÖIF, in dem der Kurs hauptsächlich<br />

stattfand, roch es bei unserer Ankunft nach frischem<br />

Kaffee und dank der netten Atmosphäre fühlten wir uns<br />

willkommen. Es war großartig, nach so langer Zeit wieder<br />

Journalismusluft zu schnuppern. Ich fühlte mich zurückversetzt<br />

in der Zeit. Der Kurs war toll organisiert: Wir haben<br />

verschiedene Zeitungen in Wien besucht, an Redaktionssitzungen<br />

teilgenommen und viele Journalisten kennengelernt.<br />

In diesen vier Monaten habe ich vergessen, dass ich als<br />

Flüchtling nach Österreich gekommen bin. Ich war mit den<br />

anderen Journalisten auf Augenhöhe, wir waren alle vom<br />

Fach, vollwertige, ausgebildete Journalisten. Zweifellos kann<br />

ich sagen, dass mir der Kurs ein neues, schönes Lebensgefühl<br />

geschenkt hat. Bald lesen wir hoffentlich die ersten Artikel<br />

von den Kursteilnehmern in österreichischen Zeitungen.<br />

Vielen Dank Biber, dafür, dass ich wieder Selbstbewusstsein<br />

habe und für die schöne Zeit mit den netten Kollegen und<br />

Kolleginnen. Danke für die lustige Zeit und den Running Gag,<br />

dass wir uns jedes Mal - nach jeder noch so kleinen Kleinigkeit<br />

- bedanken. Danke Gott, danke Biber, danke Alex, danke<br />

Simon – und danke an meinen Kollegen Bilal, durch den wir<br />

diesen Witz als Erinnerung an den Kurs haben.<br />

Lajla Asujeva (50) kommt aus Tschetschenien und hat in<br />

St.Petersburg Journalismus studiert. In ihrer Heimat hat sie<br />

im Staatsfernsehen als Moderatorin gearbeitet.<br />

Könntet ihr bitte mit den Vorurteilen aufhören, dass ich<br />

als „arme Muslima“ nichts darf und nichts kann? Dieses<br />

Klischeedenken haben übrigens nicht nur Rassisten, sondern<br />

beinahe alle Menschen, auch die sogenannten Linken und<br />

Intellektuellen. Ich merke, immer wenn ich in einen Heurigen<br />

gehe und eine Schweinestelze bestelle, dass Menschen<br />

überfordert sind von dem Gedanken, dass ich einen „normalen“,<br />

europäischen Lebensstil lebe. Sie wissen plötzlich nicht<br />

mehr, wie sie mit mir umgehen sollen. Nicht alle Frauen, die<br />

aus dem Nahen Osten kommen, sind zwangsläufig gläubig<br />

oder tragen ein Kopftuch. In Österreich haben die Frauen<br />

Rechte, die sie im Iran nicht haben und ich weiß diese sehr<br />

zu schätzen.<br />

Es baut sich ein enormer Druck auf: Auf der einen Seite<br />

wünscht man, sich integrieren zu können, die Kultur nicht<br />

nur kennenzulernen, sondern auch aufzunehmen und auf<br />

der anderen Seite gilt es Dinge zu tun, die im Iran ausnahmslos<br />

verboten waren und hier Gewohnheiten sind. Ich bin<br />

aufgewachsen unter der Angst und dem Terror des Regimes.<br />

Ich breche durch meinen hiesigen Lebensstil die dortigen<br />

Regeln. Ich versuche, Klischeedenken zu durchbrechen und<br />

den Menschen zu zeigen: Es geht auch anders.<br />

Trotzdem nervt es mich, dass ich ständig mit diesen Vorurteilen<br />

leben muss. Weil ich dunkle Haare und Augen habe,<br />

halten die Menschen Abstand und Männer haben Angst vor<br />

meinen Brüdern und Cousins, wenn sie mich in einer Bar<br />

ansprechen – ich habe übrigens keine Brüder und auch sonst<br />

niemanden in der Familie, der euch umbringt, wenn ihr Blickkontakt<br />

mit mir aufnehmt. Ich kann doch selber entscheiden,<br />

wie ich lebe, deshalb bin ich nach Österreich gekommen.<br />

Asoo Khanmohammadi wurde 1980 im Iran geboren,<br />

studierte dort Fotografie und ist zurzeit an der Universität<br />

für angewandte Kunst in Wien. Sie hat mehrere Kunstpreise<br />

gewonnen und hatte bereits Soloausstellungen im Iran, in<br />

Österreich, Deutschland, Belgien und England. Die Themen<br />

Frauen und Geschlecht ziehen sich wie ein roter Faden<br />

durch ihren künstlerischen Werdegang. Asoo absolviert ihr<br />

Arbeitstraining als Fotografin beim Wochenmagazin Falter.<br />

Marko Mestrović<br />

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